Der Grund, dass Noah Dettwiler (18) in Spanien lebt, findet sich in einem schwarzen Notizbuch. Der Töff-Rennfahrer sitzt auf seinem Bett, schlägt das Heft auf und zeigt lauter vollgeschriebene Seiten. Handschriftlich eingetragen, Zeile für Zeile notiert der WM-Neuling jedes seiner Rennstreckentrainings: welche Maschine, welcher Ort. Viele Seiten sind komplett vollgeschrieben. Denn Dettwiler sitzt praktisch täglich auf einem Töff und trainiert für seine erste Saison als Grand-Prix-Stammpilot. «Nur am Sonntag mache ich nichts, das ist der Regenerationstag», sagt er.
An diesen Sonntagen geniesst das Töfftalent aus Hofstetten-Flüh SO seine Heimat in Valencia so, wie man es sich im nebligen Schweizer Flachland das Leben im spanischen Winter vorstellt. Mit Sonnenbrille, ohne dicke Jacke, mit Brunch in einem hippen Restaurant an der Strandpromenade, ein Spaziergang an der wärmenden Sonne. Geniessen pur.
Aber sechs Tage die Woche dreht sich alles um seine Arbeit für den grossen Töff-Traum. Vor sechs Jahren fuhr er seine ersten Kilometer auf einer Rundstrecke, jetzt wird er erster Schweizer in der Töff-WM seit dem Rücktritt von Tom Lüthi (37), der sein sportlicher Berater und mit seiner Schwester Noelle (29) liiert ist. Aus dem Hobby und dem grossen Ziel vom GP-Sport ist Ernst geworden. «Das Töfffahren ist jetzt ja eigentlich mein Job», sagt Dettwiler, selber scheinbar noch immer ein wenig verwundert, dass er ein komplett anderes Leben führt als andere 18-Jährige. Die Ausbildung fürs Handelsdiplom ist vorerst auf Eis gelegt.
Ein Haus in einem abgeschirmten Wohnviertel
Dettwiler lebt im Töff-Paradies. Er trainiert fast täglich auf grossen und ganz kleinen Töffs. Und auch fürs Training auf dem Rennrad oder Mountainbike ist das Wetter auch im Winter geeignet. «Hier kann ich jeden Tag trainieren. Das ist in der Schweiz einfach nicht möglich», sagt der WM-Debütant, als ihn Blick einen Monat vor dem Saisonauftakt besucht.
Er lebt ausserhalb von Valencia in der «Urbanicacion del Bosque». Das ist eine riesige Wohnsiedlung, umgeben von Mauern. Die Strasse hierhin führt durch Orangenplantagen. Ein Pförtner bedient die Schranke, es gibt nur eine Einfahrt ins Areal. Besucher kommen nur auf Anmeldung in diese Wohnanlage hinein, wo rund 10’000 Menschen wohnen. Hier leben auch viele Einheimische fernab der hektischen Stadt wegen der Ruhe und der Sicherheit. Es gibt auch einen Golfplatz. Wie weitläufig sich dieser ausbreitet, bemerkt Dettwiler auf einer seiner ersten Joggingtouren. «Plötzlich hörte ich laute Rufe. Erst da bemerkte ich, dass ich übers Green gelaufen bin», erzählt er schmunzelnd.
10. März: Katar (Lusail)
24. März: Portugal (Portimão)
14. April: USA (Austin)
28. April: Spanien (Jerez)
12. Mai: Frankreich (Le Mans)
26. Mai: Katalonien (Barcelona)
2. Juni: Italien (Mugello)
16. Juni: Kasachstan (Almaty)
30. Juni: Holland (Assen)
7. Juli: Deutschland (Sachsenring)
4. August: Grossbritannien (Silverstone)
18. August: Österreich (Spielberg)
1. September: Aragon (Alcaniz)
8. September: San Marino (Misano)
22. September: Indien (Neu-Delhi)
29. September: Indonesien (Mandalika)
6. Oktober: Japan (Motegi)
20. Oktober: Australien (Phillip Island)
27. Oktober: Thailand (Buriram)
3. November: Malaysia (Sepang)
17. November: Valencia (Valencia)
Jeweils Moto3, Moto2, MotoGP
10. März: Katar (Lusail)
24. März: Portugal (Portimão)
14. April: USA (Austin)
28. April: Spanien (Jerez)
12. Mai: Frankreich (Le Mans)
26. Mai: Katalonien (Barcelona)
2. Juni: Italien (Mugello)
16. Juni: Kasachstan (Almaty)
30. Juni: Holland (Assen)
7. Juli: Deutschland (Sachsenring)
4. August: Grossbritannien (Silverstone)
18. August: Österreich (Spielberg)
1. September: Aragon (Alcaniz)
8. September: San Marino (Misano)
22. September: Indien (Neu-Delhi)
29. September: Indonesien (Mandalika)
6. Oktober: Japan (Motegi)
20. Oktober: Australien (Phillip Island)
27. Oktober: Thailand (Buriram)
3. November: Malaysia (Sepang)
17. November: Valencia (Valencia)
Jeweils Moto3, Moto2, MotoGP
Die Solothurner Frohnatur bewohnt das Ferienhaus einer befreundeten Schweizer Familie. Pool im Garten inklusive. Nespresso-Maschine in der Küche. Proteinriegel im Schrank. Eine Playstation, um die neuen WM-Strecken zu erlernen. Mittlerweile ist auch sein persönlicher Mechaniker Agustin Victoria Fraj (23) eingezogen. Die beiden haben sich angefreundet, gehen auch mal abends zusammen weg. Der Einheimische kümmert sich um Dettwilers privates Töffmaterial. «Ich fahre so viel, ich hätte gar keine Zeit, selber alles zu warten und vorzubereiten», sagt Dettwiler. Beim Blick-Besuch ist auch gerade seine Mutter Nicole für zwei Wochen da, sie arbeitet im Homeoffice für die Baudichtungsfirma der Familie. Ihr Mann Andy führt in der Schweiz den Betrieb vor Ort.
