Als Konsequenz des aufgedeckten russischen Doping-Skandals forderte Dick Pound, Leiter der Untersuchungskommission, am Montag in Genf nicht bloss den Ausschluss Russlands aus dem Leichtathletik-Weltverband IAAF, sondern auch ein Teilnahme-Verbot an den Olympischen Spielen 2016 in Rio.
Sind diese Massnahmen rechtlich überhaupt durchsetzbar? «Es erscheint gegen aussen tatsächlich wie Sippenhaft», sagt der renommierte Zürcher Sportjurist Urs Scherrer (Bild). «Aber wenn tatsächlich feststeht, dass Russland gegen die verbandsinternen Regeln der IAAF derart gravierend verstösst, ist ein Ausschluss möglich.» Russland könnte den Entscheid allerdings am Internationalen Sportgerichtshof CAS anfechten.
Und wenn einzelne russische Athleten, deren Namen im Dopingskandal nie genannt werden, ihr Olympia-Startrecht vor einem Gericht einklagen? Für Scherrer wäre auch dieses Vorgehen denkbar. «Aber wohl ohne Chance», sagt er. «Denn mit seiner Verbands-Zugehörigkeit erklärt sich jeder Athlet auch mit den geltenden Regeln und Vorschriften des entsprechenden Verbandes einverstanden.» 1984 habe auch kein russischer Sportler gegen den Boykott von Olympia in Los Angeles geklagt.
Für Jurist Scherrer ist eine Frage nicht ganz klar: Handelt es sich bei den Drohungen an Russland wirklich um Ausschluss oder nur um Suspendierung? «Bei einem Ausschluss wäre Russland aus der IAAF fix draussen. Die Russen müssten ein neues Aufnahmegesuch als Neumitglied stellen, und das würde lange dauern.» Bei einer Suspendierung, wie sie vor kurzem Kuwait auferlegt wurde, bliebe hingegen die Verbandsbeziehung bestehen, der Verbandsbetrieb würde einfach so lange ausgesetzt, bis Russland die entsprechenden Forderungen – zum Beispiel neue Köpfe an der Führungsspitze – erfüllt hat.