So bescheiden leben die Colognas
Dario putzt die Gegner – Mama Ferienwohnungen!

Olympiasieger! Nein: Vierfacher Olympiasieger! Dario Cologna hat Historisches geschafft. Stolz sind seine Eltern aber vor allem auf seinen Charakter.
Publiziert: 18.02.2018 um 17:03 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 19:35 Uhr
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Seit Freitag ist Dario Cologna vierfacher Olympiasieger!
Foto: Carl Sandin
Mathias Germann

Dario Cologna schreit seine Freude in die kalte Luft von Pyeongchang. «Jaaaaaa!» Kurz darauf bricht alles aus ihm heraus, er weint vor Freude. Soeben ist er Olympiasieger geworden. Zum vierten Mal notabene. Mittendrin bei diesem emotionalen Moment: Der Fanclub, Kollegen, Freundin Laura – und seine Eltern Christine (56) und Remo (68). Auch sie haben Wasser in den Augen, als sie ihren Dario in die Arme nehmen. «Dabei wollte ich zuerst gar nicht nach Südkorea reisen», sagt seine Mama. «Aber letztlich hab ich mir gedacht: Vielleicht sind es ja Darios letzte Spiele! Da wusste ich, dass ich auch reisen würde.»

Es hat sich definitiv gelohnt. Die Freude steht Colognas Eltern ins Gesicht geschrieben. «Wenn du mich fragst, worauf ich in Bezug auf Dario am meisten stolz bin, wirst du aber nicht hören: Dieser Sieg, jener Erfolg oder dieser Triumph», sagt Remo. «Nein, am glücklichsten macht mich die Tatsache, dass Dario immer sich selbst geblieben ist. Trotz seiner Erfolge. Er ist bescheiden und freundlich – und zwar zu jedem. So, wie er auch als Kind war.»

Stolz auf ihren Sohn Dario: Christine (56) und Remo (68).
Foto: EDDY RISCH

Um diese Aussage besser zu verstehen, drehen wir das Rad der Zeit am besten etwas zurück. Es ist Ende November, als wir Christine und Remo in deren Wohnung in Tschierv GR zum Interview treffen. Draussen ist es kalt, es liegt Schnee, eine unangenehme Brise weht. «Kommt rein!», hallt es aus der Gegensprechanlage. «Ich bin der Remo», sagt Darios Vater. «Und ich Christine», ergänzt seine Mama. Kurze Zeit später sitzen wir an ihrem Küchentisch. Christine offeriert uns Kaffee, Most, Mineralwasser. «Oder lieber ein Biosfera-Bier aus der Region?», sagt Remo lachend – er meint es aber ernst.

Wir bleiben beim Wasser. Und Darios Eltern beginnen, über die Vergangenheit ihrer Kinder Dario, Andrea und Gianluca zu erzählen. «Sie waren immer draussen, haben Sport gemacht, gespielt, im Wald Baumhäuser gebaut», erzählt Remo. «Darum war es auch nicht so wichtig, dass wir uns nicht so viel leisten konnten wie andere in unserer Nachbarschaft.»

Colognas haben dem Geld Sorge getragen

Arm seien sie nicht gewesen, erzählen die Colognas. Aber: Sie trugen dem Geld Sorge. Christine: «Klar gab es Momente, als auch Dario uns gefragt hat, ob er dieses oder jenes haben dürfte. Wir haben ihn dann gefragt: ‹Dario, brauchst du das wirklich?› Er hat überlegt und letztlich Nein gesagt. Dann ging er wieder spielen oder Sport machen.»

Als dann Darios Talent fürs Langlaufen immer offensichtlicher wurde, wechselte er ins Hochalpine Institut in Ftan. Remo erzählt eine Episode der damaligen Zeit, die er nie vergessen hat. «Eines Tages stand ein Fest an, es war gegen das Ende des Schuljahrs. Dario hatte irgendeine Juniorenmedaille gewonnen – nicht unerwartet, denn er war damals schon sehr gut. Viele Leute kamen, haben Christine und mir gratuliert. Auch der Koch der Schule. Ich bedankte mich. Doch dann sagte er: ‹Ich gratuliere nicht für die Medaille. Sondern dafür, dass Dario immer so nett ist zu mir. Er grüsst immer und sagt auch immer Hallo.›» Remo gibt zu: «Das hat mir die Tränen in die Augen getrieben, es war viel wichtiger als alles Sportliche.»

