Herr Bach, Sion und das Wallis bewerben sich für die Olympischen Spiele. Haben Sie für sich schon einen Favoriten für 2026?
Thomas Bach: Wenn ich einen hätte, würde ich ihn nicht nennen. Wir sind im Moment sehr zufrieden mit den interessierten Städten. Jede von denen hat etwas Besonderes zu bieten. Deswegen ist es zu früh, Vergleiche vorzunehmen.
Aber es wäre schön, wieder einmal Olympische Spiele im Herzen der Alpen und des alpinen Sports zu haben?
Das haben wir ja auch deutlich gemacht. Wir haben eine klare Präferenz für eine traditionelle Wintersport-Destination. Ob das in Amerika, Asien oder in Europa ist, da müssen wir unsere Neutralität wahren.
Wäre es nicht seltsam, wenn nach Sotschi, Pyeongchang und dann Peking 2022 die Winterspiele wieder im asiatischen Raum stattfinden würden?
Es gibt dazwischen ja noch die Sommerspiele in Paris 2024. Es gibt die Jugendspiele 2022 in Afrika. Die Rotation ist also da. Ich glaube, man sollte nicht aus rein geopolitischen Überlegungen sofort einen Kontinent ausschliessen. Wenn man einen Rat an eine Bewerbung geben kann, dann, dass man an die eigenen Stärken denken soll. Man sollte sich nicht sehr mit den anderen vergleichen. Da haben Sion und die Schweiz genug zu bieten, denke ich. Man sollte das Positive in den Vordergrund stellen.
Was ist das bei Sion insbesondere?
Zunächst mal ist das Wallis eine klassische Wintersport-Destination in einem Wintersport begeisterten Land. Die Schweizer sind hervorragende Gastgeber, die mit der Organisation von Wintersport-Grossereignissen bestens vertraut sind. Und die Bevölkerung zeigt immer wieder, wie man den Wintersport feiern kann. Und darum gehts ja am Ende. Es geht darum, ein grosses sportliches Ereignis zu feiern und Gastgeber für die besten Wintersport-Athleten der Welt zu sein. Da hat die Schweiz wirklich nicht nur eine Handvoll gute Argumente. Sondern beide Hände voll.
Also diese Euphorie, die in Pyeongchang gefehlt hat und die dann auch mutmasslich in Peking nicht da sein wird?
Ich sage, die Wintersport-Begeisterung und die Gastfreundschaft der Schweizer ist ein grosses Pfund, mit dem man wuchern kann. Aber man sollte nicht vergleichen. Man sollte nicht anderen Kulturen unrecht tun. Es gibt eben verschiedene Arten, die Athleten und den Sport zu feiern. In der Schweiz gehen die Leute selber jedes Wochenende in die Berge und fahren Ski. Und zu den Rennen kommen sie dann, vielleicht sogar mit Kuhglocke, und feuern die Athleten an. Das ist eine andere Kultur, als wir sie in Pyeongchang gesehen haben. Und wie wir sie wohl in Peking sehen werden.
Wenn Sie im Wallis stimmberechtigt wären, würden Sie ein Ja in die Urne werfen?
Ja.
Wohlwissend, dass Steuergelder von Ihnen für diesen Anlass gebraucht würden?
Ja. Aber die Argumentation ist wichtig. Es braucht volle finanzielle Transparenz, es muss aber auch richtig eingeordnet werden und man muss das Ganze sehen. Dazu zählen eben die Änderungen durch die zu meinem Amtsbeginn eingeführte Olympische Agenda 2020, unserem umfassenden Reformprogramm für mehr Glaubwürdigkeit, Nachhaltigkeit und Jugend.
Die Abkehr vom Gigantismus?
Das Ziel ist, die Spiele kostengünstiger und nachhaltiger zu machen.
Das hört man ja schon lange. Aber ist das ein Lippenbekenntnis oder spüren Sie da im IOC die Überzeugung?
Da gehts weder um Lippenbekenntnisse noch um Überzeugungen, sondern um Fakten, die wir mit unserer Olympischen Agenda 2020 geschaffen haben. Wenn Sie beispielsweise Tokio 2020 sehen. Die wurden als Gastgeber gewählt, bevor wir die Olympische Agenda 2020 verabschiedet haben. Danach sind wir mit ihnen in Verhandlungen getreten und haben dadurch die Kosten bereits um über zwei Milliarden Dollar nach unten drücken können. Wir haben Fakten geschaffen, die zeigen, wie wir uns die Spiele wünschen. Nämlich kostengünstiger und nachhaltiger.
