Am Ende liegen wir uns alle in den Armen. Es bleibt der Eindruck der jubelnden Sportler, der emotionalen Olympia-Geschichten. Es bleibt die Begeisterung über den Rekord von 15 Medaillen. Und es bleibt der schadenfreudige Blick auf den Medaillenspiegel, wo Erzkonkurrent Österreich hinter uns liegt.
Ja, sportlich waren diese Spiele aus Schweizer Sicht sehr gut. Auch wenn das Medaillenziel «11 plus» von Swiss Olympic sehr defensiv und taktisch war. Wer in einem immer aufgeblähteren Olympiaprogramm defensive elf Medaillen als Zielvorgabe definiert und dann 15 Medaillen gewinnt, der kann sich danach locker feiern lassen. Elf Medaillen wären bei diesem Potenzial und diesem Aufwand, den wir für den Wintersport betreiben, eine ernüchternde Bilanz gewesen.
Aber sind wir alle vom Olympiavirus befallen oder hat nicht doch der Grippevirus in unseren Breitengraden flächendeckender und heftiger gewütet? Haben wir den Wecker gestellt? Wollten wir diese Olympischen Spiele in Echtzeit miterleben? Nein.
Der olympische Geist ist ein zartes Pflänzchen
Die Begeisterung für diese Spiele ist nicht übergeschwappt. Das hat zum einen mit der sterilen Atmosphäre in Korea zu tun. Man bekam nie den Eindruck, dass diese Spiele mit weitgehend leeren Tribünen die Mehrheit der Leute berührt.
Weit dramatischer: Viel zu viele Menschen stören sich am Gigantismus. Sie stören sich an den Schönrednern vom Internationalen Olympischen Komitee. An diesem Altherrenklub mit Thomas Bach an der Spitze, der alle Kritik weglächelt. Sie stören sich an den leeren Versprechungen, vom Gigantismus abzurücken. Und am Ende dann trotzdem den Kommerz und die «neuen Märkte» als wichtigstes Argument zu sehen. Jetzt wird sich das IOC auch als Vermittler im Korea-Konflikt feiern. Mumpitz. Dieses Verhältnis wird nach den Spielen wieder so frostig sein wie zuvor.
Die olympische Idee ist nicht unzerstörbar und der olympische Geist ist ein zartes Pflänzchen. Wladimir Putin hat vor vier Jahren Retortenspiele für dreissig Milliarden und für sein ganz persönliches Ego veranstaltet. Er hat mit flächendeckendem Staatsdoping die Propagandamaschinerie angeworfen. Jetzt hatten wir Pyeongchang. Mit vielen leeren Tribünen, mit weitgehend steriler Atmosphäre. Und 2022 folgt Peking im totalitären China. Das nächste Propaganda-Projekt zur Selbstinszenierung. Die Prunkbauten werden spriessen, das Volk wird darben.
Wintersportland Schweiz braucht eine Vision
Das passt nicht mehr in die Zeit. Aus Angst, in Europa lasse sich kein Ausrichter der Spiele mehr finden, will das IOC auch 2026 asiatische Bewerbungen zulassen. Eine Bankrotterklärung. Die Winterspiele müssen zurück ins Herz des Wintersports, ins Zentrum der Alpen und vor allem weg vom Gigantismus.
Sion 2026, das ist eine riesige Chance. Alle Wettbewerbe auf bestehenden Infrastrukturen. Die multikulturelle Schweiz hat in den letzten 15 Jahren dreissig Prozent Wintersportler verloren. Das Wintersportland Schweiz braucht eine Vision.
Es ist zu hoffen, dass die Walliser Stimmbevölkerung dies auch so sieht. Und sich nicht schon zu viele von dieser einst hehren olympischen Idee abgewendet haben.
In Südkorea grassierte der Norovirus, die olympische Bewegung ist verschnupft. Es wäre für unser Land ein gutes Zeichen, wenn ein neuer Olympiavirus die Grippe verdrängen würde.