Gold-Fäbu im Termin-Stress
«Ich will nach Hause für meinen 10. Hochzeitstag!»

Es war die TV-Nacht, in der die «Unbesiegbaren» aus Amerika wankten. Aber sie fielen nicht. Weder im Basketball noch beim Beach Volleyball. Eine verrückte und dramatische Nacht, die auf SRF2 eigentlich ganz ruhig begann. Beim Turnen.
Publiziert: 11.08.2016 um 07:48 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 16:05 Uhr
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Fliegt sofort wieder in die Schweiz: Olympiasieger Fabian Cancellara.
Foto: Sven Thomann
Nachtvogel Roger Benoit

Der TV-Nachtvogel blieb bei Olympia 2016 noch nie so lange auf dem Schweizer Kanal. Im Gegensatz zum ORF und der ARD/ZDF serviert SRF2 einfach das beste Programm – und ist, was die Aktualität betrifft, Spitzenklasse.

Tolle Schweizer Turn-Show

Aber beginnen wir eben von vorne. 22.40 Uhr MEZ. Beni Thurnheer und der einmal mehr überzeugende Experte Roman Schweizer melden sich vom Turn-Mehrkampf der Herren. Dabei sind zwei Schweizer ohne Fehl und Tadel: Eddy Yusof und Pablo Brägger.

Unser Mikrofon-Duo ist wie wir als Zuschauer von der Atmosphäre und dem Können begeistert. Schweizer: «Die gefallen mir sehr gut!» Beni: «Was heisst hier gut, das ist der beste Schweizer Wettkampf aller Zeiten.» Naja, bei Olympia darf man auch mal etwas übertreiben. Yusof wird 12. und Brägger 16. Am Ende gewinnt der Seriensieger Uchimura aus Japan nur, weil der klar führende Ukrainer Vernajew sich vom Reck mit einem Hüpfer verabschiedete.

Kurz vor Mitternacht sitzt unser Gold-Zeitfahrer Fabian Cancellara im SRF-Studio am Strand von Ipanema – und hört kaum mehr auf zu sprechen. Der Berner redet sich alle Last von 16 Profi-Jahren von der Seele.

Der zehnte Hochzeitstag…

«Ich lande bereits am Freitagmorgen wieder in Kloten», verrät der jetzt zweifache Olympiasieger. Und den Grund liefert «Spartakus» gleich nach: «Ich will und darf meinen zehnten Hochzeitstag nicht verpassen!»

Cancellara ist erleichtert: «Ich habe meine Hausaufgaben bis zum letzten Meter hier in Rio gut gemacht. Aber das Velo ist nicht mein Leben. Jetzt braucht die Familie den Papi!»

SRF2 ist in Hochform, überträgt als einzige Station den Basketball-Auftritt der NBA-Stars gegen Australien in voller Länge. Wieder eine klare Sache? Gegen China hatte die USA mit 57 Treffern Differenz gewonnen, gegen Venezuela mit 44 …

Australische Zitterhände

Wir staunen mit Reporter Manuel Köng. Bei Halbzeit führen die Aussies 54:49, später steht es 72:72. Köng: «Die Amerikaner sind angefressen. Bahnt sich da eine kleine Sensation an?» Am Ende um 01.51 Uhr heisst es 98:88, weil die Australier plötzlich sechsmal nicht mehr in den Korb treffen.

Seit Athen 2004 ungeschlagen

Übrigens, die Amerikaner haben an Olympia zuletzt 2004 in Athen verloren. Gleich dreimal in der Gruppenphase gegen Puerto Rica, Litauen und Argentinien. Am Ende holte man Bronze!

Ab an die Cobacabana zu Sascha Ruefer und dem leider erneut viel zu einseitigen und deshalb nervenden Experten Martin Lagica. Die Schweizer Damen Isabelle Forrer und Anouk Vergé-Dépré fordern die praktisch «Unbezwingbaren» Kerri Walsh und April Ross.