Die Kosten sind ein immer wiederkehrendes Thema.
Natürlich. Aber aufgrund der Reformen und neuer Normen gibts bei Winterspielen 500 Millionen Dollar Einsparungspotenzial und bei Sommerspielen eine Milliarde. Da obendrauf kommt noch der Zuschuss des IOC mit knapp einer Milliarde. Bei den ganzen Kosten muss man aber eine Kernunterscheidung machen. Es heisst immer: Die Spiele kosten so viel. Aber das ist am Ende schlichtweg nicht wahr.
Wie meinen Sie das?
Ein Grossteil sind Investitionen, die früher oder später sowieso gemacht werden müssen. Wenn ein Skilift modernisiert werden muss, dann sind das nicht Kosten der Spiele, die man in 17 Tagen auf null abschreiben kann. Oder wenn man Wohnraum schafft mit einem olympischen Dorf. Dann können Sie nicht sagen, dass der Bau dieser Wohnungen Kosten der Spiele sind. Das wäre, wie wenn Sie in ein neues Haus ziehen und Ihre Freunde zu einer Einweihungsparty einladen. Und sagen dann, die Party habe 700'000 Franken gekostet, weil Sie dafür ein Haus bauen mussten. Das ist nicht logisch.
Sie behaupten also, dass die Spiele günstiger sind, als alle glauben?
Das operative Budget der Spiele macht in aller Regel zumindest eine schwarze Null. Da hinein fliesst unsere Milliarde, da hinein fliessen Marketing-Rechte. Das ist die Realität der Finanzierung.
Trotzdem sind die Spiele nicht wahnsinnig begehrt. Garmisch möchte nicht. Innsbruck hat Nein gesagt. Gab es eine Zeit, wo Sie Angst hatten, dass niemand im Herzen von Europa noch Spiele will?
Wir haben sieben interessierte Städte für 2026. Vergleichen Sie das mal mit der Anzahl an Interessierten bei anderen grossen Sportveranstaltungen. Dann sehen Sie, wo die Spiele stehen.
Dann sind Sie der Meinung, dass der Turnaround bereits geglückt ist? Für 2022 waren es ja nur zwei Kandidaten.
Wir haben bei den Winterspielen ganz selten eine so hohe Anzahl an Bewerbern. Das ist ganz natürlich, da man Winterspiele nur auf drei Kontinenten veranstalten kann. Dort wiederum nur in bestimmten Ländern und in bestimmten Regionen. Das ist ein beschränkter Kreis. Aber diese sieben interessierten Städte zeigen klar, dass die Entscheidungsträger in diesen Ländern gesehen haben, dass wir das Blatt gewendet haben. Dass die Olympische Agenda 2020 die Folgen zeigt, die wir uns davon versprochen haben. Nämlich kostengünstigere und nachhaltigere Spiele.
Wie wichtig ist Ihnen die demokratische Legitimation für Spiele in Sion? In Russland gibts ja keine Volksabstimmung. Hier schon.
Ein wichtiger Punkt bei der Vergabe ist immer die Zustimmung der Bevölkerung. Wir wollen die Athleten nicht dorthin schicken, wo sie nicht willkommen sind. Wie ein Bewerber diese Zustimmung nachweist, ist seine Sache. Unabhängig davon machen wir unsere eigenen und vertraulichen Umfragen zu gegebener Zeit bei allen Kandidaten. Sodass wir nicht nur auf die Daten angewiesen sind, die von den Kandidaten kommen. Im Evaluierungsbericht am Ende werden die Daten gegenübergestellt und veröffentlicht.
Sie sind ja der erste Verkäufer der olympischen Idee. Wie interpretieren Sie so ein Nein von traditionellen Wintersport-Regionen wie dem Tirol oder Garmisch? Hat das mit dem Image des IOC zu tun?
Das hat mit verschiedenen Faktoren zu tun, die sehr unterschiedlich sind. Es ist heute in vielen Ländern in Europa allgemein schwierig, in einer Volksabstimmung eine Mehrheit für ein grosses Zukunftsprojekt zu erlangen. Ob das nun Olympische Spiele sind oder Schweizer Militärflugzeuge. Menschen, vor allem in Europa, sagen heute zu vielem eher Nein als Ja.
Warum sollen denn die Walliser Ja sagen?
