Letzten Donnerstag macht Tom Lüthi (34) Schluss. Nach 19 Jahren in der Töff-WM mit 66 Podestplätzen tritt der 125-ccm-Weltmeister von 2005 Ende Saison zurück. Mit dem Entscheid des Emmentalers endet am 14. November in Valencia die grösste Schweizer Töff-Karriere der Neuzeit. Vor Lüthi waren in einer Solo-Klasse nur Luigi Taveri (†88, drei Titel) und Stefan Dörflinger (74, vier Titel) Weltmeister aus der Schweiz.
Der 17-fache GP-Sieger geht als Grand-Prix-Pilot mit den viertmeisten WM-Rennen in die Geschichte ein. In Valencia wird er bei 318 Rennen stehen. Noch mehr hat nur ein italienisches Star-Trio. Valentino Rossi (42), der wie Lüthi Ende Jahr aufhört und dann 432 GPs auf dem Konto hat. Dann noch die nicht mehr aktiven Loris Capirossi (328) und Andrea Dovizioso (327).
Lüthi: «Ich bin extrem dankbar für diese Karriere, ich konnte viele Erfolge feiern und sehr viel lernen, auch fürs Leben. Aber ich hatte auch harte und schwierige Zeiten.» Für Blick schlüsselt er die Top 3 seiner grössten Highlights und brutalsten Tiefschläge auf.
Top: Der WM-Titel
Zwar überlegt Lüthi kurz, sagt dann aber doch: «Der WM-Titel ragt schon heraus. Denn er war ein Faktor, dass ich so lange dabei sein konnte.» Hat er 16 Jahre danach auch geholfen, beim deutschen Prüstel-Rennstall die Anstellung als neuer Sportchef zu finden? Lüthi: «Nein, dafür war es zu lange her.» Deshalb die Rückblende: Lüthi fährt 2005 als 19-Jähriger in Le Mans seinen ersten GP-Sieg ein und gewinnt dann auch in Brünn, Sepang und Phillip Island. So besiegt er im Titelkampf die KTM-Werksfahrer Mika Kallio und Gabor Talmasci.
Top: Das MotoGP-Jahr 2018
Null Punkte in der Königsklasse! Trotzdem sagt Lüthi: «Ich hatte keinen Erfolg. Doch eine Saison lang eine MotoGP-Maschine fahren zu dürfen, war der Wahnsinn.» Lüthi bekommt als bereits 31-Jähriger im belgischen MarcVDS-Team eine Honda. Er fährt fünf Mal auf Rang 16. Am knappsten scheitert er beim Auftakt in Katar, wo nur 0,9 Sekunden auf Rang 15 und damit auf die Punkte fehlen. Lüthi schwärmt trotzdem von der 260-PS-Rakete: «In der MotoGP hast du immer Leistung ohne Ende, das kann kein anderer Töff bieten. Wenn du eine oder zwei Sekunden verlierst, ist das immer noch sauschnell.»
Top: Die Moto2-Ära
Elf Jahre fährt Lüthi in der Moto2, so lange wie kein anderer Pilot. Zwölf seiner 17 GP-Siege holt er in der mittleren Kategorie. 80 Prozent seiner Podestränge stammen aus der Moto2. Wer weiss, was aus seiner Karriere geworden wäre, hätte es in der WM nicht den revolutionären Wechsel in der mittleren WM-Kategorie von den alten 250-ccm-Zweitaktern zu einer Viertakt-Einheitsklasse gegeben. «In meiner zweiten 250er-Saison hat es nicht richtig gepasst. Deshalb kam mir ab 2010 die neue Klasse mit viel frischem Wind gerade recht.»
Flop: Die schwere Verletzung 2013
Es ist nur eine Testfahrt in Valencia. Deshalb gibts keine Bilder vom Horror-Crash, als der Thailänder Ratthapark Wilairot den Schweizer abschiesst. Irgendwie klemmt sich Lüthi den Arm zwischen Rad und Schwinge des Töffs so brutal ein, dass er sich rechts Arm, Ellbogen und Schulter bricht. Erst eine fünfstündige OP in der Schweiz wendet bleibende Schäden ab. «Da ist meine Karriere am seidenen Faden gehangen. Die Prophezeiungen, wie beweglich der Arm wieder sein würde, waren sehr ungewiss», sagt Lüthi. Doch er kämpft sich zurück. «Irgendwie war die mentale Kraft in mir drin, die Rückkehr schaffen zu wollen.» Vier Monate nach dem Unfall steht Lüthi wieder auf dem Podest.
Flop: Menschliche Enttäuschungen
In fast 20 Jahren hat Lüthi mit Hunderten Menschen zusammengearbeitet. Einige, wie Manager Daniel Epp oder der langjährige Mechaniker Achim Kariger, sind gute Freunde geworden. Aber Lüthi sagt auch: «Es gab in diesem Zirkus Personen, die mich sehr enttäuscht haben.» Namen mag der Ex-Weltmeister keine nennen. Doch es ist ein offenes Fahrerlager-Geheimnis, wen Lüthi vor allem meint. Der Fribourger Teamchef Fred Corminboeuf, der von 2015 bis 2017 das Schweizer «Dream-Team» mit Lüthi und Dominique Aegerter betrieben hat, verschwand durch die Hintertür und schuldet Tom nach SonntagsBlick-Informationen bis heute rund 300'000 Franken an Salär und Prämien.
Flop: Der verpasste Moto2-Titel
Lüthi betont, dass dieser Stachel nicht tief sitzt. «Ich hatte eine schöne Karriere und will nichts nachtrauern. Aber klar: Den Moto2-Titel habe ich nie erreicht.» 2016 und 2017 wird er Vize-Weltmeister. Doch punktemässig am nächsten kommt er 2019, als er WM-Dritter wird. «Vom Gefühl her war ich aber 2017 näher dran.» Denn damals liefert er sich übers ganze Jahr mit dem späteren Champion Franco Morbidelli einen packenden Titel-Fight.