42,195 Kilometer misst eine Marathon-Strecke, am Schluss kommts trotzdem nur auf ein paar Schritte an. Zehn Sekunden weniger braucht Tadesse Abraham (2:11:42) als der Ami Callum Hawkins, der auf dem undankbaren neunten Rang landet: Siebter Rang für den Schweizer, ein hochverdientes Diplom! «Ich habe keine Worte», sagt er nach dem Rennen. «Ich bin überglücklich. Für mich, für die Schweiz!»
Abraham liefert eine Weltklasse-Leistung ab: Zu Rennhälfte läuft er mit mehr als 40 anderen vorne weg – alles drin! Dann ists wie im Kinderspiel Reise nach Jerusalem: Einer nach dem anderen in der Spitzengruppe muss abreissen lassen. Frei nach dem Motto: «Piff paff puff, und du bisch duss!»
Nach anderthalb Stunden triffts auch Abraham: «Die anderen haben das Tempo angezogen. Meine Beine sind dagegen schwer geworden. Ich habe mir gesagt: Halte dein Tempo und gib alles!» Taktisch schlau. So kann er im Kampf ums Diplom zum Schluss nochmals Gas geben.
BLICK fragt: Wo haben Sie vor dem Ziel nochmals den Turbo hergeholt? «Ich habe die letzten zwei Kilometer daran gedacht, wie viel ich auf diesen Tag hingearbeitet habe. Vor allem aber an meinen Sohn und meine Frau, die vor dem Fernseher mitfieberten und auf mich warten. Das hat mir viel Kraft gegeben.»
Sie mussten für Abrahams Olympia-Traum ein grosses Opfer bringen: Um im hochgelegenen Äthiopien mit Weltklasse-Athleten zu trainieren, war er dieses Jahr schon sechs Monate von seiner Familie getrennt. «Ich muss ihnen danken. Endlich kann ich etwas zurückgeben. Das Leiden hat sich gelohnt.»
Der verregnete Marathon-Morgen von Rio schreibt aus Schweizer Sicht noch eine andere erfreuliche Geschichte: Während Abraham von den Journalisten belagert wird, sitzt zwei Schritte dahinter Christian Kreienbühl am Boden. Nicht aus Enttäuschung, sondern selig glücklich. 76. wurde der Zürcher Oberländer, im normalen Leben IT-Mann bei der UBS. «Es hätte nicht besser laufen können. Dabei hätte ich es mir nicht mal erträumt, mal an Olympia zu starten. Beim Loslaufen dachte ich: Was mache ich eigentlich hier?», so Kreienbühl.