Seit dem Saisonstart in Katar vor drei Wochen geht in der Töff-WM nichts mehr. Wie sehr vermissen Sie daheim in Linden BE den Motorenlärm?
Tom Lüthi: Klar vermisse ich das Rennfahren. Es ist eine verrückte Situation. Wir waren top auf die Saison vorbereitet, sind ein GP gefahren – und plötzlich stoppt alles abrupt. Im ersten Moment hat es sich wie ein Witz angefühlt. Doch dann wurde klar, dass alles runtergefahren wird. Das gilt ja jetzt für alle, nicht nur für uns Sportler. Zum Glück kann ich trainieren, aber halt ohne Töff.
Sie könnten doch jetzt mit einem Strassen-Töff über die fast autofreien Pässe fahren?
Das wäre kein Training, das wäre einfach eine schöne Freizeitbeschäftigung. Aber ich bin mit dem Training momentan gut ausgelastet.
Wie sieht Ihr Tag aus?
Ich mache am Morgen einen halben Tag Kraft- und am Nachmittag einen halben Tag Ausdauertraining. Dazu muss auch die Erholung gewährleistet sein. Schwierig ist nur, dass ein fixer Termin fehlt, auf den man hinarbeiten kann. Ich habe gern einen roten Faden bei meinem Programm. Doch niemand weiss, wie lange die Pause dauert. Das ist ein komisches Gefühl.
Trainieren Sie alleine daheim?
Ich habe das Glück, dass ich die Social-Distancing-Regeln einhalten und trotzdem raus kann. Mit meinem Trainer kann ich ins Fitnesscenter, obwohl es geschlossen ist. Das ist eine Luxusvariante, um die ich extrem froh bin. Wir können super arbeiten, ohne dass andere Leute in der Nähe sind. Und weil ich auf dem Land wohne, kann ich mit dem Mountainbike raus, ohne auf Menschen zu treffen. Daheim habe ich auch noch ein Spinningbike.
Zum Abendessen gehts dann zu den Eltern?
Nein, ich versuche, den Ablauf so wie immer zu halten. Aber wir sehen uns jetzt natürlich öfter als sonst. Bisher gehen wir uns nicht auf die Nerven. Aber womöglich sind sie irgendwann froh, wenn ich wieder mal verreisen kann! (lacht)
Der GP in Le Mans am 17. Mai steht noch im Kalender, aber rechnen Sie damit?
Wir werden dann kaum fahren. Es wäre reine Spekulation zu sagen, mit welchem Rennen es weitergehen wird. Aber ich will nicht jammern, es geht ja allen Menschen gleich. Wir müssen jetzt zusammen stehen und diese Zeit durchstehen, damit möglichst rasch wieder Normalität einkehrt.
Bevorzugen Sie eine verkürzte Saison mit etwa 10 Rennen oder eine mit möglichst vielen Nachholterminen, so dass die Saison vielleicht erst im Januar endet?
Ich möchte möglichst viele Rennen fahren. Es wird wohl ein strenges Programm geben, das macht mir nichts aus. Ich fahre auch gerne noch im Dezember oder Januar.
Viele Rennmechaniker sind pro GP bezahlt und verdienen jetzt nichts. Wie ist es bei Ihnen?
Das ist derzeit schwierig abzuschätzen. Ich bin zwar vom Team fix angestellt. Aber eigentlich, um zu fahren. An den Rennen habe ich Chancen auf Prämien. Da gibt’s jetzt natürlich nichts. Eine solche Situation wie jetzt ist in den Verträgen schlicht nicht vorgesehen. Das ist für alle neu. Auch für die Sponsoren, die jetzt keine Sichtbarkeit bekommen. Wir sitzen alle im selben Boot. wir müssen abwarten, was diese Saison noch geht.
Ihr Vertrag läuft Ende 2020 aus. Können Sie überhaupt für 2021 verhandeln?
Nein, ohne Rennen kann ich mich nicht beweisen für nächstes Jahr. Es ist, als ob jemand auf Pause gedrückt hätte. Die neuen Verträge werden sonst bis Juli oder spätestens bis August gemacht. Doch zur Zeit kann es sich kein Team erlauben, neue abzuschliessen.
Einige MotoGP-Stars haben für einen TV-Livestream ein virtuelles Rennen ausgetragen. Ein taugliches Überbrückungsmittel?
Für mich ist das nichts, das ist mir einfach zu weit weg vom echten Rennfahren. Ich habe bisher meine Playstation daheim noch nicht mal angerührt! Am Abend läuft bei mir jetzt einfach meistens der Fernseher. Ich schaue mir gerne Filme an.