Kein Land hat so viel Erfahrung mit direkter Demokratie und Volksabstimmungen wie die Schweiz. Daher hoffe ich, dass gerade in der Schweiz die Argumente wirklich gewogen werden und nicht so viele andere politische Einflüsse da sind. Die Wähler sollten sich wirklich darauf konzentrieren, um was es geht. Nämlich Gastgeber des grössten Wintersportereignisses der Welt zu sein. Und zu wissen, dass die Schweiz und die Steuerzahler nicht übermässig belastet werden.
Sion setzt stark auf eine dezentrale Organisation. Es gibt eventuell Eisschnelllauf in Holland oder Deutschland und Curling in Frankreich. Ist das wirklich im Interesse des IOC?
Da ist die Olympische Agenda 2020 glasklar. Wir haben eine Prioritätenliste. Wir sagen jedem Kandidaten: Erste Priorität ist die Nutzung vorhandener Sportstätten. Wenn die nicht vorhanden sind, müsst ihr prüfen, ob der Bau einer Sportstätte unter Nachhaltigkeits-Gesichtspunkten Sinn macht. Falls Zweifel bestehen, schaut nach dem Bau einer temporären Sportstätte. Sollte dies aus logistischen oder finanziellen Gründen nicht machbar sein, dann schaut nach einem anderen Ort oder einem anderen Land, wo die Wettbewerbe durchgeführt werden können.
Geht da nicht etwas verloren?
Man muss sicherstellen, dass der olympische Geist am Leben bleibt. Es müssen Gemeinsamkeiten geschaffen werden können. Den Athleten, die in einem anderen Land teilnehmen, muss man die Möglichkeit geben, an der Eröffnungs- oder Schlussfeier teilzunehmen oder ein paar Tage im zentralen olympischen Dorf verbringen zu können. Es soll nicht eine Fülle von isolierten Wettbewerben geben.
Aber das ist teilweise schon so, Olympische Spiele sind doch oft eine Ansammlung verschiedener Weltmeisterschaften. Hängt man diesem olympischen Geist etwas nach oder gibts den tatsächlich?
Natürlich gibts den. Der lebt im olympischen Dorf. Ohne ihn wäre die Faszination nicht so gross. Dann würden nicht alle Athleten nach Olympia streben und die Sportarten würden nicht Schlange stehen für die Aufnahme ins olympische Programm. Den Geist spürt man in den olympischen Dörfern. Dort wird Olympia gelebt von den Athleten. Von dort schwappt die Atmosphäre über.
Ist das nicht Nostalgie?
Ganz im Gegenteil. Ich glaube, dass der olympische Geist wichtiger ist denn je. Gerade jetzt, wo sich die Welt so polarisiert. Wo jeder nur noch nach den eigenen Interessen schaut. Wo wir Kalte-Kriegs-Situationen wieder aufleben sehen, mit höherer Gefahr als der Kalte Krieg früher. So ist Olympia doch ein Ereignis in dieser Welt, wo alle zusammenkommen. Wo alle zusammen leben und sich alle zusammen an die gleichen Regeln halten.
Ist das nicht eine Überhöhung des Sports, missbraucht man ihn nicht als verbindendes Vehikel?
Also wenn das ein Missbrauch des Sports sein soll, dann fehlen mir die Worte. Es ist uns in Pyeongchang gelungen, die beiden sich noch im Kriegszustand befindenden Koreas zusammenzubringen. Dies hat die aktuellen Friedensgespräche zwischen Nord- und Südkorea ermöglicht. Da wünsche ich mir mehr derartigen Missbrauch.
Wer hat das bessere Image in der Schweiz: die Fifa oder das IOC?
Das können Sie sehen, wie Sie wollen. Image ist kein objektiv messbarer Begriff. Was wir generell sehen – und das betrifft nicht nur Sportorganisationen: Wir leben in einer Zeit, in der es hohes Misstrauen gibt, gegen alle Institutionen. Gegen das sogenannte Establishment. Das geht von der Wirtschaft über die Banken, der Politik bis hin zu den Sportorganisationen. Diesem Misstrauen haben wir uns gestellt mit der Olympischen Agenda 2020. Indem wir unser gesamtes System reformiert und transparenter gemacht haben. Wo alle unsere Geldflüsse bis hin zu den Taggeldern der IOC-Mitglieder und des IOC-Präsidenten öffentlich sind.
Das wird alles bis ins Detail ausgewiesen?
