Stefanie Cancellara (41) ist müde. Hat kaum geschlafen. Sie ist aufgewühlt. «Was Fabian am Ende seiner 16-jährigen Karriere in Rio geleistet hat, ist unvorstellbar. Ich kann es noch kaum begreifen, nicht einordnen.»
Heute gegen 11 Uhr wird Fabian in Zürich-Kloten landen. Die ganze Familie mit den Töchtern Giuliana und Selina wird den Ehemann und Papi in die Arme schliessen. «Dann werden wir erst einmal daheim mit Freunden gehörig feiern», sagt Stefanie.
Hochzeitstag nachholen
Heute feiert das Paar auch noch den 10. Hochzeitstag. «Der muss jetzt aber warten. Der läuft uns nicht davon. Den holen wir nach, wenn der grosse Trubel vorbei ist.»
Der Gold-Tag hat sie viel Kraft und Nerven gekostet. Die Nacht vor dem Rennen kann sie kaum schlafen. «Ich bin viel zu früh aufgestanden. Habe mich gefragt, was ich mit dem langen Tag anfangen soll.» Sie nimmt Tochter Giuliana ins Auto und besucht die Grossmama in Thun. Das bringt Abwechslung, lenkt ab.
Daheim in Ittigen BE schaut sie am späteren Nachmittag mit Giuliana allein das Rennen. «Ich habe ihr verboten zu reden, ich musste mich konzentrieren. Und ich habe gelitten.» Sie sieht, wie ihr Mann auf dem regennassen Asphalt über die Strassenmarkierungen fährt. «Weg, weg, pass auf!», schreit sie. «Dann noch dieser Hund am Strassenrand, ich hatte Angst», gibt sie zu.
«Ich bin stärker geworden»
Doch sie ist die starke Frau hinter dem starken Rennfahrer. Sie kennen sich seit 1998, heirateten 2006 und sind stolze Eltern der beiden Mädchen Giuliana (9) und Elina (4). Die 16 Jahre an der Seite des Radprofis haben Stefanie geprägt. «Mein Charakter hat sich verändert», ist sie überzeugt. «Ich bin stärker geworden. Wie oft musste ich Entscheide alleine fällen, weil Fabian an den Rennen war?»
Sie freut sich jetzt auf das Leben nach dem Radsport – hat aber auch grossen Respekt. «Wir müssen uns wieder neu finden, neu kennenlernen. Wir müssen 16 Jahre aufholen. Aber ich bin überzeugt, wir werden ein besseres Familienleben haben.»
Das Olympische Zeitfahren in Rio war das letzte grosse Rennen von Fabian Cancellara. Er wird noch ein paar kleinere Rennen fahren – und dann ist endgültig Schluss.