Es wird ein Tag für die Rennsport-Geschichtsbücher. Mit Sébastien Buemi (29) aus Aigle VD und Edoardo Mortara (31) aus Genf fahren erstmals seit 63 Jahren wieder zwei Schweizer Piloten ein Autorennen auf heimischem Boden: Nächsten Sonntag beim E-Prix in Zürich.
Aber wirklich vor der Haustür fahren nicht die beiden Welschen, sondern ein Deutscher! Nick Heidfeld (41) wohnt seit seiner Zeit als Formel-1-Pilot bei Sauber in Stäfa ZH. «Ich lebe schon 17 Jahre in der Schweiz. Unsere drei Kinder sind in der Schweiz geboren, gehen hier zur Schule und reden auch schweizerdeutsch, für sie ist das komplett ihre Heimat. Wir fühlen uns extrem wohl hier. Ich mag Zürich sehr», sagt der Oldtimer- und Kunstliebhaber.
Nun kommt der heimliche Lokalmatador sogar zum Rennfahren in die City. Er ist wie Buemi ein Elektro-Rennfahrer der ersten Stunde, ist seit dem allerersten Rennen 2014 in der Formel E dabei. Zuvor war er zwischen 2000 und 2011 in 183 Formel-1-GPs unterwegs. «Ich hatte schon Heimrennen in Deutschland. Aber gefühlt ist Zürich mein echtes. So nahe von daheim bin ich noch nie gefahren», sagt der Formel-E-Pilot.
Klar, dass Heidfeld seinen Heimvorteil nutzen will. SonntagsBlick ist dabei, als sich der Wahl-Schweizer ein paar Wochen vor dem E-Prix einen ersten Eindruck von der 2,46 km langen Rennstrecke verschafft. Die Strassensperren gelten erst am Rennwochenende. Heidfeld muss sich den Circuit mitten im normalen Strassenverkehr anschauen.
Er beginnt da, wo er auch nächste Woche beim E-Prix in seinen leise surrenden Elektro-Flitzer sitzen wird. In der Boxengasse – die bis zum Aufbau der temporären Infrastruktur der Parkplatz beim Hafen Enge direkt am Zürichsee ist. «Hier gibt’s Kopfsteinpflaster? Das ist wirklich speziell, so was habe ich auch in der Formel E noch nie erlebt», sagt Heidfeld und steuert sein Elektro-Strassenauto in den Stadtverkehr.
Auf den Mythenquai kreuzt Heidfeld die Stelle, wo der E-Prix startet und endet. Los geht seine langsamste Zürich-Runde. Maximal 50 km/h statt über 200 km/h. Beim ersten Rotlicht lacht Heidfeld und sagt: «Ich habe im Rennen definitiv Heimvorteil, weil ich diesen Blitzer hier schon kenne!»
Doch dann: Die Verkehrsregeln verhindern, dass die Strecke auf dem Original-Layout an einem Stück abgefahren werden kann. Linksabbiegen in die Stockerstrasse wie die Rennwagen? Ist unmöglich. Die Dreikönigsstrasse und die Gotthardstrasse in die Rennrichtung befahren? Verboten – es sind Einbahnstrassen. Der Ex-Sauber-Pilot schaut sich die Strecke an diesen Stellen einfach zu Fuss an. «Tramschienen hatten wir bereits beim Rennen in Miami, das sollte kein Problem sein. Gespannt bin ich, wie sich die verschieden Strassenbeläge anfühlen. Weil wir aber immer in Städten fahren, sind die Rennautos schon relativ weich abgestimmt.»
An zwei Stellen stutzt Heidfeld. Ein Trottoir-Übergang mit Randsteinschwelle hält er für nicht befahrbar. «Da muss noch etwas passieren», meint er. Das passiert auch: Vor dem Rennen wird mit einer Asphaltschicht der ruppige Übergang nivelliert. Und dann ist da die Alfred-Escher-Strasse. Heidfeld: «Die ist extrem holprig, das ist sogar für Formel-E-Verhältnisse grenzwertig.» Doch nächsten Sonntag wird er mit rund 220 km/h gnadenlos drüber brettern.
«Ein Heimsieg würde mir sehr viel bedeuten», sagt Heidfeld nachdenklich. Denn er konnte als Elektriker seinen Sieglos-Fluch aus der Formel 1 nicht ablegen. Er wartet noch auf den ersten Sieg. Den Zürich-Siegerpokal könnte er am Sonntagabend auf dem Roller heim nach Stäfa bringen!