«Weinen hilft gegen Einsamkeit»
Diese Schweizerin rudert alleine über den Atlantik

Als einzige Frau startet Gabi Schenkel in
 der Solo-Kategorie des härtesten Ruderrennens der Welt. Nächste Woche geht das grösste Abenteuer ihres Lebens los.
Publiziert: 04.12.2019 um 09:09 Uhr
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Aktualisiert: 10.12.2019 um 13:53 Uhr
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Gabi Schenkel will alleine über den Atlantik rudern.
Foto: BENJAMIN SOLAND
Matthias Dubach (Text) und Benjamin Soland (Fotos)

Das grosse Wasser hat sie beim Blick aus dem ­Stubenfenster und von ihrem Balkon vor Augen: Gabi Schenkel (42) schaut von ihrer ­Wohnung in Au ZH direkt auf den Zürichsee. «Doch, der See kommt mir immer noch gross vor», sagt sie. Erstaunlich: Denn im Vergleich zum mächtigen ­Atlantik schrumpft der Zürichsee auf die Grösse eines ­Tümpels zusammen!

Der Atlantik – ihn hat die ­mutige Zürcherin jetzt vor ­Augen. Schenkel überquert ihn ab nächster Woche. In einem ­Ruderboot. Muttersee­len­allein. Ohne Helfer-Beiboot. Unfassbare 4723 km quer über den Ozean, von La Gomera auf den Kanaren bis nach Antigua in der Karibik. Die Renndauer? Von 40 oder 50 Tagen bis zu drei Monaten ist alles möglich. Das Mentale ist wichtiger als Muskelkraft.

Schenkel ist beim härtesten Ruderrennen der Welt die ­einzige Frau in der Solo-Klasse. Neben ihrem Projekt «The Swiss 1s» gehen am 12. Dezember nur noch sechs Männer solo an den Start der Atlantic Challenge. Die restlichen der 34 Boote sind mit zwei bis fünf Personen bestückt.

Von E-Trotti angefahren

In acht Tagen gibts kein ­Zurück mehr. Die selbständige Osteopathin aus Au und die zwei anderen Schweizer Teams (siehe Box unten) rudern aufs Meer hinaus. Sie alle sind bereits auf La Gomera und bereiten sich auf die Herausforderung vor.

Schenkel ist aber mit ­geschwollenen Zehen angereist. Vor zwei Wochen wurde sie in Zürich von einem Elektro-­Trotti-Deppen angefahren, der ein Rotlicht ignoriert und ­Fahrerflucht begangen hat. Gabi hat Glück im Unglück: Ein Zeh ist nicht wie befürchtet ­gebrochen. Sie sagt: «Der Fuss schmerzt noch, aber das wird mich nicht hindern, Vollgas zu geben!»

Die Zürcher Abenteuerin ist entspannt. Zweifel, ob sie es als Solo-Frau überhaupt ins Ziel schafft, lächelt sie weg. «Die grösste Arbeit ist gemacht. Die Vorbereitung ist extrem intensiv», sagt Schenkel. Da ist einerseits das Training. Andererseits die ganze Organisation des ­Projekts ­inklusive Sponsoren­suche für das 150'000-Franken-­Budget. «Wenn ich nach dem Rennen mein Boot wieder ­verkaufen kann, komme ich dank den Sponsoren auf eine schwarze Null», sagt die Atlantik-Ruderin.

Training auf dem Zürichsee und in Holland

Als Ultramarathonläuferin bringt sie viel Leidensfähigkeit und Durchhaltewillen mit. Aber rudern ist neu für sie. Gabi trainiert viel auf dem Zürichsee – auch in der Dunkelheit, weil auf dem Atlantik auch nachts gerudert wird – oder daheim auf dem Ergometer.

Sie trainiert auch auf dem Meer mit ihrem Boot, das sie in Holland für 85'000 Franken bei einer Atlantik-Legende bauen liess: Wunder-Ruderer Mark Slats beendete das Rennen 2017 mit der Solo-Weltrekorddauer von nur 30 Tagen. Jetzt ist Slats mit seiner Dutch-Ocean-Firma Teil von Schenkels Projekt. Als Bootsbauer und als eine Art Trainer. Im August lebte Gabi zur Vorbereitung in Holland den ganzen Monat auf ihrem Aluminiumboot namens Miss Universe.

«Ich kenne das Alleinsein»

Nun lernt sie bald die grosse Einsamkeit kennen. «Ich kenne das Alleinsein vom Privaten und von den Marathons», sagt die Single-Frau. «Aber ich fühle mich auf dem Boot weniger alleine als in einer überfüllten S-Bahn, wo keiner redet. In der Zivilisation wird einem Gesellschaft oft nur vorgegaukelt. Da bin ich lieber wirklich alleine», sagt Schenkel.