Ruefer nahe am Herzinfarkt

Im ersten Satz werden unsere Athletinnen von Ruefer schon im Sand vergraben: «Sie spielen nicht schlecht, aber die US-Girls spielen eben in einer andern Liga. Da liegt kaum was drin.» 13:21…

Dann die Wende, die alle überraschte. Ruefer: «Wir spielen endlich auf Augenhöhe!» Aus dem Bestatter am Mikrofon ist im zweiten Satz der Jubelschreier Ruefer geworden: «Ich bin verzückt vom Spiel der Schweizerinnen. Amerika wird erstmals in Rio gefordert, ich habe alle ihre Spiel gesehen.» Um 02.45 Uhr hat die Schweiz den zweiten Satz 24:22 gewonnen.

Ruefer («Komm liebes Break, komm!») übernimmt die Regie, lässt Laciga nur noch die Platitüden. Man redet von Gerechtigkeit, von der Glücksgöttin Fortuna und von den Fans, «die alle hinter uns stehen!» Aber jeder US-Punkt wurde im Stadion mehr bejubelt…

«Jetzt hauen wird die Amerikanerinnen weg. Hier ist die Sensation möglich!» Man wähnt sich bei Ruefer bereits im Olympia-Finale, dabei ist es nur ein Vorrundenspiel!

Forrer-Drama im Sand

Bei 10:9 im dritten Satz dann der Schock: Forrer schlägt mit dem Kopf im Sand auf, muss gepflegt werden und kehrt nach fünf Minuten (mehr sind nicht erlaubt) wieder in den Sand zurück. Die Amis siegen um 03.06 Uhr mit 15:12. Am nächsten Montag wird die dreifache Mutter Kerri Walsh 38 Jahre alt. Sie hat seit 2004 immer das Olympia-Gold im Beach Volleyball geholt.

Es reicht dem Nachtvogel gerade noch, um auf der ARD die letzten Sekunden  im Final über 200 Meter Brust zu verfolgen. Weltmeister Marco Koch, die letzte Medaillen-Hoffnung der Deutschen, wird Siebter.

Warum Van Almsick jauchzte

Das seit vier Tagen und Nächten anhaltende Gejammer der Reporter hört nicht auf. Man versucht verzweifelt, das Desaster zu erforschen. Auch die Expertin Franziska van Almsick ist genervt: «Die Mannschaft braucht jetzt was Positives. Ich gebe bis zum Ende keine Prognosen mehr über ein deutsches Resultat ab.»

Als die Schwimm-Legende hört, dass im Verband bald was passieren soll, schickt sie ein lautes «Juhui» an die Decke der  Schwimmhalle. «Es ist wirklich an der Zeit, dass endlich einmal ein richtiger Kurswechsel vorgenommen wird. So kann es nicht weitergehen!»

Wie bei den Schwimmern wird auch bei den Fechtern geklagt und geheult. Die einst sicheren Medaillen-Banken sind pleite. Bei den Fechtern ist Deutschland mit der kleinsten Delegation (2 Athleten) seit 60 Jahren angereist.

Endlich das erste Brasil-Tor

Mitten in die Entscheidungen im Wasser stehen in Brasilien um 22.26 Uhr, also um 03.26 MEZ, die Uhren stehen. Gabriel hat in Salvador nach zwei 0:0-Spielen und total 206 Minuten gegen Dänemark das erste Fussball-Tor geschossen. Am Ende siegen Neymars «Buben» 4:0 und sind im Viertelsfinale. Und wo sahen wir das live – nur bei SRF2. Danke, auch wenn der langweilige Reporter Dani Kern den Emotionen auf den Rängen nie gerecht wurde.

 «Wir» liegen auf Platz 22

Im Morgengrauen dann noch ein aktueller Blick auf den Medaillenspiegel. Nach 73 von 306 Wettbewerben. Amerika führt vor China und Japan. Die Schweiz liegt von 51 Nationen auf dem 22. Platz: Einmal Gold, einmal Bronze. Wie Griechenland und Spanien!

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