Ich gebe Ihnen einen Jahresbericht mit. Da ist meine Entschädigung drin. Da sind die Taggelder der IOC-Mitglieder drin. Da sehen Sie, dass wir 90 Prozent aller unserer Einnahmen sofort in den Sport investieren.
Es gibt aber immer wieder Rückschläge. Das russische Staatsdoping war zuletzt eine belastende Geschichte.
Natürlich. Aber da spüren wir auch eine gewisse Ohnmacht. Sehen Sie: Diebstahl ist seit Tausenden von Jahren verboten. Und trotzdem wird immer noch gestohlen. Der Sport ist Teil der Gesellschaft. Das IOC kann nur mit aller Konsequenz gegen Missstände vorgehen. Aber zu 100 Prozent verhindern können auch wir sie nicht.
Wenn man vom IOC redet, denkt man reflexartig auch an Korruption und Doping.
Wer was reflexartig denkt, weiss ich nicht. Ja, es gibt Vorfälle aus der Vergangenheit. Aber wir haben das Blatt gewendet. Wir haben neue Verfahren. Wenn in der Vergangenheit etwas war, wird das mit aller Konsequenz angegangen. Dafür ist unsere Ethik-Kommission da. An deren Glaubwürdigkeit kann mit dem ehemaligen UN-Generalsekretär Ban Ki-moon als Vorsitzendem kein Zweifel bestehen.
Die Kommission wurde nach der Bestechungsaffäre um Salt Lake City eingeführt.
Es ist typisch, dass Sie das ansprechen. Danke, dass Sie es aufbringen. Da diskutieren wir über grundlegende Veränderungen und dann kommt: Anno dazumal, da war doch was. Jawohl, es gab den Salt-Lake-City-Skandal – vor über 20 Jahren. Der ist sauber aufgearbeitet worden. Wir haben Konsequenzen gezogen. Wir haben Mitglieder entlassen. Und dann haben wir mit der Olympischen Agenda 2020 unser gesamtes System geändert. Welchen Sinn macht es jetzt, mit solchen abgeschlossenen, historischen Ereignissen, Stimmung machen zu wollen?
Aber auch bei Sotschi gab es Zweifel, bei Rio sowieso. Jetzt aktuell bei Pyeongchang, wo Samsung illegales Lobbying für eine Durchführung der Spiele in Südkorea betrieben haben soll. Auch Tokio steht im Zwielicht.
Ja, es gibt Zweifel. Wenn Beweise da sind, wird das erledigt. Und wo wir Beweise hatten, haben wir reagiert. Das ist das Einzige, was Sie vernünftigerweise von einer Organisation erwarten können. Sie brauchen ein System mit klaren und transparenten Regeln. Das haben wir in den unterschiedlichen Bereichen durch Zusammenarbeit mit vielen Beteiligten, angefangen von den Vereinten Nationen über Interpol bis hin zu Human Rights Watch, umgesetzt. Da sind wir wirklich Vorreiter. Wenn es Verstösse eines Einzelnen gibt, darf man nicht die ganze Organisation verantwortlich machen. Wir haben unsere Konsequenzen gezogen. Das wird in informierten Kreisen anerkannt.
Wie merken Sie das?
Wenn Sie nur schauen, welche Erfolge wir auf der Sponsorenseite haben seit der Verabschiedung der Olympischen Agenda 2020. Wir haben neue Sponsoren oder TV-Verträge, die zum Teil bis in das Jahr 2032 laufen. Nehmen Sie die sieben interessierten Städte. Glauben Sie, die Bürgermeister oder Ministerpräsidenten würden eine solche Kandidatur betreiben, wenn sie Zweifel an der Integrität des IOC hätten?
Und trotzdem ist der IOC-Präsident immer wieder der Prügelknabe.
Wenn der UNO-Generalsekretär Antonio Guterres ihnen sagt, dass das Internationale OlympischeKomitee die Stimme der Vereinten Nationen im Sport ist, oder dersüdkoreanische Präsident Moon Jae In ihnen bestätigt, dass die Olympischen Spiele die Friedensgespräche ermöglicht haben, fühlen sie sich nicht wirklich als Prügelknabe. Aber offensichtlich lesen Sie vornehmlich nur deutsche Presse.
Tut das weh, in der Heimat stets so unter Beschuss zu stehen?
Ich würde lügen, wenn ich sage, dass es mir gefällt. Aber mit der Hilfe meiner Mitarbeiter gehts. Die zeigen mir dann immer die internationale Presse, und das andere tritt dann in den Hintergrund.