Dario Cologna während der Medaillenübergabe.
Foto: KEYSTONE

Genau darum war es den Colognas immer gegangen: Ihre Kinder sollten selbstständig aufwachsen, ihren Weg machen, anderen respektvoll gegenübertreten. In diese Kategorie passt auch, sparsam mit dem verdienten Geld umzugehen. «Klar, Dario hat dank seiner Erfolge gutes Geld gemacht. Aber er ist trotzdem sehr bescheiden geblieben. So, wie es wir auch waren und noch immer sind», so Remo.

Christine nickt, steht auf und offeriert uns Kuchen. Dann erzählt sie eine Episode, die typisch für Dario sei. «Er hatte sich für Vancouver 2010 qualifiziert und gefragt: ‹Kommt ihr auch?› Remo antwortete: ‹Dario, wir müssen schauen, das ist ziemlich teuer.› Er meinte: ‹Wie viel braucht ihr?› Wir nannten eine Zahl, und nach zwei Tagen war alles gebucht. Er hat uns dieses einmalige Erlebnis geschenkt, als wäre es eine Selbstverständlichkeit.»

Früher im Aussendienst tätig, arbeitet Remo mittlerweile nicht mehr. Doch er hilft im Haushalt. Und: Er unterstützt seine Ehefrau bei der Betreuung zweier Ferienwohnungen gleich um die Ecke. Wir laufen dorthin, um einen Augenschein zu nehmen, während Christine erklärt: «Eine Freundin fragte mich vor sieben Jahren, ob ich jemanden in Tschierv kenne, der zu den Wohnungen schauen könnte. Jemand, der putzt, aufräumt, Schnee räumt, Bettwäsche und Handtücher wäscht. Ich sagte ihr: ‹Das würde ich gerne machen!›»

Dario Cologna weint Gold-Tränen
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Historischer Olympia-Seig:Dario Cologna weint Gold-Tränen

Christine und Remo zeigen uns die Ferienwohnungen – keiner ist da, die Wintersaison hat noch nicht begonnen. Gäste gab es trotzdem schon. «Wo haben die denn den TV hingestellt?», fragt Darios Mama entsetzt. Kurz danach blickt sie in die minimal verschmutzte Küche und meint: «Da muss ich noch was machen.» Vater Remo steht daneben und meint spitzbübisch: «Ihr müsst wissen, hier hat Christine das Sagen. Ich mische ich mich nicht ein. Zu Hause ist es anders, da habe ich die Hosen an – aber sie sagt, welche Farbe!»

Aber was meinte eigentlich Dario dazu, dass seine Mutter Wohnungen reinigt? Sagt er nicht: Mama, das muss doch nicht sein! Remo: «Wenn man in einer unrealistischen Welt aufwächst, denkt man solche Sachen vielleicht. Dario findet es normal.»

Wir laufen zurück zur Wohnung, in der die Colognas wohnen. Remo erzählt von einem Bären, der vor einigen Jahren gleich unterhalb des Waldrands gesichtet wurde. «Und nun kommt der Wolf», sagt er. «Er ist aber selten. Das im Gegensatz zu den Murmeli, da hat es momentan wohl zu viele. Im Herbst waren sie sogar auf unserem Grillplatz!»

Die Eltern sind erleichtert

Kaum angekommen, fragt Christine: «Wollt ihr nochmals hochkommen?» Dass wir schon zwei Stunden ihrer Zeit in Anspruch nehmen, spielt für sie keine Rolle. Wir könnten wohl auch bei ihnen übernachten, wenn wir danach fragen würden.

Zurück in Pyeongchang, wo alles so ganz anders ist als zu Hause im Val Müstair. Christine und Remo sind erleichtert, glücklich. Ihr Sohn hat es geschafft, er ist nun vierfacher Olympiasieger. Allerdings: Dario hätte auch Letzter werden können, seine Eltern wären genau gleich stolz auf ihn. Auch in der Stunde des Erfolgs wissen sie: Es gibt Wichtigeres als Siege.

Olympia-Ticker

Seit dem 09. Februar laufen die 23. Olympischen Winterspiele in Pyeongchang. Alle Highlights und aktuellen Sportnews aus Südkorea gibts immer im Ticker.

Seit dem 09. Februar laufen die 23. Olympischen Winterspiele in Pyeongchang. Alle Highlights und aktuellen Sportnews aus Südkorea gibts immer im Ticker.

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