Es droht das Testosteron-Podest
Wie viel Mann steckt in diesen Frauen?

Gold: Caster Semenya. Silber: Margaret Wambui. Bronze: Francine Niyonsaba. Dieses mögliche Verdikt schwebt als dunkle Wolke über dem 800er der Frauen.
Publiziert: 17.08.2016 um 14:10 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 09:00 Uhr
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Voll Testosteron: Francine Niyonsaba aus Burundi und Margaret Wambui aus Kenia haben wie Semanya weibliche und männliche Merkmale.
Foto: Elaine Thompson
Carl Schönenberger aus Rio

Er hoffe einfach, dass Caster Semenya (SA) im 800-m-Final einen Hammer-Weltrekord auf die Bahn des Olympia-Stadions knalle. Zwei oder drei Sekunden schneller als die 1:53,28 Minuten von Jarmila Kratochvilova, die seit 33 Jahren unerreicht sind. «Dann sind die ganze Welt, das IOC und der Welt-Leichtathletikverband so richtig geschockt.»

Das sagt Helmut Digel, der 72-jährige deutsche Sportwissenschaftler gestern zu BLICK. «Damit würde wohl allen klar, dass man nicht mehr tatenlos zuschauen kann. Das wäre dann nämlich ein Betrug an den Gegnerinnen.» Aber er befürchte, dass Semenya nur so schnell laufe, wie für Olympia-Gold nötig sei. «Damit der Skandal nicht zu auffällig wird!»

Wovon spricht Digel überhaupt?

«In fast allen Sportarten gibt es zwei Kategorien – Männer und Frauen. Darauf sind bisher alle Regeln ausgelegt. Jetzt hat die Wissenschaft erkannt, dass die Natur noch ein drittes Geschlecht geschaffen hat.» Zu diesem dritten Geschlecht gehören Semenya, Wambui, Niyonsaba und in Rio wohl noch ein paar andere Olympioniken. Ohne eigenes Verschulden sind das Menschen, die einerseits weibliche Merkmale haben, aber auch männliche. Vor allem aber einen leistungsfördernden Testosteron-Spiegel, der um ein Mehrfaches über demjenigen normaler Frauen liegt.

Im Sport gibts dafür noch keine Regeln. Als die IAAF 2009 Semenya medikamentös auf das normale Testosteron-Niveau einer Frau «einzustellen» begann, legte der Internationale Sportgerichtshof sein Veto ein.

Für Digel ein folgenschweres Skandal-Urteil. «Und ein Betrug gegenüber allen andern 800-m-Läuferinnen.» Für Sportlerinnen ausserhalb der gängigen Mann-Frau-Norm müsse man eine eigene Kategorie schaffen, verlangt Digel. Ob diese dann bei Olympia oder Weltmeisterschaften Platz habe, wisse er nicht.

Zu den «Betrogenen» wird in Rio auch die Schweizerin Selina Büchel zählen. Was sagt die 25-Jährige dazu? «Es ist ein äusserst komplexes Thema. Der Sport braucht klare Regeln und Grenzen. In diesem Fall ist es offensichtlich schwierig und heikel, sie zu definieren. Ich bin froh, muss ich nicht darüber entscheiden.»

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