Wir hätten noch einen kleinen Wallis-Check, den wir mit Ihnen gerne durchführen möchten.
Ja, aber ich bin kein Walliser, auch wenn ich gerne Zeit im Wallis verbringe.
Wir starten mal. Wie heisst der berühmteste Walliser Skifahrer: Bernhard Russi oder Pirmin Zurbriggen?
Das müsste der Pirmin sein.
Wie hoch ist das Matterhorn?
Da bin ich nicht ganz sicher, wir sind ja nicht in der Schule. Aber ich habe hinten auf meinem Schreibtisch ein Stück vom Matterhorn liegen. Vielleicht ist es jetzt sogar etwas weniger hoch als früher (es ist 4478 Meter hoch, Anm. der Redaktion).
Wo und wann fanden die letzten Olympischen Spiele in der Schweiz statt?
Die ersten waren 1928 in St. Moritz. Und die letzten waren 1948 ebenfalls dort.
Gegen wen hat Sion die letzte Kandidatur so schmerzlich verloren?
Turin. Aber da muss man doch die Walliser nicht wieder daran erinnern. Wir sind in einer neuen Zeit.
Was ist das Walliser Nationalgericht, Risotto oder Raclette?
Klar das Raclette, das gibts auch bei mir zu Hause.
Sind Sie schon Ski gefahren im Wallis?
Ich selbst fahre nicht Ski, aber meine Frau. Wir verbringen viele Wochenenden im Wallis. Ich war gerade letztes Wochenende da. Ich kam von einer Reise aus Thailand und Indien zurück, und vom Flughafen gings direkt in die Berge.
Ist das Leben als IOC-Präsident trotz aller Herausforderungen im Sport immer noch lebenswert?
Sonst würde ich es nicht machen. Ich kann mir keine schönere Aufgabe vorstellen, als IOC-Präsident zu sein, mit all den Möglichkeiten, die Zukunft des Sports zu gestalten. Mitten im Sport, bei den Athleten. Das ist für einen Sportfreund wie mich nicht zu toppen.
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Das meint BLICK
Sion – der Traum lebt
Seit 1959 gewährt das Binnenland Schweiz Bürgschaften für die Hochseeschifffahrt in Milliardenhöhe. Man hat sich in dunkler Vergangenheit einmal vor einem Versorgungsengpass gefürchtet. Weil die Hochseeschifffahrt offenbar ein Verlustgeschäft ist, musste die Schweiz zahlen. 215 Millionen Franken wurden im letzten Sommer vom Parlament in Windeseile abgesegnet. Gestört hat sich daran niemand.
Was hat das mit den Olympischen Spielen in der Schweiz zu tun? Nichts. Aber es hilft vielleicht bei der Einordnung der umstrittenen Bundesbeiträge von 994 Millionen. In einem Land, in dem für alles Geld da ist. Selbst für die Hochseeschifffahrt. In einem Land, das im letzten Jahr einen Überschuss von 2,8 Milliarden erwirtschaftet hat. In einem Land, in dem die Grossbanken den Bundesbeitrag an Olympische Spiele in einem einzigen Quartal erwirtschaften.
In diesem Land muss es auch Geld geben für den Sport, die Jugend, die kommende Generation.
Sion, das Wallis, die Schweiz könnten Olympische Winterspiele organisieren, die in die Geschichte eingehen. Mit einem Bruchteil des Budgets von Sotschi, Pyeongchang oder Peking. Mit weitgehend bestehenden Infrastrukturen. An einem Ort, wo der Wintersport zu Hause ist. Weg vom Gigantismus, zurück zur Vernunft.
Bedenkenträger und Zauderer gibt es auch bei diesem Grossprojekt viele. Auch wenn sich IOC-Präsident Thomas Bach nicht aus der Reserve locken lässt: Auch beim Sitz des IOC in Lausanne hofft man auf Sion. Keine gigantischen Retortenspiele mehr in totalitären Staaten, sondern vernünftige Spiele im Herzen der Alpen. Das wäre auch für das harsch kritisierte IOC ein Befreiungsschlag. Endlich könnte es den Beweis antreten, dass es ihm ernst ist mit seinen Reformen und seiner Agenda.
Aber zuerst müssen die Walliser Stimmbürger im Juni «Ja» sagen. Sonst ist das Thema erledigt. Für immer und ewig. Aber noch lebt der Traum. (fbi)