Neben der Rennstrecke trifft Seewer die sanften Töne
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Schweizer Motocross-Star:Neben der Rennstrecke trifft Seewer die sanften Töne

Der Schweizer an der Motocross-Weltspitze
Jeremy Seewer will in Frauenfeld Titel holen

Nach fünf Jahren Pause gibt es in Frauenfeld wieder einen Motocross-GP. Der Zürcher Jeremy Seewer startet als einer der weltweit besten Piloten. Was hinter der für Schweizer Verhältnisse beispiellosen Karriere steckt.
Publiziert: 09.04.2023 um 20:29 Uhr
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Aktualisiert: 10.10.2023 um 09:27 Uhr
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Klavierklänge vor dem Grand Prix in Frauenfeld: Der Schweizer Motocross-Star Jeremy Seewer hat auch ein Talent am Piano.
Foto: Zamir Loshi

Jeremy Seewer (28) ist verblüfft, als er am Gründonnerstag auf einen der grossen Motocross-Sprunghügel auf der GP-Piste in Frauenfeld kraxelt. Auf dem Hügel stellte SonntagsBlick für den Schweizer MXGP-Star ein E-Piano bereit. «Ich hätte nicht gedacht, dass ihr ein so grosses herbringt», sagt Seewer lachend und setzt sich an das Instrument.

Schon nach wenigen Anschlägen auf den Klaviertasten ist er in die Musik versunken. Der Bülacher spielt ein Stück von Ludovico Einaudi. «Ein italienischer Künstler, der mir sehr gut gefällt», sagt Seewer.

Der Mann mit Benzin im Blut kennt sich auch mit den sanften Tönen aus. Am Ort, wo er am Ostermontag auf dem Renntöff mit Vollgas über die Schanzen fliegt, ertönt jetzt fehlerlos das Werk eines Komponisten.

So funktioniert die Motocross-WM

Die Motocross-WM ist die MotoGP des Offroadsports und wird unter dem Label MXGP vermarktet. Ein Renn-Event besteht aus zwei Tagen. Nach den Trainings und Qualis am Samstag finden am Sonntag (in Frauenfeld am Ostermontag) die Rennläufe statt.

Das Rennformat? Ein Grand Prix besteht aus zwei Läufen, in denen es jeweils um WM-Punkte geht. Die Addition beider Läufe ergibt das entscheidende GP-Klassement – ähnlich wie beim Skisport im Slalom und Riesenslalom. Eine Podestzeremonie für die einzelnen Läufe gibt’s nicht. Die Pokale gibt’s nach dem Renntag für die Top 3 in der GP-Rangliste.

Die Motocross-WM besteht aus zwei Klassen. Die MXGP-Kategorie ist die Königsklasse (Viertakter mit 450 ccm), dazu kommt die MX2-Meisterschaft für die jungen Talente (250 ccm). In Frauenfeld finden als Rahmenrennen auch die 125-ccm-EM und die Frauen-WM statt.

Seit dieser Saison gibts auch für die Top Ten des samstäglichen Qualirennens WM-Punkte – was beim Saison-Start zur Skurrilität führte, dass der Auftaktsieger nicht als WM-Leader abreiste. Der WM-Kalender 2023 umfasst 19 Stationen, Frauenfeld ist die dritte. (md)

Die Motocross-WM ist die MotoGP des Offroadsports und wird unter dem Label MXGP vermarktet. Ein Renn-Event besteht aus zwei Tagen. Nach den Trainings und Qualis am Samstag finden am Sonntag (in Frauenfeld am Ostermontag) die Rennläufe statt.

Das Rennformat? Ein Grand Prix besteht aus zwei Läufen, in denen es jeweils um WM-Punkte geht. Die Addition beider Läufe ergibt das entscheidende GP-Klassement – ähnlich wie beim Skisport im Slalom und Riesenslalom. Eine Podestzeremonie für die einzelnen Läufe gibt’s nicht. Die Pokale gibt’s nach dem Renntag für die Top 3 in der GP-Rangliste.

Die Motocross-WM besteht aus zwei Klassen. Die MXGP-Kategorie ist die Königsklasse (Viertakter mit 450 ccm), dazu kommt die MX2-Meisterschaft für die jungen Talente (250 ccm). In Frauenfeld finden als Rahmenrennen auch die 125-ccm-EM und die Frauen-WM statt.

Seit dieser Saison gibts auch für die Top Ten des samstäglichen Qualirennens WM-Punkte – was beim Saison-Start zur Skurrilität führte, dass der Auftaktsieger nicht als WM-Leader abreiste. Der WM-Kalender 2023 umfasst 19 Stationen, Frauenfeld ist die dritte. (md)

Der Motocross-Star hat als Zwölfähriger auf sanften Druck von Mutter Anita Klavierstunden genommen. «Nach einem Jahr hatte ich genug. Heute bereue ich, es nicht besser gelernt zu haben», sagt Seewer, «ich spiele gerne Klavier als Ausgleich zu meinem extremen Sport.»

