Alain Prost, Sie sind als vierfacher Formel-1-Weltmeister jetzt Teamchef in der Formel E. Wie schätzen Sie die Elektrorennserie ein?
Es ist eine schwierige Disziplin. Wir lernen laufend dazu, wir stecken mitten in einem Entwicklungsprozess. Alles steckt noch in den Kinderschuhen. Wir müssen das Auto weiterentwickeln und müssen Rennen für Rennen nehmen, um alles besser zu verstehen. Es ist viel, viel Arbeit. Aber sehr interessant.
Kann man Formel 1 und Formel E überhaupt vergleichen?
Ich vergleiche die beiden Klassen niemals, in keinen Bereich. Es ist was ganz anderes.
Sébastien Buemi ist Formel-E-Gesamtleader. Was macht er besser als die anderen?
Séb hat Talent, er ist ein sehr guter Fahrer. Er mag das Auto und hat im Moment viel Selbstvertrauen. Manchmal ein bisschen zu viel (lacht).
Sie sprechen den Fahrfehler in der Buenos-Aires-Quali an, der ihm den letzten Startplatz einbrachte?
Exakt! Aber sonst macht Séb einen hervorragenden Job und wir haben ein sehr gutes Auto. Wir haben es für diese Saison nicht nur den Antrieb verbessert, sondern auch die Airbox und die Dämpfung.
Wird Buemi Formel-E-Champion?
Die Fahrer-Wertung ist sehr eng, auch wegen den technischen Problemen oder Fahrfehlern. Momentan sind wir glücklich. Aber wir müssen wachsam bleiben.
Ist es richtig, dass ein so starker Fahrer wie Buemi nicht mehr in der Formel 1 fährt? Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko sagte beim Toro-Rosso-Rausschmiss, Buemi sei kein Siegfahrer…
(Überlegt) Wissen Sie, Red Bull hat viele Fahrer. Manchmal zu viele. Dann müssen Entscheidungen gefällt werden. Das ist Teil des Spiels. Aber schwierig, zu akzeptieren. Sébastien hat das Talent, warum sollte er also nicht in der Formel 1 fahren, wenn ihm jemand die Chance gibt? Er dürfte jetzt sogar noch besser sein als vor drei Jahren. Aber er ist auch so glücklich mit Toyota und mit uns in der Formel E. Hier kann er Rennen und Titel gewinnen, das ist das Wichtigste.
Was würde Ihnen der Titelgewinn in der Elektro-Rennserie bedeuten?
Wir wollen beide Titel gewinnen (Fahrer- und Konstrukteure-Wertung, d. Red.). Wir haben Renault mit an Bord, wir haben ein paar grosse Sponsoren. Es ist sehr wichtig, ein Siegerteam zu sein. In den nächsten Jahren werden neue Hersteller dazu kommen. Wir müssen Gas geben, wir müssen jederzeit konkurrenzfähig sein. Wir werden nicht akzeptieren, Zweiter zu werden. Das wäre eine Enttäuschung.
Ihr Sohn Nicolas kann als Teamkollege bisher nicht mit Buemi mithalten. Ändert sich das diesen Samstag in Mexiko?
Er hatte ein paar technische Probleme. Die haben wir ausgebessert, es sollte für Nico jetzt okay sein. Ich denke, in Mexiko sollten die beiden Fahrer näher zusammenrücken. Aber wir müssen weiterentwickeln. Die Saison ist noch lange.
Wegen des Babys von Nico und seiner Délphine sind Sie nun Grossvater, Gratulation!
Danke vielmals.
Fühlen Sie sich jetzt älter?
Ich fühle mich gut und gewöhne mich langsam daran, Grossvater zu sein. Das ist nicht einfach… Aber es ist sehr schön.
Hören Sie jetzt mit aktivem Rennsport ganz auf?
Das habe ich bereits. Jetzt fahre ich nur noch Velo!
Auch keine Eisrennen mehr?
Nein, ich habe keine Zeit mehr dafür.
Es gibt seit 2008 keinen Formel-1-GP mehr im Frankreich. Ist das neue Formel-E-Rennen in Paris ein valabler Ersatz?
Das können wir nicht miteinander vergleichen. Du kannst einen ePrix in Paris organisieren, aber das war schon eine ziemliche Herausforderung. Ich habe auch mitgeholfen. Aber ein Formel-1-Rennen auf die Beine zu stellen ist nochmals eine ganz andere Welt.
Wo sehen Sie momentan das grösste Problem der Formel 1?
Sie ist nicht so schlecht. Die Leute beklagen sich, dass mit Mercedes ein Team dominiert. Aber es war schon immer so, dass ein Team dominant ist. Vielleicht muss wieder mehr die menschliche Seite in den Vordergrund rücken. Das Problem ist: Die Presse pickt sich immer nur einen Punkt heraus und kritisiert. Das ist sehr schlecht. Jeder hat eine Meinung, jeder kritisiert etwas. Von aussen sieht das dann so aus, dass alles schlecht ist.