Mit ihrem Aufstieg in die MotoGP wird Ihr Leben noch schräger. Statt 60 Grad Neigungswinkel wie jetzt beträgt dieser dann 64 Grad. Freuen Sie sich auf mehr Schräglage?
Tom Lüthi: Ich freue mich riesig darauf. Und vor allem auf die Challenge, die dahintersteckt. Es wird eine grosse Herausforderung. Natürlich will ich diese möglichst schnell meistern. Ich konnte schon Luft schnuppern, wie sich ein MotoGP-Töff anfühlt. Da hatte ich ein Dauersmile, ein permanentes Grinsen, weil es sich einfach hammermässig anfühlt. Stammfahrer in der MotoGP zu werden ist wirklich ein Traum für mich, einfach etwas Grossartiges.
Spüren Sie die zusätzliche Schräglage überhaupt?
Wir sind mit der Moto2 ja auch schon mit Knie und Ellbogen am Boden. Das ist auch in der MotoGP so. Es war bei den Tests nicht so, dass ich das extrem mehr gespürt hätte. Das kommt automatisch, wenn man auf diesen Bikes sitzt. Das Krasse ist einfach die Power, die Leistung. Das überfordert einem am Anfang.
Sind Sie schon vom Töff gefallen, weils zu schräg war?
Das gibts schon. Zu viel Schräglage, dann kommt noch eine Bodenwelle dazu. Und weg bist du. Meistens ist ein Sturz eine Verkettung mehrerer Sachen.
Was war die extremste Schräglage, die Sie auf dem Töff erlebt haben?
Das war in der Moto2. Krass wird es in den richtig schnellen Kurven. 200 km/h und mehr, und dann in voller Schräglage da durch. Das ist wow! Da drin zeigt sich meine Leidenschaft. Oder es gibt Kurven, wo alles am Boden ist. Da kannst du sogar mit dem Gewicht auf dem Ellbogen lenken.
Auf welchem Kurs ist es denn besonders schräg?
Spielberg ist sehr speziell. Da hast du nur Rechtskurven, bis auf zwei Linkskurven. Aber den linken Ellbogenschleifer musste ich nach jedem Training wechseln. Dort hat man einfach extreme Schräglage.
Machen Sie spezifisches Training für die Schräglagen?
Nein, nicht wirklich. Ich muss mich ja in Schräglage nicht besonders auf dem Motorrad halten. Die Fliehkräfte wirken immer senkrecht darauf. Und einen stabilen Rumpf und gute Haltung muss man sowieso haben.
Sassen Sie schon einmal auf so einem schrägen Vehikel?
Ja, das ist Jahre her (lacht). Es geht hier ums Sliden und die Kunst, Highsider abzufangen. Da hats Stossdämpfer drin, die den Highsider abfedern. Das war echt merkwürdig. Das hat aber nichts mit Schräglage im Rennen zu tun. Das ist ganz langsam ohne Geschwindigkeit. Wir brauchen den Rennspeed, um in die Schräglage zu kommen.
Wo ist Tom Lüthi sonst ein schräger Vogel, so ganz abseits der Norm?
Ich glaube, ich bin überhaupt kein schräger Vogel. Viel eher bin ich ein Typ, der nicht auffallen will. Ich will nicht im Mittelpunkt stehen und mich anders benehmen, nur damit jeder mich sieht. Ich halte mich lieber zurück, mache nicht gross eine Show.
Und wo wären Sie gerne etwas schräger?
Auf dem Töff, aber das bekomme ich ja bald (lacht).
Haben Sie ein Herz für schräge Vögel?
Ja, ich mag solche Menschen schon. Schräger Vogel muss ja nicht negativ sein. Ich habe Begeisterung für solche Leute, die den Mut haben, etwas anders zu machen. Schlussendlich ist es ja bei mir doch auch so mit meinem Beruf. Vielleicht bin ich also hier ein bisschen ein schräger Vogel.
Was kommt Ihnen bei anderen Menschen schräg rein?
