Schweizer Tänzerin erklärt Breakdance
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2024 im olympischen Programm:Schweizer Tänzerin erklärt Breakdance

Kulturgut oder Spitzensport?
Breaking bringt den HipHop nach Olympia

In einem Jahr beginnen in Paris die Olympischen Sommerspiele 2024. Als erster Tanzsport überhaupt kommt Breaking ins Programm. Sport und Kultur vermischt sich damit weiter. Das gefällt nicht allen.
Publiziert: 26.07.2023 um 10:05 Uhr
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Aktualisiert: 26.07.2023 um 15:04 Uhr
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Tanzen hatte immer schon die höchste Priorität im Leben von Jessica Rieben aka Jazzy Jes.
Foto: BENJAMIN SOLAND

New York City, in den 70er Jahren, irgendwo in der Bronx, dem sozialen Brennpunkt der Stadt. Bandenkriege, Armut und Drogen bestimmen das Leben im nördlichsten Stadtteil New Yorks. Genau in diesem Milieu wird zu dieser Zeit die HipHop-Kultur geboren. Die afro-amerikanische und lateinamerikansiche Jugend entwickelt zu dieser Musik eine Tanzform, die innert wenigen Jahren die Welt erobern sollte: Breaking.

Und tatsächlich hat sich die Kunst rund 50 Jahre später von der US-Metropole bis ins beschauliche Thun im Berner Oberland verbreitet. Hier betreibt die Thunerin Jessica Rieben (35) eine Tanzschule, die sich der HipHop-Kultur verschrieben hat. Im The Yard prangen Graffitis an der Wand, in einer Ecke stehen neben einem DJ-Pult mächtige Boxen und auf dem Tisch in der Sitzecke wächst aus einem weissen Sneaker eine Zimmerpflanze heraus.

Schweizer Pionierin

Und auch Jazzy Jes, wie sich die Tänzerin in der Szene nennt, passt in diese Umgebung. Lockere schwarze Trainerhosen, weisses Flatcap, grosse goldene Ohrringe. Die Musik hat sie zum Tanzen gebracht. «Angefangen hat es mit einer klassischen Hip-Hop-Formation. Im Teenageralter ist unsere Showgruppe dann auseinandergefallen. Vor allem die Mädchen haben aufgehört zu tanzen.» Also wechselte Jazzy Jes zu den Jungs. Als Frau war sie in dieser Kunstform damals noch ziemlich in der Unterzahl. Das war aber kein Hindernis für sie, im Gegenteil.

Sie nahm viele blaue Flecken, viele Stunden harter Arbeit in Kauf und liess ihre männlichen Breaking-Kollegen hinter sich. Als erste Schweizerin wurde sie in eine der ältesten Tanz-Crews überhaupt aufgenommen, die New Yorker Rock Steady Crew. Und nun steht sie vor der Olympia-Qualifikation. «Ich war mir lange nicht sicher, ob ich mich dafür wirklich so reinhängen will», erzählt das B-Girl. Denn wie so viele in der Szene sieht auch sie den Wandel des Kulturguts zum Spitzensport kritisch.

Foto: Benjamin Soland

«Diese Kultur verkörpert so viele Werte. Der Tanz wurde auf der Strasse geboren. In Clubs und Hinterhöfen. Diese Traditionen, die Geschichte, darf man nicht vergessen.» Es sei eine Frage des Respekts, diesen Aspekt der Kultur in Ehren zu halten. Ob das an den olympischen Spielen tatsächlich gemacht wird, bezweifelt Jazzy Jes. Es sind die gleichen Ängste, die auch schon die Snowboarder oder Skater plagten, bevor sich ihr Sport vom Nischen-Hobby zum Weltsport wandelte.

Mehr Sichtbarkeit durch Olympia

Hinzu kommt die Undurchsichtigkeit im Bewertungssystem. Beim Breaking gibt es keine einstudierte Choreo. In einem sogenannten Battle müssen sich die zwei aktiven Tänzerinnen oder Tänzer der Musik des DJs anpassen. Eine Jury bewertet nebst den technischen Fähigkeiten auch Dinge wie Innovation oder Charakter im Tanz.

