Frauenschwarm, Lausbub und Töff-Gott Rossi
«Federer und mich treibt die gleiche Leidenschaft an»

Er gewinnt keine Titel und wohl keine Rennen mehr: Aber die Fans liegen Valentino Rossi (40) weltweit zu Füssen. Ein Treffen mit dem Töff-Superstar.
Publiziert: 04.08.2019 um 20:06 Uhr
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Aktualisiert: 29.03.2021 um 08:32 Uhr
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Auch wenn er wohl keine Rennen mehr gewinnt, die Fans liegen Valentino Rossi noch immer auf der ganzen Welt zu Füssen.
Foto: AFP
Matthias Dubach aus Brünn

Es ist der ganz normale Wahnsinn an jeder Töff-Rennstrecke der Welt. Die Fans haben Gelbsucht. Ganze Familien. Alle tragen Gelb, die Farbe ihres Idols Valentino Rossi (40), und seine Startnummer 46. Für ein verwackeltes Handy-Video oder gar ein Selfie mit der lebenden Töff-Legende warten die Fans oft stundenlang dort, wo sie Rossi versteckt vermuten. Hinter seiner Box. Vor seinem Team-Truck. Beim Verpflegungstempel seines Yamaha-Rennstalls im Fahrerlager.

Wildes Gekreische und Ellbogenduelle in der Menschentraube, wenn «VR46», der Töff-Gott, dann tatsächlich auftaucht. Das Genie auf zwei Rädern. Der neunfache Weltmeister, einer der grössten Piloten aller Zeiten. Meistens zischt Rossi auf einem Motorroller aber rasch davon.

An diesem MotoGP Wochenende beim Grand Prix von Tschechien sind die Rossi-Fans besonders zahlreich. Brünn ist Rossi-Land. 1996 gewinnt er hier seinen ersten WM-Lauf – jetzt fährt «The Doctor» seine 24. GP-Saison. «Das ist lange, sehr lange her», sagt der Italiener an der offiziellen Pressekonferenz, «aber ich erinnere mich sehr gut. Kein Fahrer vergisst seinen ersten GP-Sieg. Und 1997 bin ich in Brünn auch erstmals Weltmeister geworden.»

Reden tut Rossi mit den Medien nur an den vom MotoGP-Promoter diktierten Pflichtterminen. Einzel-Interviews gibt er praktisch nie. Anfragen bekommt sein Team jedes Wochenende Dutzende.

In Brünn gibts eine kleine Ausnahme. Sein Sponsor, der Getränkehersteller Monster Energy, darf ein paar Journalisten zu einer Rossi-Runde einladen. Die Fragen werden vorselektioniert – solche zur sportlichen Krise werden kurzerhand gestrichen. In Zeiten eines mageren 6. WM-Zwischenrangs will die Ikone lieber über anderes plaudern. SonntagsBlick sitzt bei dieser kurzen Audienz beim Töff-Gott mit am Tisch.

SonntagsBlick: Vale, wie erklären Sie sich Ihre beispiellose Popularität?
Valentino Rossi:
Ich habe tatsächlich auf der ganzen Welt sehr viele Fans. Darauf bin ich sehr stolz. Es liegt sicher an meiner langen Karriere. Und natürlich spielt es eine Rolle, dass ich vor allem im frühen Abschnitt meiner Karriere sehr oft gewonnen habe.

Andere Fahrer gewinnen aber auch Titel und Rennen.
Vielleicht liegt es auch noch an anderen Faktoren. Vielleicht ist es mein Charakter. Aber der Hauptgrund müssen die Erfolge sein.

Rossi ist die MotoGP, die MotoGP ist Rossi. Der 40-Jährige ist ein Superstar mit Charme und Charisma. Rossi ist authentisch. Gnadenlos auf der Strecke. Ein Kumpeltyp mit viel Schalk im Nacken daneben. «Er ist derselbe Kerl, auch wenn die Kameras aus sind», sagt sein Ex-Teamkollege Colin Edwards. Ein Idol, selbst ausserhalb des Motorrad-Kosmos. Formel-1-Pilot Alexander Albon etwa ist derart Rossi-Fan, dass er seine beiden Hunde kurzerhand «Valentino» und «Rossi» getauft hat.

Rossis Rekorde

Die meisten GP-Starts (391 Rennen), die meisten WM-Punkte (6153), die meisten WM-Podestplätze (234), die meisten Siege in der Königsklasse (89): Rossi hält viele Allzeit-Rekorde in der Töff-WM. Nur mit seinen 115 GP-Siegen kommt er wohl nicht mehr an Giacomo Agostini (122) vorbei. Bei den WM-Titeln (9) ist Rossi hinter Agostini (15) und Angel Nieto (13) historisch an dritter Stelle.In 391 GP-Starts landete Valentino Rossi 234-mal auf dem Podest. Mit 115 Siegen liegt er hinter Rekordmann Agostini (122).