Was ich überhaupt nicht abhaben kann, ist Arroganz. Das ist ganz schlimm. Vor allem, wenn sie unberechtigt ist. Es gibt Menschen, die abgehoben sind, auch wenn sie nicht den geringsten Grund dazu haben. Und da gibts Leute wie Roger Federer oder Valentino Rossi, die sind das Gegenteil von Arrogant. Dabei hätten beide so viel erreicht, dass man es verstehen könnte.
Wo sind Sie schräger. Im Fahrerlager oder privat?
Im Fahrerlager, weil es halt ein bisschen ein schräger Job ist. Aber sonst bin ich unter Kollegen schon noch einmal lockerer drauf als im Team. Ich meine, wir haben es super hier. Man braucht riesiges Vertrauen ineinander. Aber mit meinen Freunden habe ich doch noch einmal engeren und vertrauteren Kontakt.
Was, wenn daheim ein Bild schräg hängt? Sind Sie da pedantisch?
Nein, das geht gar nicht. Das müsste ich grad hin hängen, sonst würde es mich stören. Aber so richtig penibel bin ich nicht. Ich habe Ordnung, aber nicht übertrieben. Es darf auch mal was rumliegen. Es soll sauber sein, aber auch wohnlich.
Was halten Sie von schrägen Sprüchen?
Das mag ich eigentlich, es ist spannend. Wenn einer den ganzen Abend eine «grosse Schnorre» hat, finde ich das lustig. Und ich gebe dann auch gerne mal zurück. Da bin ich auch schlagfertig.
Und von schrägem Humor?
Da gibts ja ganz krasse Sachen. Vor allem bei den Engländern. Aber mir wirds dann irgendwann zu viel. Da gibts Filme, die mir zu schräg sind.
Hatten Sie mal eine richtig schräge Freundin?
Oh, da muss ich aufpassen. Aber nein, wenn wir von Freundinnen sprechen gab es da nie jemanden.
Aber andere Frauen?
Man lernt schräge Leute kennen, sagen wir es so. Da denkt man sich im Nachhinein seine Sachen. Aber ich habe nicht krasse Erfahrungen gemacht und auch kein Trauma davongetragen.
Werden Sie manchmal schräg angeschaut?
Ja, das gibt es schon. Die Leute sind manchmal unsicher, ob es jetzt ich bin, schauen dann schräg.
Und werden Sie auch schräg angemacht?
Ja, das gibts leider auch. Die Sprüche über das letzte Rennen, und was dort eventuell schief lief, das höre ich immer wieder. Das ist nicht schön, aber man kann darüber stehen. Immerhin ist das Interesse da. Ich versuche jeweils, es so zu betrachten. Aber es ist ermüdend, halt einfach schräg.
Was war ihr schrägstes Rennen?
Spontan kommt mir Brünn in den Sinn, mit dem Wetterumbruch und den Neustart. Ich habe im Regen die Chance gewittert. Dann dieser Start von 7 auf 1, der war schon krass. Es ist so viel passiert in diesem Rennen. Ich musste aufholen und gewinne am Ende. Das war schon ein bisschen schräg.
Sie klettern gern. Wann wirds da zu schräg?
Das wäre dann also zu überhängend? Also outdoor habe ich ja noch nie richtig geklettert, aber indoor mag ich es, wenn es möglichst überhängend ist. Ich brauche einfach grosse Griffe, dass ich mich gut halten kann. Da wirds mir nie zu schräg.
Und beim Skifahren?
Da gibts auch kein zu schräg. Es kann nicht steil genug zu sein. Wobei, irgendwann ist auch fertig. Ich war neulich in Verbier mit dem Mountainbike und fuhr mit der Gondel am Bec Des Rosses vorbei. Dort, wo jeweils das Verbier Xtreme stattfindet. Das ist abartig. Wenn ich dort die Flanke raufschaue. Da hätte ich keine Chance. Aber sonst fahre ich gerne steil.
Waren Sie schon Mal auf dem schiefen Turm von Pisa?
Nein, aber ich bin schon daran vorbeifahren und habe ihn von Weitem gesehen. Aber ich bin nicht so der Sightseeing-Typ.