Brigitte McMahon spricht über schwierige Zeiten
«Mir wuchs alles über den Kopf»

Brigitte McMahon schreibt an den Olympischen Spielen 2000 Geschichte. Der damalige Bundespräsident Adolf Ogi erachtet ihren Triumph im Triathlon als Zeichen, im gleichen Jahr zurückzutreten. Danach durchlebt die Baarerin allerdings schwierige Zeiten.
Publiziert: 06.08.2024 um 10:19 Uhr
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Aktualisiert: 06.08.2024 um 10:28 Uhr
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Brigitte McMahon geht es heute gut. Das war nicht immer so.
Thomas Wälti, Glückspost
Glückspost

«Sie machen auch als Servicemann einen guten Job», lobt Brigitte McMahon (57) ihren Gast mit einem Lächeln. Der Autor dieser Zeilen entfernt mit einem Wasserschlauch gerade Spinnweben am Rennrad der Triathlon-Olympiasiegerin von Sydney 2000. «Kommen Sie mit! Vor unserem Treffen habe ich in der Sitzecke des Gartenhäuschens ein paar Ausrüstungsgegenstände von den Olympischen Spielen in Sydney bereitgestellt», sagt die Zugerin.

Brigitte McMahon lebt in einer geräumigen Wohnung im Zentrum von Baar ZG. Aber man spürt: Sie ist draussen zu Hause. Triathlon, im Speziellen die olympische Distanz, bestehend aus den drei Teilen 1,5 Kilometer Schwimmen, 40 Kilometer Radfahren und 10 Kilometer Laufen, hat ihr Leben stark geprägt – und verändert. Doch davon später mehr.

Der Tisch vor dem Gartenhäuschen hält für Olympia-Interessierte Kostbarkeiten bereit: So sieht man die Laufschuhe, mit denen McMahon bei der olympischen Feuertaufe in Australien als Siegerin die Ziellinie überquerte. Daneben liegt die grüne Badekappe mit der Nummer 35, mit der die Trägerin im 17 Grad kalten Wasser in Port Jackson durch die Wellen kraulte. Das Prunkstück des nostalgischen Equipments hält die Gastgeberin in der Hand: Stolz öffnet sie die Schatulle und zieht an einem hellblauen samtenen Band, an dem ihre Goldmedaille von Sydney baumelt.

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Das perfekt geplante Rennen

Am 16. September 2000 sorgen Brigitte McMahon und die drittplatzierte Romande Magali Messmer am ersten Wettkampftag der 27. Olympischen Sommerspiele für eine Sternstunde im Schweizer Sport. Zwischenzeitlich stehen die Abgesandten von Swiss Olympic auf Platz eins in der Nationenwertung! 250'000 Zuschauer halten vor dem berühmten Opernhaus, in der Innenstadt und vor den Monitoren entlang der Strecke den Atem an, als McMahon und Lokalmatadorin Michellie Jones Schulter an Schulter auf die Zielgerade einbiegen. Die Eidgenossin mobilisiert ihre letzten Reserven, hängt die Favoritin ab und durchbricht zwei Sekunden vor der Australierin das Zielband. «Das Rennen verlief genau so, wie ich es mir in all den Trainingseinheiten zuvor verinnerlicht hatte. Ich wollte vor der sprintstarken Michellie in die Innenkurve stechen. So konnte ich ein bis zwei Schritte einsparen. Das ist sehr gut aufgegangen», fasst McMahon ihren phänomenalen Schlussspurt vor 24 Jahren zusammen.

Nach der Zeremonie erlebt sie ihren aufregendsten olympischen Moment: Sie steht gemeinsam mit Ehemann Mike, einem Amerikaner, und ihrem dreijährigen Sohn Dominic zuoberst auf dem Podest. «Diesen Moment mit meiner Familie zu feiern, hat mir sehr viel bedeutet.» McMahon war die erste Schweizer Mutter, die Sommer-Olympiasiegerin wurde, wie Blick damals schrieb. «Dominic war mitunter ein Grund, dass ich gewinnen konnte. Er verschob meine Prioritäten. Mein erfülltes Leben drehte sich nicht nur um ein einziges Rennen. Ich hatte nichts zu verlieren», sagt Brigitte McMahon.

