Dominique Gisin unterstützt ihre Schwester
«Ich will das fixen, was ich bei Michelle kaputt gemacht habe»

Als Michelle Gisin (24) ein kleines Mädchen war, erlebte sie den Leidensweg ihrer Schwester Dominique. Diese will jetzt etwas zurückgeben.
Publiziert: 20.02.2018 um 08:43 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 23:55 Uhr
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Sister Act: Dominique (links) und Michelle Gisin im Zielraum der Olympia-Abfahrt.
Foto: Sven Thomann|Blicksport
Mathias Germann, Pyeongchang

Am Mittwoch um drei Uhr in der Früh wird Bea Gisin vor dem TV eine Kerze anzünden. So wie sie es immer macht, wenn Tochter Michelle ein Rennen fährt. Es soll Glück bringen – vor allem aber beschützen. Dieses Ritual hat guten Grund, denn Bea Gisin weiss nur allzu genau was es heisst, wenn sich ihre Kinder verletzen. So kennen Sohn Marc und Tochter Dominique die Spitalbetten aus der Vergangenheit nur allzu zu gut.

Ihrer Angst zum Trotz: Vor der Olympia-Abfahrt kann Bea Gisin immerhin auf eine Verbündete zählen. Denn: Tochter Dominique ist in Pyeongchang vor Ort. Primär als SRF-Expertin, aber natürlich auch als moralische Hilfe für ihre kleine Schwester. «Für mein Mutter ist es wichtig, dass jemand von der Familie bei Michelle ist. Ich habe ihr gesagt: ‹Mum, ich verspreche es: Ich schaue zu ihr!› Es geht darum, dass sich Michelle daheim fühlt – egal wo sie ist. Mir kann sie alles, aber auch wirklich alles, anvertrauen.»

Mutter Bea zittert in der Nacht auf Mittwoch mit ihrer jüngeren Tochter Michelle mit.
Foto: KEY

Dominique sieht sich nicht als Coach ihrer Schwester – auch wenn sie ihre enorme Erfahrung gerne in Form von Ratschlägen weiter gibt. «Aber nur, wenn sie mich fragt. Ansonsten ist Michelle bei Swiss Ski bestens aufgehoben. Ich sehe mich vor allem als eine Art Sicherheitsnetz, wenn sie mich braucht.»

Gleichzeitig empfindet Dominique eine eigene moralische Verpflichtung, Michelle nicht alleine zu lassen. «Ich will das fixen, was ich vor vielen Jahren kaputt gemacht habe», sagt die 32-Jährige. Was sie damit meint? Dominique erklärt: «Als ich mir das erste Mal das Kreuzband gerissen habe, war Michelle fünf Jahre alt. Sie hat alles hautnah miterlebt – auch die folgenden, schweren Verletzungen. Anstatt Rennen zu fahren, war ich jahrelang entweder im Spital oder daheim. Das hat Michelle enorm geprägt. Es ist ein Wunder, dass Michelle überhaupt noch Skifahrerin werden wollte.»

Das wollte sie in der Tat. Und zwar so sehr, dass sie seit dieser Saison erstmals auch alle Speed-Rennen fährt. Und zwar mit durchschlagendem Erfolg. In fünf von sieben Weltcup-Abfahrten fuhr der «Speed-Grünschnabel» aus Engelberg OW in die Top 10. In Lake Louise (Ka) sogar als Dritte aufs Podest. Spätestens seit diesem Moment war klar, dass das Flehen ihrer Mutter («Bleib doch beim Slalom, das ist viel schöner!») nichts mehr nützte.

Ob Michelle in Pyeongchang nun gleich Nachfolgerin ihrer Schwester wird, ist allerdings fraglich. Noch ist sie nicht so weit wie Dominique, die vor vier Jahren in Sotschi Olympiasiegerin wurde. «Es wäre eine Sensation, denn als Neuling ist es bei Abfahrten extrem schwierig, zu überraschen», so Dominique.

WM-Silberfrau Gisin hofft in der Kombi auch auf eine Olympia-Medaille.
Foto: Sven Thomann

Letztlich ist die Chance auf eine Medaille für Michelle in der Kombination am Donnerstag deutlich grösser. Auch da steht im ersten Teil wieder eine Abfahrt an. Angst, dass dabei etwas Schlimmes passieren könnte, hat Dominique nicht. «Michelle hat eine sehr stabile Fahrweise. Sie macht selten etwas Unüberlegtes.» 

So oder so: Eine Kerze wird Bea Gisin trotzdem anzünden. Und froh sein, wenn ihre Tochter heil über die Ziellinie fährt – egal mit welchem Resultat.

Olympia-Ticker

Seit dem 09. Februar laufen die 23. Olympischen Winterspiele in Pyeongchang. Alle Highlights und aktuellen Sportnews aus Südkorea gibts immer im Ticker.

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