Und doch sieht die Thunerin auch Chancen. Olympia könnte ein Türöffner sein, um vom Tanz leben zu können. «Jetzt kommt die Aufmerksamkeit von Aussen. Die Wertschätzung. Sponsoren beginnen sich für den Sport, oder Tanz, wie man es nun nennen will, zu interessieren.» In diversen Ländern wie Deutschland oder Belgien gibt es bereits B-Boys und B-Girls mit Athleten-Verträgen, die einen Lohn ausgezahlt bekommen und sich komplett auf den Tanz konzentrieren können.

Das wird alles neu in Paris:

Breaking ist bei den nächsten Olympischen Spielen 2024 die einzige Sportart, die eine Premiere feiert. Allerdings hat das Pariser Komitee in sechs verschiedenen Sportarten neue Disziplinen geschaffen.

Die visuell Spektakulärste ist wohl das Kitesurfen, das zur Kategorie Segeln gehört. Die Athleten brettern mit bis zu 70 Stundenkilometern an einem Lenkdrachen befestigt über den See. Der Bündner Bruce Kessler (23) ist der einzige Schweizer, der eine Chance auf die Qualifikation hat. Bei den 470er-Segelbooten (470 bezieht sich auf die Länge des Bootes in Zentimeter) sind ab 2024 auch gemischte Teams am Start.

Wild wird es bei den Kanu-Athletinnen und -Athleten. Dort wird der Extrem-Slalom eingeführt. Anders als beim normalen Slalom starten in der Extrem-Variante vier Sportlerinnen gleichzeitig in den Wildwasser-Parcours. Voraussichtlich werden die beiden Genfer Kanuten Martin Dougoud und Thomas Koechlin die Schweiz vertreten.

Beim Sportklettern gilt das Speed-Klettern neu als eigene Disziplin. Beim Frauenboxen werden die Gewichtsklassen anders aufgeteilt. Neu dazu kommen Halb- und Schwergewicht, mit einem Maximalgewicht von 92 Kilogramm. Beim Tontaubenschiessen werden in Paris Mixed-Teams antreten. Zudem wird das 50 km Gehen der Männer durch eine gemischte Staffel ersetzt.

Breaking ist bei den nächsten Olympischen Spielen 2024 die einzige Sportart, die eine Premiere feiert. Allerdings hat das Pariser Komitee in sechs verschiedenen Sportarten neue Disziplinen geschaffen.

Die visuell Spektakulärste ist wohl das Kitesurfen, das zur Kategorie Segeln gehört. Die Athleten brettern mit bis zu 70 Stundenkilometern an einem Lenkdrachen befestigt über den See. Der Bündner Bruce Kessler (23) ist der einzige Schweizer, der eine Chance auf die Qualifikation hat. Bei den 470er-Segelbooten (470 bezieht sich auf die Länge des Bootes in Zentimeter) sind ab 2024 auch gemischte Teams am Start.

Wild wird es bei den Kanu-Athletinnen und -Athleten. Dort wird der Extrem-Slalom eingeführt. Anders als beim normalen Slalom starten in der Extrem-Variante vier Sportlerinnen gleichzeitig in den Wildwasser-Parcours. Voraussichtlich werden die beiden Genfer Kanuten Martin Dougoud und Thomas Koechlin die Schweiz vertreten.

Beim Sportklettern gilt das Speed-Klettern neu als eigene Disziplin. Beim Frauenboxen werden die Gewichtsklassen anders aufgeteilt. Neu dazu kommen Halb- und Schwergewicht, mit einem Maximalgewicht von 92 Kilogramm. Beim Tontaubenschiessen werden in Paris Mixed-Teams antreten. Zudem wird das 50 km Gehen der Männer durch eine gemischte Staffel ersetzt.

Es gibt noch viel zu tun

Davon ist die Schweiz noch weit entfernt. Während andere Länder schon seit zwei Jahren an einem Olympia-Kader feilen, wurde Jazzy Jes erst vergangenen Oktober für den Kader angefragt. «Wir trainieren zwar wie Profisportler, investieren extrem viel Zeit, aber uns fehlt hierzulande leider etwas der finanzielle Support, um ganz vorne mitzumischen.» Hingegen gebe es Nationen, die zwei Wochen vor einem Wettkampf mit Mental-Coach und Physiotherapeuten im Team an ein Turnier reisen, damit sich die Tänzerinnen und Tänzer am Wettkampfort akklimatisieren können, erzählt die Thunerin.

