Es ist ein bewölkter Sommermorgen. Ideal, um in der Badi zu schwimmen. Ein Sport, der im fortgeschrittenen Alter belebend, vor allem aber gelenkschonend ist. Und bei leichter Bewölkung fallen auch die trampelnden Horden nicht über die Freibäder her.
Die Rechnung geht auf. Nur eine junge Frau zieht in der Bahn der «Freizeitschwimmer» im ansonsten menschenleeren Becken ihre Bahnen. Elegant, zügig, mit feiner Technik.
Etwas euphorisiert durch die letzten Tage, an denen ich schon dreimal einen Kilometer ohne Pause geschafft habe, steige ich in die Bahn nebenan, die für «Sportschwimmer» reserviert ist. In völliger Verkennung der Realitäten, wie sich bald herausstellt.
Weil man ja zeitlebens der Meinung ist, ein Wettkampftyp zu sein, warte ich mit dem Start, bis die junge Frau neben mir gewendet hat. Und lege dann unter Entfaltung meines ganzen Leistungsvermögens los. Wäre doch gelacht, wenn ich dieses Tempo zumindest während fünfzig Metern nicht mitgehen könnte.
Nach drei Zügen sehe ich nebenan nicht mal mehr strampelnde Beine. Und als ich schwer atmend bei der Bahnhälfte ankomme, kommt mir die junge Frau bereits wieder entgegen. Vor lauter Entsetzen und Schnappatmung schlucke ich einen Deziliter Chlorwasser. Und paddle meinen Kilometer danach ziemlich desillusioniert zu Ende.
Später kommen wir ins Gespräch. Chiara Haller heisst die junge Frau. Sie ist 17 Jahre alt, besucht die Sportkanti in Aarau und trainiert beim SC Aarefisch.
Sie schwimmt jeden Tag sechs bis acht Kilometer. Der Sport bestimmt neben der Schule ihren Alltag. Sie schaut auch die Schwimmwettbewerbe der Olympischen Spiele und träumt davon, da vielleicht einmal dabei zu sein. Über 100 und 200 Meter Brust gehöre sie mittlerweile knapp zu den besten zwanzig Schwimmerinnen der Schweiz, sagt sie.
Und ergänzt dann: «Im Moment habe ich eine Trainingspause.» Was sie denn hier mache, frage ich. «Ich schwimme locker so drei, vier Kilometer. Um den Bezug zum Element Wasser nicht ganz zu verlieren.» Aha.
Wir plaudern am Beckenrand, bis es kühl wird. Zwei, drei Längen wollen wir noch schwimmen. Chiara taucht ab und bleibt mit angelehnten Armen allein mit Beinschlägen unter Wasser. Sie verschmilzt in diesem Moment mit ihrem Element. Ich sehe sie von weitem erst weit nach 30 Metern wieder auftauchen.
Die grandiosen Olympischen Spiele laufen in Paris. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Denn Olympia ist überall. In jedem Schwimmbad, in jedem Leichtathletikstadion und in jeder Turnhalle des Landes. Zehntausende junge Menschen betreiben da für ihre Leidenschaft einen enormen Aufwand. Mit einer Konsequenz und Disziplin, die bewundernswert ist. Und mit dem Traum, vielleicht einmal auf der ganz grossen Bühne dabei zu sein.
Am Ende des Gespräches frage ich Chiara, ob denn die Lokalzeitung schon einmal über sie berichtet habe. «Nein, dafür bin ich noch zu wenig gut», sagt sie.
Dann schreibe halt ich über dich, liebe Chiara. Wer mir unter Wasser und ohne Luft zu holen, allein mit einem delphinartigen Beinschlag auf 50 Meter 30 Meter abnimmt, der muss doch bald reif für die Olympischen Spiele sein!