Warum wurden die russischen Sportler vom IOC gesperrt?
Dafür ist Grigori Rodtschenkow hauptverantwortlich. Der Russe war als Leiter des Moskauer Dopinglabors, das auch für die Dopingkontrollen bei Olympia im russischen Sotschi verantwortlich war. 2016 wurde Rodtschenkow zum Whistleblower und packte aus. Er verriet, dass in Sotschi positive Proben mithilfe des Geheimdienstes trickreich ausgetauscht und manipuliert worden seien. Insgesamt sollen über ein Dutzend russischer Medaillengewinner von Sotschi gedopt gewesen sein. Erdrückend wurde die Beweislage gegen Russland durch zwei Berichte (McLaren-Report), die ein ausgefeiltes Dopingverschleierungs-System audeckten. Zwischen 2011 und 2016 sollen insgesamt mehr als 1000 Athletinnen und Athleten verwickelt gewesen sein. Russland unter Staatsdopingverdacht, der öffentliche Druck riesig: Das IOC (Internationale Olympische Komitee) unter Präsident Thomas Bach musste handeln.
Wie viele Sportler wurden vom IOC gesperrt?
Insgesamt 43 russische Wintersportler wurden von künftigen Olympischen Spielen, also lebenslang, ausgeschlossen, weil sie bei den Winterspielen im russischen Sotschi 2014 von organisierten Manipulationen profitiert haben sollen. Ihre dort erzielten Medaillen wurden aberkannt. 42 der betroffenen Sportler hatten vor dem CAS (Intenationaler Sportgerichtshof in Lausanne) Einspruch eingelegt.
Warum wurden die gesperrten Sportler wieder freigesprochen?
Weil die Beweislage nicht ausreichend war, wurde die lebenslange Sperre bei 39 Sportlern aufgehoben. Bei 28 gilt dies ab sofort, 11 weitere bleiben aber noch für die am 9. Februar beginnenden Winterspiele in Südkorea ausgeschlossen. Über drei russische Biathletinnen, die ihre Laufbahn inzwischen beendet haben, wird erst nach Olympia entscheiden.
Dürfen die freigesprochenen Sportler nun an Olympia teilnehmen?
Das ist noch nicht sicher. Denn die Anmeldefrist ist verstrichen. Und das IOC sagt, es dürfe nur teilnehmen, wer eingeladen wird. Russlands Präsident Wladimir Putin und seine einflussreichen Funktionäre werden alles versuchen, die russischen Athleten an den Start zu bringen. Gut möglich, dass sie dabei Erfolg haben. IOC-Präsident Thomas Bach ist Putins dicker Kumpel. Unabhängig von dieser noch offenen Frage sind sicher 169 russische Athleten in Pyeongchang dabei. Sie starten unter neutraler Flagge und ohne Hymne und sind offiziell vom IOC eingeladen. Sie mussten im Vorfeld nachweisen, dass sie nicht Teil des mutmasslichen Dopingsystems in Russland sind, also beispielsweise im Ausland wohnen und dort auch regelmässig getestet werden.
Was passiert mit den aberkannten Medaillen?
Die russischen Medaillengewinner von Sotschi bekommen ihre aberkannten Medaillen zurück. Das gilt nur für die 28 Freigesprochenen, nicht für die 11, deren lebenslange Sperre zwar aufgehoben wurde, die aber für Südkorea gesperrt bleiben. Emotional extrem schwierig ist diese Situation für die Sportler, die nach dem IOC-Verdikt die Medaillen der Gesperrten zugesprochen bekamen und sie jetzt nach dem CAS-Urteil wieder abgeben müssen.
Ist Russland jetzt reingewaschen?
Russland jubelt über das Urteil und kann nun mit neuer Vehemenz seine Version wiederholen, dass die Vorwürfe eine böse «Attacke von Aussen», eine perfide «Verschwörung des Westens» seien. Putins Reaktion auf das Urteil: «Das bestätigt unsere Position, dass die überwältigende Mehrheit unserer Athleten sauber ist.» Premierminister Medwedew sagt: «Es ist gut, dass die Sauberkeit unserer Athleten jetzt bewiesen wurde.» Fakt aber ist, dass das CAS ausdrücklich nicht untersucht hat, ob es in Russland Staatsdoping gegeben habe, sondern es sei strikt nur um die Betrachtung der 42 individuellen Fälle gegangen. Und die Aufhebung der Sperren heisst auch nicht, dass die freigesprochenen Sportler sauber sind, sondern nur, dass die Beweislage für individuelle Sperren in den meisten Fällen nicht ausreichend war. Whistleblower Rodtschenkow bleibt denn auch dabei. Im Interview mit dem Deutschlandfunk sagt er: «Russland bleibt ein Dopingland. Und Putin weiss über alles Bescheid.»
