Sport 164
1955 bis 31. Mai 2023
«Man sieht die Sonne langsam untergehen und erschrickt doch, wenn es plötzlich dunkel ist.»
Franz Kafka
Traurig nehme ich Abschied von der geliebten Telefonnummer 164. Du hast mir und vielen anderen jahrzehntelang die Treue gehalten. In guten wie in schlechten Zeiten. Als du noch jung und fit warst, haben pro Jahr über 10 Millionen Anruferinnen und Anrufer Hilfe bei dir geholt und dir aufmerksam zugehört, wie du uns die aktuellen Sportresultate vorgetragen hast. Doch in den letzten Jahren hast du leider stark abgegeben und es wollten jährlich nur noch 200’000 Leute hören, wie es dir geht. Nun bist du gegangen. Für immer.
Schon in den 90er-Jahren ging es dir nicht mehr so gut. Du lagst damals auf dem Sterbebett, weil die PTT keine Lust mehr auf dich hatten und dich einfach fallenliessen. Doch dann hast du dich wieder aufgerappelt. In den letzten Jahren aber wurdest du immer einsamer und littest zunehmend unter Altersarmut.
«Die gescheiteste Nummer, die es gibt»
Anfang des Jahres dann der nächste Schock. Weil neu Kurznummern nur noch den Notfalldiensten vorbehalten sind, wurde aus dir, der geliebten 164, die sperrige 0900 164 164. Ein Schicksalsschlag, von dem du dich nicht mehr erholen konntest. Du hattest in den letzten Monaten einfach nicht mehr die Kraft, dich gegen das Internet und den Zahn der Zeit durchzusetzen.
Doch ich bin mir sicher: Du möchtest nicht, dass wir zu sehr um dich trauern. Lass uns die schönen Momente in Erinnerung behalten. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich als Kind in Bellwald in den Skiferien war und ich dich jeweils spätabends noch anrufen durfte, um zu erfahren, wie die Eishockeyspiele ausgingen. Oder wie ich dich 1996 aus dem Zürcher Shopville aus einer Telefonzelle anwählte und so erfuhr, dass Borussia Dortmund bereits einen Spieltag vor Saisonende Meister wurde. Nicht zu Unrecht hat die Schweizer Film-Legende Maximilian Schell einst von der «gescheitesten Nummer, die es gibt» gesprochen. Gibt es ein schöneres Kompliment für dich, liebes «Hundertvieresächzgi»?
Trost finde ich beim Teletext
Für Nostalgiker ist dein Tod der zweite Schicksalsschlag innerhalb von wenigen Monaten. Ende des letzten Jahres starb in der Schweiz schon das gedruckte Telefonbuch.
Trost in diesen schwierigen Zeiten finde ich beim Teletext. Möge dieser noch möglichst lange leben.
In lieber Erinnerung: Daniel Leu und alle anderen, die die 164 für immer im Herzen tragen werden.
Traueradresse: daniel.leu@ringier.ch