Übrigens – die SonntagsBlick-Kolumne
Der emotionalste Medaillengewinn in Paris

Sein Schützling stirbt, der Trainer führt ihren Traum zu Ende. Die Kolumne von Reporter Felix Bingesser.
Publiziert: 04.08.2024 um 08:07 Uhr
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Aktualisiert: 04.08.2024 um 09:33 Uhr
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Emotionaler Moment: Stéphane Landois zeigt nach seinem Ritt in den Himmel.
Foto: AFP
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Felix BingesserReporter Sport

Olympische Spiele sind ein Sammelsurium an Geschichten. Da gibt es im Handball den Schweizer Schiedsrichter Arthur Brunner. Der entscheidet und richtet nicht nur auf dem Spielfeld, sondern ist im letzten Frühling von der Vereinigten Bundesversammlung auch als Richter ans Bundesgericht gewählt worden.

Bei Olympia gibt es auch den 20-Jährigen und 2,24 Meter grossen französischen Basketballer Victor Wembanyama, der die Franzosen vom Olympiasieg träumen lässt. Etwas kleiner ist die 1,42 Meter grosse Simone Biles, diese Turnerin des Jahrhunderts, die vielleicht der grösste Star dieser Spiele ist.

Es gibt auch die 61-jährige Tischtennisspielerin Ni Xia Lian, die vor 41 Jahren schon Weltmeisterin geworden ist und in Paris für Luxemburg startet. In ihrer ursprünglichen Heimat China hat die Frau, die die Grossmutter ihrer Konkurrentinnen sein könnte, Millionen Follower. Und ist in Paris ein Publikumsliebling.

Der emotionalste Medaillengewinn

Bei Olympischen Spielen fliessen die Tränen der Freude und die Tränen der Enttäuschung. 14 Tage mit Emotionen am laufenden Band.

Der emotionalste Medaillengewinn geht in der letzten Woche über die Bühne. Beim Vielseitigkeitsreiten gewinnt Frankreich die Silbermedaille. Mit im Team ist auch Stéphane Landois, der als Schlussreiter den Medaillengewinn sicherstellt und nach dem Triumph einen Kuss Richtung Himmel schickt.

Der Kuss gilt Thaïs Meheust, einer jungen Reiterin, deren Trainer dieser Stéphane Landois früher war. Die 22-jährige Meheust gehört in Frankreich zu den grossen Hoffnungen im Reiten. Ihr grosses Ziel: die Olympischen Spiele 2024 in ihrer Heimat. «Ich liebe meine Pferde über alles. Sie sind meine besten Freunde, und ich glaube, dass in der Vielseitigkeit die Verbindung zu deinen Pferden das absolut Wichtigste ist. Wir verlangen von ihnen verrückte Sachen – aber sie machen alles für uns, weil sie uns vertrauen. Meine besondere Stärke sind meine Pferde, sie sind fantastisch und geben immer ihr Bestes», sagt sie in einem Interview.

Tödlicher Unfall beim Reiten

Aber 2019 stürzt Thaïs Meheust bei einem Wettkampf und wird vom eigenen Pferd erdrückt. Trainer Landois steht an der Strecke, als sein Schützling stirbt.

Die Eltern von Meheust führen in der Normandie einen Reitstall. Sie entscheiden, das Pferd mit dem Namen Chaman Dumontceau zu behalten, und bitten Trainer Landois, den Schimmel selber zu reiten. Und so den Traum ihrer Tochter weiterzuführen.

Und so sitzt in Paris Stéphane Landois statt Thaïs Meheust im Sattel von Chaman Dumontceau. Und gewinnt mit dem Team Silber. Die Eltern der tödlich verunglückten Thaïs sind zum ersten Mal wieder an einem Wettkampf dabei und sitzen auf der Tribüne.

«Ich denke jeden Tag an Thaïs», sagt Landois nach dem Wettkampf. «Wenn ich morgens Chaman in die Augen sehe, denke ich an Thaïs. Und den Schimmel an meiner Seite zu haben, bedeutet, dass ich ein bisschen Thaïs bei mir haben kann. Und nach dieser Medaille bin ich stolz. Thaïs hätte diesen Tag geliebt und wäre glücklich.»

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