Es ist brutal. «Er war in Gold-Form», sagt Snowboard-Nationaltrainer Pepe Regazzi. «Besser gehts nicht. Das Timing hat gestimmt.» Und dann knallt Iouri Podladtchikov (29) vor zwei Wochen in Aspen mit dem Gesicht aufs Eis.
Beim letzten Lauf an den X-Games steht der Schweizer seinen Double Backside Alley-Oop Rodeo eigentlich. «Keine Ahnung, was danach passiert ist», sagt Podladtchikovs Schweizer Teamkollege Pat Burgener (23). «Es ist so dumm gelaufen. Ich konnte es nicht glauben, dass er danach so heftig stürzt.»
Burgener ist einer der letzten Überlebenden im Schweizer Männer-Halfpipe-Team. David Hablützel (21) kämpft sich nach schwerer Verletzung zurück. Der Start des Olympia-Fünften von Sotschi in Pyeongchang ist weiter höchst ungewiss. Und Podladtchikov fällt mit seiner Hirnblutung monatelang aus, für ihn rutscht der 16-jährige Elias Allenspach nach.
«Natürlich gehört das irgendwo zum Sport», sagt Burgener. «Halfpipe ist riskant, und die Gefahr fährt immer mit.» An seinem letzten Trainingstag habe er darum früher aufgehört. «Ich habe gemerkt, dass ich müde wurde und nicht mehr konnte. Ich will mich nicht so kurz vor Olympia noch verletzen.» Für den Lausanner sind viele Verletzungen «Kopfsache. Man will zu viel. Man hat hohe Erwartungen oder hohen Druck. Dann passiert es.»
Podladtchikov sei in den Wochen vor den X-Games und Olympia «sicher gestresster gewesen als sonst», hat Burgener beobachtet. «Aber das musste kein schlechtes Zeichen sein: Das war vor vier Jahren in Sotschi auch schon so.» Da ist das Ergebnis bekannt: Podladtchikov holte Gold.
Der verbleibende Rest des Schweizer Teams schlägt sich derweil durch. «Die letzte Trainingswoche haben Pat und ich eigentlich alleine gemeistert in Laax», sagt Jan Scherrer (23), der vierte Mann im Schweizer Halfpipe-Team. «Wir hatten immer News von Dave und Iouri. Man nimmt das schon auf. Man sieht, wie schnell es gehen kann, dass sich jemand verletzt. Aber wir mussten in gewissen Momenten Abstand von ihnen nehmen. Wir sind hier, um unsere Bestleistung zu bringen.»
Klingt hart. «Wir haben einen starken Zusammenhalt im Team», sagt Scherrer. «Aber gezwungenermassen müssen wir Egoisten sein.» Es sei nicht so, dass jetzt ein dunkler Schatten über dem Team liege, sagt Dirk De Sousa, Mentaltrainer der Schweizer Snowboarder und Freeskier. «Natürlich brauchen die Athleten in so einem Fall mehr Support. Nicht unbedingt wegen der schweren Verletzung, sondern auch, weil sie in einem Moment von extremer Bedeutung kommt, bei Olympia, wo ohnehin die Anspannung viel grösser ist.»
Burgener will den Run seines Lebens stehen
Und Burgener? Der Westschweizer hat die Gabe, selbst schlimmsten Nachrichten eine positive Drehung zu geben. «Es geht Iouri besser, als wir zuerst gedacht haben. Er lebt noch.» Sich selber sieht er überhaupt nicht unter Druck. «Ich hätte ja fast aufgehört. Vor vier Jahren hätte ich nie gedacht, dass ich jetzt hier sein würde.» Damals, zwei Wochen nach Podladtchikovs Olympiagold, riss er sich mit Arm im Gips das Kreuzband.
Nun seien die Medaillen plötzlich nicht unerreichbar. Den Japaner Ayumu Hirano mag er nicht in Reichweite sehen. US-Legende Shaun White wird vorne mitmischen. «Aber wenn ich mir Scotty James' Run anschaue, bin ich nicht so weit weg, dass ich ihn nicht schlagen kann. Ich will einfach den Run meines Lebens stehen.» Gefahr hin oder her.
Seit dem 09. Februar laufen die 23. Olympischen Winterspiele in Pyeongchang. Alle Highlights und aktuellen Sportnews aus Südkorea gibts immer im Ticker.
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