Ein Schatten schwebt über Versailles. Dort, wo in den kommenden Tagen die olympischen Reitwettbewerbe ausgetragen werden. Doch Charlotte Dujardin, dreifache Olympiasiegerin und eigentlich eine Ikone im Dressurreiten, wird dann nicht mit dabei sein. Sie muss sich Tage vor den Spielen von Olympia zurückziehen. Der Vorwurf: Tierquälerei.
Ein Video, das wohl schon rund zweieinhalb Jahre alt ist, zeigt die 39-jährige Britin, wie sie mit einer Gerte auf ein Pferd drescht. 24 Mal schlägt sie zu. Der englische Sender ITV zeigt die Szene am Mittwoch.
Dujardin selbst sagt dazu, sie habe während einer Trainingseinheit einen Fehler gemacht: «Es gibt keine Entschuldigung. Ich schäme mich zutiefst.» Weshalb sie sich genau schämt, wird nicht weiter ausgeführt. Sie werde aber nicht an den Spielen teilnehmen. Ihren Olympia-Rückzug untermauert der Weltverband FEI mit einer vorläufigen Sperre. Ermittlungen laufen. Und die Diskussion um den Pferdesport ist neu entfacht.
Immer und immer wieder steht dieser Sport in der Kritik. Die Verbände kämpfen um Akzeptanz in der Gesellschaft, sie wollen klarstellen, dass das Wohl der Tiere elementar ist – und zuoberst steht. Aber solche Aktionen wie jene von Dujardin rufen natürlich – und das auch zurecht – die Tierschützer sofort wieder auf den Plan.
Ist es das Ende ihrer Karriere?
Erst im Juni hat der dänische Verband seine Reiterin Carina Cassö Krüth aus dem Olympia-Aufgebot gestrichen. Auch von ihr wurde ein Video gefunden. Auch hier steht der Vorwurf der Tierquälerei im Raum.
Unvergessen ist zudem der Fall um Annika Schleu, die seit ihrer Hochzeit Annika Zillekens heisst. 2021 an Olympia in Tokio versuchte Zillekens im modernen Fünfkampf mehrmals, ihr scheuendes Pferd mit der Gerte anzutreiben. Sogar Trainerin Kim Raisner schlug das Tier mit der Hand und forderte die Reiterin auf: «Hau nochmals drauf.»
Die Tierquälerei-Debatte wird uns nun auch an diesen Spielen begleiten. «20 Minuten» hat beim Schweizer Verband nachgefragt. Damian Müller, Präsident von Swiss Equestrian, sagt auf das Dujardin-Video angesprochen: «Wir verurteilen jede Form von tierschutzwidrigem Verhalten gegenüber Pferden in aller Deutlichkeit. Sie sind unsere treuen Partner, die unseren Sport einzigartig machen.» Es gelte eine absolute Nulltoleranz. «Wer diese nicht einhält, überschreitet eine rote Linie und wird entsprechend sanktioniert», so Müller.
Noch ist nicht klar, wie hart Dujardin bestraft wird. Es darf zumindest angezweifelt werden, ob die Britin jemals auf die grosse Bühne zurückkehren wird. Mit 39 Jahren könnte ihre Karriere ein unrühmliches Ende finden.