Die meisten GP-Starts (391 Rennen), die meisten WM-Punkte (6153), die meisten WM-Podestplätze (234), die meisten Siege in der Königsklasse (89): Rossi hält viele Allzeit-Rekorde in der Töff-WM. Nur mit seinen 115 GP-Siegen kommt er wohl nicht mehr an Giacomo Agostini (122) vorbei. Bei den WM-Titeln (9) ist Rossi hinter Agostini (15) und Angel Nieto (13) historisch an dritter Stelle.In 391 GP-Starts landete Valentino Rossi 234-mal auf dem Podest. Mit 115 Siegen liegt er hinter Rekordmann Agostini (122).

Rossi ist ein jung gebliebener Töff-Lausbub, auch wenn er nicht mehr wie früher schrille Frisuren trägt und ausgeflippte Jubel-Aktionen auf der Auslaufrunde inszeniert. Dass der letzte WM-Titel des Italieners zehn Jahre her ist? Sein letzter GP-Sieg von Juni 2017 datiert? Dass Marc Marquez mit seinen sieben WM-Titeln längst sportlich das Mass aller Dinge ist? Dass in Italien mit dem zweifachen Vize-Champion Andrea Dovizioso ein Landsmann aktuell erfolgreicher ist? Das ist den Fans egal. Sie hoffen, dass er seinen Vertrag bis 2020 erfüllt oder gar noch länger weitermacht. Rossi zieht weltweit in seinen Bann. Er ist im Töff-Zirkus die Ausnahmefigur wie Cristiano Ronaldo im Fussball oder wie früher in der Formel 1 Michael Schumacher. Oder im Tennis Roger Federer.

Federer prägt wie Sie seit Jahrzehnten eine Sportart. Gibts Parallelen?
Roger ist einer meiner Helden, er ist eine gute Referenz für mich. Ich verfolge seine Spiele schon seit langer Zeit. Wir kennen uns auch, wir haben sporadisch Kontakt und schreiben uns. Ich bin etwas älter als er, aber er ist auch nicht mehr jung (lacht). Aber trotzdem ist er immer noch an der Spitze.

Haben Sie Wimbledon verfolgt?
Oh, ja. Auch viele meiner Freunde sind Roger-Fans, wir schauen seine Spiele oft gemeinsam. Beim Wimbledon-Final haben wir herumgeschrien! Nach zwei Matchbällen zu verlieren, war ein grosses Desaster. Djokovic war eine Wand. Was die Klasse angeht, halte ich Roger aber trotzdem für den Grössten aller Zeiten. Es ist grossartig, ihn spielen zu sehen.

Was ist Ihr Geheimnis, im Alter noch Weltspitze zu sein?
Für mich ist die Leidenschaft das Wichtigste. Ich denke, für Roger ist es genauso. Uns treibt die Leidenschaft für den Sport an. Ich liebe das Motorradfahren. Und offensichtlich geniesst Roger trotz seiner 38 Jahren noch immer das Tennisspiel. Es gibt Sportler, die machen es wegen des Geldes. Andere, weil sie ein Talent haben. Und andere eben, weil sie die Leidenschaft behalten haben.

Wie halten Sie sich mit 40 Jahren für den physisch brutalen Töff-Sport fit?
Ich trainiere jeden Tag. Die Fitness zu behalten, wird im Alter schwieriger. Ich trainiere mehr als früher. Ich bin häufig im Kraftraum. Für die Ausdauer gehe ich oft laufen. Daneben achte ich auf gutes Essen und guten Schlaf. Ich versuche, früh zu Bett zu gehen. Ich muss leben wie ein echter Athlet!

Wie oft sind Sie in Ihrem Motorsport-Paradies, der Rossi-Ranch in Tavullia?
Normalerweise trainiere ich dort zweimal pro Woche auf einem Motorrad. Ich fahre dort Flat Track oder Motocross. Manchmal bin ich auch auf der Rennstrecke in Misano mit einem Superbike-Töff.

Der 5500-Einwohner-Ort Tavullia in der Nähe der Adria-Küste bei Rimini ist Rossis Geburts-, Heimat- und Rückzugsort. Seine Freunde von früher hat Rossi bis heute in seinem Umfeld. Mit Alessio «Uccio» Salucci wächst Valentino auf. «Uccio» ist bei jedem Rennen als Vertrauensperson und Helfer an seiner Seite. Auch in seinem weltweiten VR46-Fanklub und dem riesigen Fanartikel-Geschäftszweig arbeiten viele Kollegen aus der Jugendzeit.

