Ein Reifenquietschen in der Kurve, ein Surren beim Beschleunigen – und dann zischt der erste Formel-E-Rennwagen leise in das Zürcher Bankenviertel. Die Zaungäste können sich direkt daneben ganz normal unterhalten.
Obwohl die Formel E eigentlich ein Eintages-Event mit Training, Quali und Rennen am Sonntag ist, surren in Zürich schon am Samstag erstmals die Boliden über die Stadtstrecke am See. Für die Fahrer ist der sogenannte Shakedown nur ein erster Aufgalopp, um sich mit der Strecke anzufreunden. «So lernt man, wo die Bodenwellen sind», sagt Lokalmatador Sébastien Buemi.
Der Shakedown dauert nur 30 Minuten und die Elektromotoren sind auf 110 kW abgeriegelt. Also nur 150 PS statt wie morgen in der Quali mit den maximalen 200 kW (272 PS). Aber für die Schweiz ist die erste Ausfahrt mit halbem «Pfuus» historisch.
Die Ausnahmeregelung für die Formel E beim Rundstreckenverbot machts möglich, dass erstmals seit 64 Jahren wieder eine Auto-WM in der Schweiz fährt. «Es ist immer noch surreal», sagt der Basler Marc Surer, in den 80er-Jahren Formel-1-Fahrer. «Davon habe ich stets geträumt. Denn es gab immer gute Schweizer Rennfahrer, aber wir hatten nie ein Rennen. Es ist der Wahnsinn, dass es nun ausgerechnet in Zürich möglich ist.»
Auch andere Schweizer Rennfahrer sind für die historische Premiere vor Ort. Mit Simona de Silvestro ist auch die schnellste Schweizerin da. «Natürlich wäre es cool, selber zu starten. Seit meinen Kart-Zeiten bin ich nie mehr in der Schweiz gefahren», sagt die schnelle PS-Lady.
Genauso ist es für DTM-Pilot Nico Müller, der sich das erste Training mit Freundin Victoria Paschold auf dem Bürobalkon der Firma HBI anschaut. «Ich hätte nie gedacht, dass ein Rennen realistisch wird», sagt der Thuner. Victoria sieht zum ersten Mal Elektrorenner fahren und lacht erstaunt, als sie das Surren der Boliden hört. Aber auch Nico wird überrascht: Als auf dem Hotelbalkon gegenüber seine Eltern Christian und Ursula erscheinen. Nach eifrigem Winken sagt Müller: «Wir haben ihnen dieses Hotel noch kurzfristig besorgt.»
Vor dem Kurz-Training herrscht auf dem Rennareal die Ruhe vor dem Sturm. Heute werden bis 150 000 Besucher auf den Gratis-Stehplätzen erwartet, für den VIP-Bereich gibts an der Tageskasse ab 1289 Franken noch Tickets. Gestern wars noch beschaulich.
Ex-Formel-1-Stars machen die Aufwartung
Wenige Meter hinter der Boxengasse spazieren wie immer Familien, fahren Velofahrer. Am Ufer wird «gsünnelet». Die Formel-E-Maskottchen «ACee und DCee» kreuzen Badegäste in Bikinis. Es treffen Welten aufeinander. Einer sagt: «Das Rennen gibt es nun jedes Jahr? Das ist doch ein Witz!»
Positiver ist die Stimmung beim Boxenspaziergang, zu dem rund 1400 lärmgeplagte Quartier- Anwohner eingeladen wurden.
Viele von ihnen haben noch nie Rennwagen aus der Nähe gesehen. Der Tenor: «Lässig! Das ist doch mal was ganz anderes.» Mit Alain Prost, Mark Webber und Felipe Massa tauchen am Nachmittag dann erste Ex-Formel-1-Stars im VIP-Bereich auf. Auch Emerson Fittipaldi erscheint. Und gibt am Abend bekannt, dass er am Sonntag vor dem Rennen einige Demorunden im Formel-E-Auto dreht! Mit 71 Jahren. Weitere Stargäste heute am Renntag? Topmodel Naomi Campbell und Skistar Lara Gut.
Als es niemand mehr erwartet, kommts noch zum ersten Crash: Am Abend kracht ein Elektro-BMW mit VIP-Gästen in die Abschrankung der ersten Kurve. Die Passagiere kommen mit dem Schrecken davon. Gut möglich, dass es auch heute beim ePrix kracht!