Es ist der ganz normale Wahnsinn in Monaco. Rennwagen rasen durch die Häuserschluchten. Aber es ist nicht die Formel 1: Der berühmteste Grand Prix der Welt findet erst in zwei Wochen statt. Es ist die ABB Formel E, die sich im Wohnzimmer vom grossen Bruder austobt. Mit 340-Elektro-PS leise surrend statt mit über 900 Benzin-PS brachial lärmend – die junge, aufstrebende Rennserie mit den Elektromotoren tritt ausgerechnet in der Stadt an, wo die Königsklasse ihre Wurzeln hat. Näher können sich die beiden Serien nirgendwo sonst kommen!
Die Elektro-Liga wird immer professioneller, zieht immer mehr Autohersteller und Ex-F1-Piloten an: Kann sie es sogar in Monte Carlo schon mit der grossen Formel 1 aufnehmen? Ex-Sauber-Fahrer Pascal Wehrlein (24), jetzt in seiner ersten Elektro-Saison, macht keinen Unterschied zwischen Batterie und Benzin: «Ich habe schon als kleiner Junge davon geträumt, hier Rennen zu fahren. Jedes Mal wenn man nach Monaco zurückkehrt, lebt bei mir dieses Gefühl von neuem auf. Auch dieses Mal.»
Doch beim Eintages-Event im Stadtstaat ist es stiller als während des F1-Ausnahmezustands. Das liegt nicht nur an den leisen Boliden. Im Hafen liegen zwar wie immer einige der teuersten Jachten der Welt. Aber die wenigsten der Super-Reichen haben extra wegen der Formel E an der Cote d´Azur geankert. Die Tribünen sind nicht prall gefüllt wie im Champions-League-Final, sondern «eher wie bei Rapid Wien gegen Salzburg», wie ein Zaungast bemerkt. Obwohl die Tickets lediglich 30 Euro kosten. In der Formel 1 sind für einen Tribünenplatz mindestens 400 Euro fällig, ein Sitz beim Casino kostet sogar 1568 Euro!
Bei der ABB Formel E sitzt beim Casino niemand – es wird lediglich eine Kurzvariante der Originalstrecke genutzt, obwohl das beim dritten E-Auftritt im Fürstentum nach 2015 und 2017 dank der rasanten Batterie-Entwicklung nun möglich wäre. Aber Fia-Boss Jean Todt legte bei diesen Plänen sein Veto ein. Der Weltverband will den Direktvergleich vermeiden. Auch 2017er Elektro-Weltmeister Lucas di Grassi (34) sagt: «Die Formel E ist ein völlig anderes Konzept. Wir vergleichen die Formel 1 ja auch nicht mit der Rallye-WM.»
Trotzdem wäre der Brasilianer liebend gerne die F1-Piste gefahren. Er glaubt, noch einen Grund für das Fia-Veto zu kennen: «Wir wären zwar 10 oder 20 Sekunden langsamer. Aber in der Formel 1 ist hier Überholen unmöglich. Die Formel E würde auf der Originalstrecke viel mehr Spektakel bieten.»
Halbe Strecke – halber Glamour. Auf der VIP-Liste stehen neben Fürst Albert II und den Wahl-Monegassen Nico Rosberg und Flavio Briatore nur noch einige Schauspielerinnen und Männermodels. Und bei einigen Teams wie Sébastien Buemis Nissan-Rennstall werden Gäste und Kunden sogar bewusst nicht eingeladen: Zum Jedermann-Image von Nissan passt das mondäne Fürstentum nicht. Die Formel E braucht Monaco nicht als Saison-Highlight wie die Formel 1, sie fährt per Definition nur auf Stadtkursen und an Orten wie Paris, Rom, Bern oder New York. In zwei Wochen ist es Berlin – dann, wenn die Formel 1 durch Monaco rast und die Stadt dann wirklich unter Strom setzt.