Für so manchen Sportler ist es der Wettkampf seines Lebens. Nur alle vier Jahre gibt es das Spektakel unter den fünf Ringen. Da wollen jede und jeder das Beste auspacken. So lautet auch vor Rio die Maxime von Swiss Olympic: «Am Tag X die persönliche Bestleistung erbringen», wünscht sich Ralf Stöckli, der Schweizer Chef de Mission.
Das will 1988 bei den Spielen in Seoul (SKor) auch der Rapperswiler Kanut Luzius Philipp. Für Olympia hat der damals 23-Jährige alles getan. Im Vorfeld gar ein Zürcher Institut für Persönlichkeits-Entwicklung, das er durch ein Inserat entdeckt hatte, in sein Boot geholt. Von seinem Naturell her war Philipp eher ein Typ, der unsicher war. Mit Hilfe eines dubiosen Mentaltrainers wollte er unschlagbar werden. Der Mann putscht Luzius Philipp mental derart auf, dass er beim wichtigsten Wettkampf «durchdreht».
Den Vorlauf auf der 500-m-Regatta-Strecke übersteht er, zum Halbfinal kann er am 27. September nicht mehr antreten. «Jemand will mich umbringen», schreit er. Schon im Athletendorf bringen ihn Albträume um den Schlaf. Dabei will er doch auf der Olympia-Bühne auch seinem Vater, der ausserhalb des Schweizer Teams in Seoul weilt, beweisen, dass er sportlich mehr drauf hat, als dieser im zutraut.
Luzius Philipp wird am nächsten Tag in Begleitung eines Swiss-Olympia-Offiziellen in die Schweiz zurückgeflogen, muss für Wochen in stationäre psychiatrische Behandlung und hört sofort mit Spitzensport auf. Heute gestehen damalige Team-Betreuer Fehler ein: Philipp habe sich als einziger Schweizer Kanute alleine gefühlt. Dass der Einzelkämpfer im Dorf nicht bei den andern Schweizern wohnt, sondern bei den Lichtensteiner Radfahrern, sei schlecht gewesen.
Oder Gaby Andersen Schiess, die Schweizer Marathonläuferin, die 1984 in Los Angeles die ganze Sportwelt schockt, als sie sich nur noch bewusstlos torkelnd durch die abschliessende Stadionrunde quält und dann völlig erschöpft zusammenbricht. «Es war verrückt», erinnert sich Bernhard Segesser, der damals verantwortliche Swiss-Olympic-Doc, als sei es gestern gewesen. «Die Funktionäre und Helfer haben bloss vom Rand aus zugeschaut. «Ich habe mich dann zu Gaby durchgekämpft, dabei Funktionäre weggeboxt und dafür von den Organisatoren einen schweren Rüffel kassiert.» Gaby sei aber sofort an Infusionen gehängt und gut versorgt worden. «Beim Frühstück am nächsten Morgen war sie wieder ‚purlimunter’.»
Wie kann das geschehen? Dazu Segesser: «Als Gaby damals in Los Angeles zum Schweizer Olympia-Team stiess, hat sie kaum jemand gekannt. Nicht einmal unsere Betreuer. Gaby hat schon damals in den USA gelebt, hat dort quasi als Hobbyläuferin überraschend die Olympia-Limite geschafft. Weil wir im Vorfeld von den klimatischen Bedingungen in Kalifornien wussten, haben wir in der Schweiz für Los Angeles ein isotonisches Getränk entwickelt – Isostar.
Aber Gaby hat der Geschmack nicht gepasst. Wenn überhaupt trinken während des Marathons, dann wollte sie bloss Wasser. Und dann hat während des Rennens eine Kenianerin vor ihr noch den ganzen Getränketisch umgeworfen und Gaby fand ihr Wasser nicht.» Ein Glück, dass ihre Story dennoch glimpflich endete.
Vor vier Jahren in London gehen die Olympia-Pferde sogar einem so erfahrenen Fuchs wie Fabian Cancellara durch. Bis zehn Kilometer vor dem Ziel des Strassenrennens fahren Michael Albasini, Grégory Rast und Michi Schär das Rennen ihres Lebens und lotsen den Favoriten Cancellara in die Pole-Position für Olympia-Gold.
Im Wissen, dass er das schafft, vergisst «Fäbu» vor der letzten 90-Grad-Kurve die Grundregel jedes Radprofis: Er schaut zurück zu seinen Gegnern, will ihnen mit einem Angriff direkt nach der Kurve den entscheidenden «Todesstoss» versetzen. Und fliegt wegen der Unachtsamkeit prompt auf die Schnauze. Gold weg – im Strassenrennen und danach auch im Zeitfahren.
Olympia hat sogar unseren Spartakus verrückt gemacht.