Man kann auch heute noch fast nicht hinschauen. Auch wenn man weiss, dass es Sophia Flörsch gut geht, sie wieder über die Strecken rast und sich grosse Ziele setzt. Es war der 18. November 2018. Mit Tempo 273 hob die 17-jährige Deutsche in ihrem Formel-3-Wagen ab, knallte rückwärts in und durch den Zaun und landete schliesslich in den Bunker der Fotografen.
Absolut tödlich, aber Sophia hatte Schutzengel, viele Schutzengel. Sie erlitt eine Fraktur des siebten Halswirbels und wurde elf Stunden operiert. Dass sie kurz vor einer Querschnittlähmung stand, erfuhr sie erst nach gelungener Operation. «Die Ärzte und mein Vater haben mich ein bisschen ferngehalten von dem Ausmass der Verletzungen», erzählt sie der Welt am Sonntag. «Den Unfall im Video zu sehen, ist krass, das sieht schlimm aus. Es hätte anders ausgehen können.»
Nach vier Monaten Reha sass Flörsch bereits wieder in einem Rennwagen. Und im November 2019 fuhr sie wieder auf der Strecke des Unglücks, den Stadtkurs in Macau. «Ich geniesse es, wenn ich im Auto sitze», sagt sie. «Der Unfall hat nichts daran geändert.»
«Aufhören, das passt nicht zu mir»
Je öfter sie sich das Video des Unfalls angeschaut habe, desto leichter sei ihr der Entscheid gefallen, weiterzufahren. Jetzt erst recht. Sie setzte sich neue, selbstbewusste Ziele. «Ich bin einfach noch nicht da, wo ich hin möchte. Ich will in die Formel 1, ich will dort erfolgreich sein, ich möchte Weltmeisterin werden. Ich habe 14 Jahre meines Lebens in dieses Projekt investiert – und nur wegen eines Unfalls zu sagen, ich höre auf – das passt nicht zu mir».
Also fährt sie wieder los und auch gegen die Vorurteile und Zweifler. Gegen die weit verbreitete Männer-Meinung, dass es für eine Frau körperlich zu anstrengend sei, Formel 1 zu fahren. «Das ist komplett falsch», schimpft Flörsch, «Leclerc ist letztes Jahr in Suzuka eine der schnellsten Kurven in der Formel 1 Vollgas gefahren und das mit einer Hand. Und das soll eine Frau nicht können? Doch, kann sie.»
Wumm, diese Frau ist nicht zu bremsen. Ihr nächstes Highlight sollen die legendären 24 Stunden von Le Mans werden, die wegen Corona auf September verschoben worden sind. Und sie hofft, dass sie noch dieses Jahr wieder Formel-3-Rennen fahren kann. Runde für Runde tastet sich die Münchnerin an ihr grosses Ziel heran: Die Formel 1, wo sie einst ganz oben stehen möchte, als Weltmeisterin.