Die Swiss Breaking Federation, die Trainingsweekends organisiert und die Trips an Weltcups oder Weltmeisterschaften bezahlt, kann sich solche Investitionen noch nicht leisten. «Hier steckt wirklich alles noch in den Babyschuhen», erklärt Jazzy Jes. Die Chance, dass sich Jessica Rieben im nächsten Sommer an den olympischen Spielen batteln kann, ist entsprechend klein. Pro Geschlecht stehen gerade mal 16 Startplätze zur Verfügung. Und doch ist es immer noch möglich. Die nächsten Wettkämpfe im Herbst werden entscheiden, ob die Schweizer Delegation weiterhin von einer Breaking-Premiere in Paris träumen darf.

Delegationsleiter Stöckli ein Jahr vor den Spielen

366 Tage sind es noch, dann wird in Paris bei den Sommerspielen das olympische Feuer entzündet. «Wir schauen mit grosser Vorfreude auf die Spiele in Paris», sagt Ralph Stöckli, Chef de Mission beim Schweizer Sport-Dachverband Swiss Olympic. «Das sind ja fast Heimspiele für uns. Und diesen Heimvorteil wollen wir nutzen.»

Die Freude über die Spiele bei unseren französischen Nachbarn ist gross bei den Schweizer Verantwortlichen, nachdem die letzten vier Ausgaben der Spiele ausserhalb von Europa über die Bühne gegangen sind, in Tokio 2021 und in Peking 2022 wegen der Pandemie zudem ohne Publikum. Stöckli lobt vor allem die Herangehensweise der Franzosen. «Ich persönlich finde es faszinierend, dass das OK zu 95 Prozent der Events auf bestehenden Anlagen plant, auf bestehenden Wettkampfstätten. Mit Blick auf die Zukunft ist das ein starkes Zeichen.»

Ein Thema aber hängt wie eine dunkle Wolke über der Austragung in einem Jahr: der Ukraine-Krieg und die damit verbundene Frage, ob Athleten aus Russland und Belarus in Paris startberechtigt sein werden. «Unsere Position ist klar», sagt Stöckli. Swiss Olympic hat sie in den letzten Monaten wiederholt kundgetan: Russen und Belarussen sollen nicht an internationalen Grossanlässen teilnehmen dürfen, dementsprechend auch nicht bei Olympia. «Wenn sie aber in Paris teilnehmen dürfen, müssten wir das akzeptieren», sagt Stöckli. Der Entscheid liegt am Ende beim Internationalen Olympischen Komitee. (eg)

366 Tage sind es noch, dann wird in Paris bei den Sommerspielen das olympische Feuer entzündet. «Wir schauen mit grosser Vorfreude auf die Spiele in Paris», sagt Ralph Stöckli, Chef de Mission beim Schweizer Sport-Dachverband Swiss Olympic. «Das sind ja fast Heimspiele für uns. Und diesen Heimvorteil wollen wir nutzen.»

Die Freude über die Spiele bei unseren französischen Nachbarn ist gross bei den Schweizer Verantwortlichen, nachdem die letzten vier Ausgaben der Spiele ausserhalb von Europa über die Bühne gegangen sind, in Tokio 2021 und in Peking 2022 wegen der Pandemie zudem ohne Publikum. Stöckli lobt vor allem die Herangehensweise der Franzosen. «Ich persönlich finde es faszinierend, dass das OK zu 95 Prozent der Events auf bestehenden Anlagen plant, auf bestehenden Wettkampfstätten. Mit Blick auf die Zukunft ist das ein starkes Zeichen.»

Ein Thema aber hängt wie eine dunkle Wolke über der Austragung in einem Jahr: der Ukraine-Krieg und die damit verbundene Frage, ob Athleten aus Russland und Belarus in Paris startberechtigt sein werden. «Unsere Position ist klar», sagt Stöckli. Swiss Olympic hat sie in den letzten Monaten wiederholt kundgetan: Russen und Belarussen sollen nicht an internationalen Grossanlässen teilnehmen dürfen, dementsprechend auch nicht bei Olympia. «Wenn sie aber in Paris teilnehmen dürfen, müssten wir das akzeptieren», sagt Stöckli. Der Entscheid liegt am Ende beim Internationalen Olympischen Komitee. (eg)

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