Die quälende Suche nach einem passenden Quartier
Sie ist froh, dass Noah und Agustin eine WG bilden. «Ich musste zwar schon ein paar Putztipps geben», sagt Mutter Nicole und lacht. Aber das sind Luxusprobleme im Vergleich zu dem, was die Familie in den letzten Jahren durchmachte.
Denn es dauerte lange, bis Dettwiler in Spanien richtig sesshaft wurde, nachdem er vor vier Jahren mit 14 Jahren ausgewandert war. «Am Anfang hatte ich schon manchmal Mühe», sagt er. Die Suche nach einer passenden Unterkunft ist schwierig, zeitweise lebt Dettwiler gar im Studentenheim.
Ein Projekt mit einer Gastfamilie geht schief. Dazu kommt auch noch die Pandemie. Mama Nicole sieht wegen der Reisebeschränkungen ein halbes Jahr ihren Sohn nicht. «Es gab auch mal Tränen am Telefon», schildert sie. Es sind Momente des Zweifels. Beim Talent und bei den Eltern. Ist es wirklich richtig, dass der Sohn so jung in einem fremden Land lebt? Tempi passati.
Rennstreckenbenutzung für 30 Euro
Aus dem bubenhaften Teenager mit dem grossen MotoGP-Traum ist ein junger Erwachsener geworden, der jetzt in der Moto3-WM und auch in Spanien angekommen ist. Neben Italienisch, Englisch und Französisch redet er fliessend Spanisch.
Sein Zweijahresvertrag im französischen CIP-KTM-Rennstall ist für Dettwiler Bestätigung, dass es richtig war, sich in Spanien durchzubeissen. Das Land ist Vorreiter in der Ausbildung von Töfftalenten. Es ohne tägliches Training in die WM zu schaffen, ist beim gestiegenen Grad der Professionalisierung kaum noch vorstellbar.
10. März: Katar (Lusail)
24. März: Portugal (Portimão)
14. April: USA (Austin)
28. April: Spanien (Jerez)
12. Mai: Frankreich (Le Mans)
26. Mai: Katalonien (Barcelona)
2. Juni: Italien (Mugello)
16. Juni: Kasachstan (Almaty)
30. Juni: Holland (Assen)
7. Juli: Deutschland (Sachsenring)
4. August: Grossbritannien (Silverstone)
18. August: Österreich (Spielberg)
1. September: Aragon (Alcaniz)
8. September: San Marino (Misano)
22. September: Indien (Neu-Delhi)
29. September: Indonesien (Mandalika)
6. Oktober: Japan (Motegi)
20. Oktober: Australien (Phillip Island)
27. Oktober: Thailand (Buriram)
3. November: Malaysia (Sepang)
17. November: Valencia (Valencia)
Jeweils Moto3, Moto2, MotoGP
10. März: Katar (Lusail)
24. März: Portugal (Portimão)
14. April: USA (Austin)
28. April: Spanien (Jerez)
12. Mai: Frankreich (Le Mans)
26. Mai: Katalonien (Barcelona)
2. Juni: Italien (Mugello)
16. Juni: Kasachstan (Almaty)
30. Juni: Holland (Assen)
7. Juli: Deutschland (Sachsenring)
4. August: Grossbritannien (Silverstone)
18. August: Österreich (Spielberg)
1. September: Aragon (Alcaniz)
8. September: San Marino (Misano)
22. September: Indien (Neu-Delhi)
29. September: Indonesien (Mandalika)
6. Oktober: Japan (Motegi)
20. Oktober: Australien (Phillip Island)
27. Oktober: Thailand (Buriram)
3. November: Malaysia (Sepang)
17. November: Valencia (Valencia)
Jeweils Moto3, Moto2, MotoGP
So wird Spanien vor allem im Winter zum Hotspot der Töff-Welt. Dettwiler nimmt Blick auf einen intensiven Tag mit zwei Trainingssessions mit. Am Vormittag fährt er auf einer privaten Kartstrecke beim Städtchen Villena südlich von Valencia. Die Streckenbenutzung kostet 30 Euro, bezahlt wird bar. Lärmvorschriften gibts keine. Streckenposten auch nicht. An diesem Tag drehen neben Profi Dettwiler auch Hobbyfahrer ihre Runden, selbst ein übermotorisierter Roller lärmt im Kreis herum. Spanien, das gelobte Land des Töffsports.