Aus dieser Region stammt auch Marco Simoncelli (†24). Der MotoGP-Unfalltod seines Freundes 2011 ist die schwärzeste Stunde in Rossis Karriere.

Das steckt hinter der 46

Sie klebt weltweit auf Millionen von Privatautos und -Töffs: Valentino Rossis gelbe Startnummer 46 ist ein beliebter Fanartikel. Der Italiener hat aus «VR46» eine Marke gemacht, ist nie mit einer anderen Nummer angetreten. Für seine 46 hat er als einer der Ersten mit der Tradition gebrochen, dass der amtierende Weltmeister mit der Nummer 1 fährt. Doch warum 46? Es ist die Startnummer, die Valentinos Vater Graziano (65) per Zufall in dessen erfolgreichster WM-Saison zugeteilt erhält. Graziano gewinnt damit 1979 drei 250-ccm-GP.

Sie klebt weltweit auf Millionen von Privatautos und -Töffs: Valentino Rossis gelbe Startnummer 46 ist ein beliebter Fanartikel. Der Italiener hat aus «VR46» eine Marke gemacht, ist nie mit einer anderen Nummer angetreten. Für seine 46 hat er als einer der Ersten mit der Tradition gebrochen, dass der amtierende Weltmeister mit der Nummer 1 fährt. Doch warum 46? Es ist die Startnummer, die Valentinos Vater Graziano (65) per Zufall in dessen erfolgreichster WM-Saison zugeteilt erhält. Graziano gewinnt damit 1979 drei 250-ccm-GP.

Nur einmal kehrt der Italiener Tavullia scheinbar den Rücken: Aber dass er als 20-Jähriger seinen Wohnsitz nach London verlegt, kommt Rossi teuer zu stehen. Weil sein heimlicher Lebensmittelpunkt weiterhin Italien blieb, musste er vor der offiziellen Rückkehr 2008 in die Heimat rund 35 Millionen Euro Steuerstrafe bezahlen.

In seinem Städtchen kann Rossi relativ ungestört leben. Fragen Touristen nach ihm, erfinden die Bewohner auch mal Notlügen, um die Privatsphäre ihres berühmten Einwohners zu schützen. Doch wo macht der Superstar mit seiner Entourage Ferien? Zuletzt im Juli in Kroatien.

Können Sie ungestört Ferien machen?
In Kroatien ist es schön ruhig, da mich dort nicht viele Leute erkennen. Die Situation war unter Kontrolle. Deshalb haben wir uns für diesen Urlaub entschieden. Ich habe es sehr genossen. Das Meer ist total anders als bei uns, obwohl es ja auch die Adria ist.

In Kroatien ist auch Freundin Francesca Sofia Novello (24) dabei. Mit dem Model ist Rossi seit 2018 liiert. Davor war er bis 2016 jahrelang mit Fernando Alonsos heutiger Freundin Linda Morselli (30) zusammen. Sonst hielt nur die Beziehung zu Arianna Matteuzzi längere Zeit (2005 bis 2007). Rossi gilt zeitweise als begehrtester Junggeselle ganz Italiens. Mit Martina Stella, Elisabetta Canalis und Aura Rolenzetti ist der Töff-Star jeweils nur kurz zusammen. In seinen Single-Abschnitten gibts wieder immer Gerüchte über Techtelmechtel mit weiteren Models und Schauspielerinnen wie Mandala Tayde. Dabei träumt VR46 eigentlich von einer Familie. 2017 sagt er: «Ich wünsche mir den 10. WM-Titel und einen Sohn!»

Wen würden Sie gerne mal zu einem Dinner einladen?
Aus der Sportwelt? Da würde ich Federer nennen. Wir hatten zwar bereits 2006 in Portugal das Vergnügen, aber das ist lange her. Cristiano Ronaldo und Lionel Messi kenne ich nicht persönlich, diese beiden würden mich auch interessieren. Ausserhalb der Sportwelt würde ich aber eine schöne Frau bevorzugen! Als ich jünger war, war ich unsterblich in Schauspielerin Angelina Jolie verliebt. Aber jetzt ist sie auch alt, wie ich (lacht). Also wähle ich besser Scarlett Johansson. Hauptsache, ein nettes Mädchen kommt mit. Das wäre sicher besser als mit Roger! (Lacht.)

Dann ist die Fragerunde vorbei. Rossi springt auf – und macht umgehend ein paar Fans glücklich, die nach einem Foto mit dem Idol lechzen. Natürlich sind sie in Gelb gekleidet.

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