Sie wird ihre Tage auf dem Meer strikt aufteilen. Nur vier Stunden Schlaf von 1 bis 5 Uhr nachts. Dann folgen Ruderschichten von jeweils 2,5 bis 3 Stunden mit jeweils 30- bis 60-minütigen Unterbrechungen für Wasseraufbereitung, Kochen, Essen, Körperhygiene, Koordinaten- und Wetter-Check, Reparaturen, Kommunikation mit der Rennleitung und als Teil eines medizinischen Forschungsprojekts sogar die tägliche Datenübermittlung in die Zürcher Universitätsklinik Balgrist.

Gibts das grosse Geburtstags-Geschenk?

An Weihnachten alleine auf dem Meer. An Silvester alleine. Tage und Wochen alleine. «Mein Rezept gegen die Einsamkeit? Einfach mal weinen. Und dann wieder auf das Hier und Jetzt fokussieren», sagt Schenkel.

Das Energiebündel träumt davon, an ihrem Geburtstag am 26. Januar nach 45 Tagen bereits im Ziel zu sein. «Das ist fast unmöglich, aber wer weiss!», sagt Schenkel. Wer als Frau alleine übers Meer rudert, hat das Wort «unmöglich» sowieso längst aus dem Wortschatz gestrichen.

Atlantik-Abenteuer mit drei Schweizer Booten

Die seit 1997 durchgeführte «Talisker Whisky Atlantic Challenge» gilt als härtestes Ruderrennen der Welt und führt von La Gomera (Kanaren) nach English Harbour auf Antigua in der Karibik. 4723 km lang ein Kampf gegen die Uhr, meterhohe Wellen, das Wetter, den Schlafmangel und die Psyche! In den Booten sitzen zwischen einer und fünf Personen. Die Teilnehmer benötigen für die Überfahrt rund 1 Million Ruderschläge, essen aufgekochtes Astronauten-Essen, trinken täglich 10 Liter aus dem Meer gewonnenes Wasser und verlieren bis ins Ziel rund 10 kg Körpergewicht. Helfer-Beiboote sind verboten. Die Yachten der Rennleitung greifen nur bei Lebensgefahr ein. Die Weltrekordzeit beträgt 29 Tage.

In der Schweiz löste der Männer-Vierer «Swiss Mocean» mit dem sensationellen 3. Rang 2017/18 einen kleinen Atlantik-Boom aus. Zwei Jahre danach sind drei Schweizer Boote am Start. Neben Solo-Ruderin Gabi Schenkel ist es das Frauen-Team «Swiss Ocean Dancers» und das Zürcher Männer-Duo Florian Ramp und Dominic Schaub, zwei Athleten aus der Rudersektion von GC. Beim Frauenquartett ist mit Tatiana Baltensperger die Mutter von Luca Baltensperger dabei, der 2017 mit seinen drei Kollegen das Mega-Abenteuer bewältigte. Mit Tatiana sitzen Astrid Schmid, Sandra Hönig und Carla Lemm im Boot. Neben den drei Schweizer Booten stammt von 34 Crews nur noch der österreichische Solo-Ruderer Dewey Fankhauser aus einem Binnenland. Die meisten Teams kommen aus Grossbritannien.

Die seit 1997 durchgeführte «Talisker Whisky Atlantic Challenge» gilt als härtestes Ruderrennen der Welt und führt von La Gomera (Kanaren) nach English Harbour auf Antigua in der Karibik. 4723 km lang ein Kampf gegen die Uhr, meterhohe Wellen, das Wetter, den Schlafmangel und die Psyche! In den Booten sitzen zwischen einer und fünf Personen. Die Teilnehmer benötigen für die Überfahrt rund 1 Million Ruderschläge, essen aufgekochtes Astronauten-Essen, trinken täglich 10 Liter aus dem Meer gewonnenes Wasser und verlieren bis ins Ziel rund 10 kg Körpergewicht. Helfer-Beiboote sind verboten. Die Yachten der Rennleitung greifen nur bei Lebensgefahr ein. Die Weltrekordzeit beträgt 29 Tage.

In der Schweiz löste der Männer-Vierer «Swiss Mocean» mit dem sensationellen 3. Rang 2017/18 einen kleinen Atlantik-Boom aus. Zwei Jahre danach sind drei Schweizer Boote am Start. Neben Solo-Ruderin Gabi Schenkel ist es das Frauen-Team «Swiss Ocean Dancers» und das Zürcher Männer-Duo Florian Ramp und Dominic Schaub, zwei Athleten aus der Rudersektion von GC. Beim Frauenquartett ist mit Tatiana Baltensperger die Mutter von Luca Baltensperger dabei, der 2017 mit seinen drei Kollegen das Mega-Abenteuer bewältigte. Mit Tatiana sitzen Astrid Schmid, Sandra Hönig und Carla Lemm im Boot. Neben den drei Schweizer Booten stammt von 34 Crews nur noch der österreichische Solo-Ruderer Dewey Fankhauser aus einem Binnenland. Die meisten Teams kommen aus Grossbritannien.

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