Später taucht mit Moto2-Pilot Filip Salac (22) ein weiterer GP-Fahrer auf. Auch der Tscheche lebt in Spanien. Er hat sogar eine ganze Schar von Buben im Schlepptau, die wie eine Schulklasse auf ihren Minitöffs ausgebildet werden.
Aber auch Dettwiler selber besucht regelmässig noch eine Rennschule. Es ist mittlerweile Nachmittag. 18 Grad herrschen an diesem prächtigen Februar-Samstag. Die Autobahn rauscht in der Nähe, die Flieger starten vom nahen Flughafen. Das Trainingszentrum der Fussballprofis vom FC Valencia liegt hier draussen wie auch ein riesiger Komplex mit Kinos, Restaurants und Baumarkt. Touristen gibts hier keine.
Schon die kleinsten Knirpse fahren vier Stunden im Kreis
Nichts mit dem Glamour der MotoGP hat das Verkehrssicherheitszentrum zu tun, das die KSB-Rennschule von Gründer Kike Banuls benutzen kann. Banuls und seine Mitarbeiter bilden hier Rennfahrer aus. Es ist bei weitem nicht die einzige Rennschule im Land, Motorsport ist in Spanien Sport-Business.
Aufgeteilt nach Alter und Können dröhnen vier Stunden lang die Motoren. Es geht um die «Skills» – Linienwahl, Reaktionszeit, Gespür fürs Limit der Reifen, das Feingefühl für die Fahrphysik eines Motorrads. Dettwiler schildert, dass Tom Lüthi zunächst skeptisch war, ob die Rennschule wirklich nützlich ist. Doch sein Schützling überzeugt ihn, dass es ihm bei der Karriere enorm hilft – schliesslich sind hier auch schon Rennfahrer wie Iker Lecuona (24) gross geworden, er hat es bis in die MotoGP geschafft.
Der grosse GP-Traum ist im Abgasdunst allgegenwärtig. Auch Mädchen und Buben im Kindergartenalter surren auf winzigen Töffchen um die Pylonen. Die Eltern schauen hinter der Bande zu, ausgerüstet mit Campingstühlen und Proviant. Die Stunden im Sattel geht an die Substanz. Bei den Kleinsten sowieso. Ein Knirps schläft in den Armen der Mutter ein.
Aber auch Dettwiler ist vom langen Tag müde. Die Sonne ist längst untergegangen, es ist kalt geworden. Vergessen ist auch diese Episode: Dettwiler stellte im Training fest, dass sein Mechaniker den Reifendruck falsch eingestellt hat, er meldet es ihm in einer Pause am Handy. Zumindest auf Spanisch klingt Dettwiler ziemlich verärgert.
Den Mechaniker bezahlt die Familie selber. Einer von vielen Posten. Eine Gage gibts in der Moto3-WM keine, im Gegenteil. Dettwilers Sponsoren bezahlen eine sechsstellige Summe für das Einstiegsjahr. Es soll eine Investition in die Zukunft sein. Denn Noah, seine Eltern, Lüthi und Manager David Kriech wissen alle: Mit dem GP-Einstieg ist noch nichts erreicht, es wartet ein hartes Lehrjahr.
Doch jetzt hat Noah vor allem Hunger. Noch vor der Dusche daheim steuern die Dettwilers den nahen Shoppingkomplex an. Pasta bei der Foodkette «La Tagliatella». Dettwilers spanische Töffwelt ist wieder in Ordnung. Vor allem mit der Aussicht auf die Regeneration am Tag darauf, Sonntagsbrunch und Strandspaziergang an der Sonne. Und vor allem mit der wachsenden Vorfreude auf den GP-Auftakt in Katar.