«Bin nicht mehr der kleine Schweizer»

Pianoklänge vor dem Heim-Grand-Prix – nun will Seewer auch am Renntag in Frauenfeld für die Musik sorgen. «Ich will hier den Sieg», sagt er klipp und klar, «ich habe noch eine Rechnung offen. 2017 lag der Heimsieg eigentlich bereit, doch dann ist es blöd gelaufen.» Damals wird er nach einem Sturz Zweiter. Kommts diesmal zur grossen Siegparty?

Der Zürcher ist der ganz grosse Held der Schweizer Motocross-Fans. Die Schweiz war zwar früher schon eine Macht im Motocross, der Töff-Sportart im Dreck, Schlamm und Sand. Aber auf drei Rädern. Im Seitenwagen-Cross waren Teams wie Hansi Bächtold/Fritz Fuss, Christoph Hüsser/Andreas Hüsser oder Andreas Fuhrer/Adrian Käser als zigfache Weltmeister nationale Sportstars, auch dank regelmässiger Auftritte im SRF-«Sportpanorama».

Doch Solopiloten aus der Schweiz? Sie fehlten während Jahrzehnten an der Weltspitze. Bis der Stern von Seewer aufging. «Ich bin nicht mehr der kleine Schweizer in der WM wie am Anfang, dem vielleicht mal ein dritter oder fünfter Rang zugetraut wird. Aber dafür war viel harte Arbeit nötig.»

Der Zürcher schreibt die Schweizer Motocross-Geschichte neu. Zweimal Vizeweltmeister in der kleinen MX2-Klasse. Und 2019, 2020 und 2022 schon dreimal Vizeweltmeister in der Königsklasse MXGP. Je fünf GP-Siege in den beiden WM-Klassen. Schon im fünften Jahr Yamaha-Werksfahrer.

Trainingspiste im Garten der Eltern

Seewer erreichte schon vieles, was vorher noch kein Schweizer Solopilot geschafft hat. «Ich war 16, 17 Jahre alt, als ich nach einem Laufsieg an der Junioren-WM in Italien realisierte, dass ich wohl ziemlich gut bin. Aber da war der Weg dennoch noch weit», sagt er heute.

Denn gerade auch im Ausland gibt es viele Teenager, die wie Seewer schon jung Motocross fahren und wie er und sein älterer Bruder Roger einfach auf den kleinen Töffs Vater René nacheifern, der selber Rennen fuhr. Die Seewer-Brüder haben daheim im elterlichen Garten irgendwann sogar eine eigene Trainingspiste.

Aber auch viel Training als Bub machte Seewer nicht automatisch zu einem der besten Piloten der Welt. Der Bülacher entwickelt aber einen beispiellosen Ehrgeiz, als sich eine Karriere in der WM anbahnt. «Der Glaube war immer da, dass ich mal wirklich eine gute Rolle in der WM spielen kann. Jetzt bin ich seit Jahren vorne dabei, es ist normal geworden», sagt Seewer. Beim GP-Debüt 2012 in Belgien ist der 18. Rang noch ein Highlight. Zehn Jahre später «bin ich sauer, wenn ich nur Vierter werde».

In der Motocross-Szene ein Weltstar. In der Schweiz fast ein Unbekannter. Oder? «Ich bin selten in der Schweiz», sagt Seewer, der seit Jahren im Motocross-Mekka Belgien in der Stadt Lommel lebt. «Dort ist Motocross sehr populär. Aber ich bin immer wieder überrascht, dass ich auch in der Schweiz angesprochen werde, zum Beispiel am Flughafen.»

Zu Seewers eigentlich unspektakulärem Erfolgsrezept gehört neben seiner verblüffenden Gabe, sich in diesem Knochenbrechersport nie zu verletzen, auch das stabile Umfeld dazu. Zwar ist er seit zwei Jahren Single – aber auch das hilft der vollen Konzentration auf den Sport.

Auch die Startnummer zeigt sein stabiles Umfeld

Seine Eltern machten nie Druck, sind aber bis heute an allen Rennen in Europa als moralische Unterstützung dabei. Mit Denis Birrer ein langjähriger Manager, der eher ein Freund als ein Geschäftspartner ist, was sich auch in Seewers Startnummer 91 zeigt. Als Kind fährt Klein Jeremy mit seinem Jahrgang 94 auf dem Töff. Doch als ein deutsches Ausnahmetalent die 94 zu seinem Markenzeichen macht, wechselt Seewer zur 91 – weil Birrers Töffgeschäft in Höri ZH Moto 91 heisst.

Birrer fädelte vor fünf Jahren den Wechsel zu Yamaha ein, als Seewers Karriere durch den völlig überraschenden Ausstieg von Suzuki auf der Kippe stand. Seither holte der Zürcher in fünf Königsklassen-Saisons dreimal Rang 2 in der WM.

Deshalb rast Seewer auch 2023 dem ganz grossen Titeltraum hinterher. Krönt er sich ausgerechnet im Jahr mit dem zurückgekehrten Heimrennen? Seewer: «Ich habe schon vieles erreicht, vor allem für einen Schweizer. Ich muss keinem etwas beweisen. Das nimmt den Druck etwas weg. Aber ganz klar: Ich will diesen Titel gewinnen.» Doch der Saisonstart missriet mit mehreren Stürzen, Seewer reiste nur als WM-Siebter nach Frauenfeld. «Ich bin fit wie nie. Und die Saison ist noch lange!»

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