Ist das Urteil ein Freipass für Doper?
Doper zu entlarven ist schon schwierig genug. Nur die wenigsten lassen sich erwischen. Bleibt tatsächlich mal ein Sportler in einer Probe hängen, muss der Beschuldigte seine Unschuld beweisen. Steht aber eine ganze Nation unter Dopingverdacht, muss der Ankläger die Beweise liefern. Und das ist offensichtlich schwierig. Wenn also ein ausgeklügeltes Dopingsystem funktioniert wie das in Russland, kann man den darin verwickelten Sportlern kaum Dopingvergehen nachweisen. Denn wenn Dopingproben spurlos verschwinden oder mit sauberem Urin ausgewechselt werden, dann gibt es halt auch keine positiven Dopingproben.
Im Februar finden in Südkorea vom 9. bis 25. Februar die 23. Olympischen Winterspiele statt. Hier finden Sie alle wichtigen Informationen rund um das Grossereignis in Pyeongchang: Zeitplan, Sportarten, TV-Übertragung und alle Schweizer Athleten.
Im Februar finden in Südkorea vom 9. bis 25. Februar die 23. Olympischen Winterspiele statt. Hier finden Sie alle wichtigen Informationen rund um das Grossereignis in Pyeongchang: Zeitplan, Sportarten, TV-Übertragung und alle Schweizer Athleten.
Das meint BLICK: IOC hat Lunte gezündet
Als Konsequenz auf den russischen Dopingskandal rund um die Olympischen Spiele 2014 in Sotschi hatte das Internationale Olympische Komitee (IOC) über vierzig russische Sportler auf Lebzeiten von Olympia ausgeschlossen.
Jetzt hat der Internationale Sportgerichtshof (CAS) diese Sperren in 28 Fällen aufgehoben. Das Argument: «Die Beweise sind nicht ausreichend, um den Vorwurf eines Dopingverstosses aufrechtzuerhalten.» Das IOC erwägt, den Fall ans Schweizer Bundesgericht weiterzuziehen.
Nicht betroffen von dieser seltsamen Amnestie ist Bob-Doppelolympiasieger Alexander Subkow. In seinem Fall war auch für das CAS der Doping-Nachweis klar. Damit stehen die Schweizer Beat Hefti und Alex Baumann als Goldmedaillen-Gewinner von Sotschi im 2er-Bob fest!
Wenn heute in einer Woche in Pyeongchang bei der Eröffnungsfeier also die Flamme der 23. Olympischen Winterspiele entfacht wird, dann ist es nicht das olympische Feuer, das bis zum Ende der Spiele 17 Tage lang brennt. Denn diese Amnestie stinkt zum Himmel. Es ist die Glaubwürdigkeit des Weltsports und der olympischen Bewegung, die in Südkorea verbrannt wird.
Athleten, die für fairen und sauberen Sport einstehen, die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada), aber auch die einst hehren Ideale der olympischen Bewegung sind erschüttert. Der Weltsport erlebt rabenschwarze Tage. Der Schuldige ist schnell ausgemacht: IOC-Präsident Thomas Bach. Der 64-jährige Jurist und Fecht-Olympiasieger von 1976 hat mit seiner Wischiwaschi-Politik die Lunte selbst gezündet.
Statt nach dem Untersuchungs-bericht des kanadischen Experten Richard McLaren und den darin erbrachten Beweisen von jahrelangen Doping-Manipulationen bereits vor Olympia 2016 in Rio die Reissleine zu ziehen und Russland im Kollektiv von Olympia auszuschliessen, hat er die Verantwortung an die einzelnen Sport-Verbände abgeschoben. Und das systematische Doping auf einzelne Sportler reduziert.
Thomas Bach wird dereinst als schwächster IOC-Präsident aller Zeiten in die Geschichte eingehen. Der Ruf seiner Weltsport-Dachorganisation ist schwer beschädigt. (cs)