Bergkristall von Bundesrat Adolf Ogi

Aus Sydney ist auch die Anekdote überliefert, wonach der damalige Bundespräsident Adolf Ogi direkt nach dem historischen Schweizer Triumph im Olympia-Triathlon seine Frau Katrin angerufen habe, um ihr mitzuteilen, dass er Ende Jahr als Bundesrat zurücktreten werde. Dieser sportliche Glanzpunkt sei ein Zeichen, die eigene Gesundheit vor das Amt zu stellen, das er mittlerweile seit 13 Jahren ausübe. Und ja: Als Sportminister könne er nach so einem Höhepunkt nur noch abtreten, habe der Magistrat mit einem Schmunzeln verlauten lassen.

Brigitte McMahon lacht, als sie gefragt wird, ob sie eine Mitschuld am Rücktritt von Ogi trage: «Nein, nein. Ich traf Adolf Ogi aber tatsächlich in Sydney. Er hat mir gratuliert und mir einen Bergkristall geschenkt.»

Dunkle Wolken ziehen auf

Brigitte McMahon nimmt danach ihren zweiten Olympia-Zyklus in Angriff. Die Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen 2004 in Athen sollte für die Titelverteidigerin den nächsten sportlichen Höhepunkt darstellen. Die Familie wird grösser – 2001 kommt Tochter Jennifer zur Welt, 2003 ihr Schwesterchen Alisha.

Mit unbändigem Willen stellt sich McMahon den täglichen Herausforderungen als dreifache Mutter und Athletin und trainiert für ihr grosses Ziel: Athen 2004. «Es war eine grosse Challenge, alles unter einen Hut zu bringen.» In der Olympiawiege wird sie Zehnte. Kurze Zeit später trennen sich Brigitte und Mike McMahon. Sie bleiben einander jedoch freundschaftlich verbunden und freuen sich später über weiteren Familienzuwachs. Die Kinder reisten in der Folge oft zu ihrem inzwischen verstorbenen Vater nach Hawaii.

Dann ziehen dunkle Wolken auf im Leben der einstigen Vorzeigeathletin. Nach den Olympischen Spielen steht sie ohne Sponsorenverträge da. Ihr Vater, der sich rührend um die Enkelkinder kümmerte, stirbt bei einem Unfall. Brigitte McMahon organisiert ein Au-pair für ihre Kinder und trainiert weiter, kommt aber körperlich und psychisch an den Anschlag. Ihre Gesundheit leidet, und ihre Blutwerte sind alarmierend, wodurch auch ihre sportlichen Leistungen abfallen. «Mir wuchs alles über den Kopf. Ich musste in den Überlebensmodus schalten!»

Brigitte McMahon greift in ihrer Verzweiflung zum Blutdopingmittel Epo. Sie wird von Kontrolleuren erwischt – und für zwei Jahre gesperrt. Daraufhin erklärt sie ihren sofortigen Rücktritt. «Es war meine Rettung aus dieser düsteren Situation. Ich konnte einen schweren Stein aus meinem Lebensrucksack entfernen.» Zwei Monate später reist sie mit der Familie in die USA. «Erstmals machte ich nichts anderes als Ferien. Ich genoss die Natur, erfreute mich an schönen Blumen und merkte: Es sind die kleinen Sachen im Leben, die das grosse Bild ausmachen», erzählt Brigitte McMahon in der Stube ihrer Wohnung. Der Sport habe ihr viel gegeben, aber auch viele Freiheiten genommen. «Ich fragte mich nie, wer ich bin oder was mir neben dem Sport Freude macht. Als Triathletin und Mami war mein Leben vollständig durchgetaktet.»

Glückliches Leben

Yannic (14) verabschiedet sich nach draussen. «I love you!», ruft Brigitte McMahon ihrem jüngsten Sohn nach. «Ich unterrichte seit 14 Jahren an der Kantonsschule Kollegium Schwyz in einem Vollpensum Biologie und Chemie. Die Arbeit bereitet mir viel Freude.» Die diplomierte Naturwissenschaftlerin ETH blickt denn auch zufrieden in die Zukunft. «Mit meinen Kindern läuft es super, und ich kann meinem leidenschaftlichen Hobby, dem Sport, nachgehen. Ich bin im Moment sehr glücklich mit meinem Leben», sagt die Single-Frau selbstbewusst.

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