Darum gehts
Was ist passiert?
Nach nur einer Teilnahme am America’s Cup zieht sich das Schweizer Team Alinghi Red Bull Racing schon wieder von der legendären Segel-Regatta zurück. Die Rennen 2027 um die älteste Sport-Trophäe der Welt werden nun ohne die Genfer stattfinden, die 2003 und 2007 gewonnen hatten und dann nach einer Pause in einer neuen Partnerschaft mit Red Bull Racing auf 2024 hin wieder zurückgekehrt sind. Der Rückzug sickerte am Karsamstag durch, die meisten bisherigen Teammitglieder wussten nichts von den Plänen und sind gemäss Blick-Informationen geschockt.
Warum ist der Rückzug überraschend?
Ganz einfach: Weil er eigentlich absurd ist. Das Comeback von Alinghi beim America’s Cup war darauf ausgelegt, dass 2024 mit der Kategorie der fliegenden Highspeed-Boote ein Lernjahr wird, danach wollte man genug Knowhow haben, um 2027 ernsthaft um den Triumph zu fahren. Alinghi-Boss Ernesto Bertarelli sprach selber stets von mindestens zwei Teilnahmen, auch die Kooperation mit Red Bull war daraus ausgelegt. Gerade auch im Frauen- und Nachwuchs-Programm hatten sich viele Teilnehmenden Hoffnungen auf eine langfristige Anstellung gemacht.
Was ist die Erklärung?
Die Schweizer nennen in einem Statement, das Blick vorliegt, die grossen Differenzen mit den Neuseeländern als Hauptgrund. Dazu muss man wissen: Im America’s Cup obliegt die gesamte Regatta-Organisation und die Bestimmung der Regeln dem siegreichen Team. Da Team Neuseeland den Cup 2024 vor Barcelona gewonnen hat, haben die Kiwis das Sagen für die Ausgabe 2027. Alinghi teilt mit: «Trotz all unserer Bemühungen ist es uns nicht gelungen, mit dem Titelverteidiger eine Einigung über die Zukunft des Events zu erzielen. Wir hätten uns mehr Verantwortlichkeit, mehr Transparenz und neue Möglichkeiten gewünscht, nicht nur individuell, sondern als Gruppe Leistung zu erbringen. Auf diese Weise hätten wir vielleicht alle zusammen eine kommerziell tragfähige Veranstaltung auf die Beine stellen können, die weltweite Fernsehübertragungen, Zuschauer und Sponsoren anzieht.»
Im Klartext: Die Genfer wünschten sich bei der Aufgleisung der nächsten Austragung mehr Mitspracherecht. Nicht zuletzt hätte das Spektakel verbessert werden sollen, viele Rennen 2024 waren stinklangweilige Prozessionen. Doch ein offenes Ohr sei bei den Kiwis nicht erhältlich gewesen: «Mit grosser Enttäuschung haben wir deshalb mit der geordneten Auflösung des Alinghi Red Bull Racing Teams begonnen.»
Was sagen die Neuseeländer?
Boss der Kiwis ist Grant Dalton (67), ein Segel-Haudegen der alten Schule. Er äussert sich nun in Neuseeland folgendermassen in einem Statement: «Ich bin überrascht von der Nachricht.» Dann lässt Dalton durchblicken, dass er womöglich das sportlich magere Abschneiden der Schweizer beim Comeback (fünftbestes unter sechs Teams) für den wahren Abgangsgrund hält. «Es ist offensichtlich, dass sie Schwierigkeiten haben, sich von ihrer glanzlosen Leistung im Oktober in Barcelona zu erholen und sich eine Chance auf den Sieg beim nächsten America’s Cup zu verschaffen.»
Ist die Nationenregel der wahre Grund für den Blitz-Ausstieg?
Möglich ist es, bestätigt nicht. Der Hintergrund: Die Triumphe 2003 und 2007 hatten die Schweizer mit den weltbesten Seglern aus dem Ausland bewerkstelligt. Nun gilt aber die Nationenregel, beim Comeback 2024 musste die ganze Crew aus der Schweiz stammen. Die war aber trotz viel Talent zu wenig abgezockt, um gegen die weltbesten Steuermänner zu bestehen. Die Alinghi-Bosse wollten künftig wieder Ausländer engagieren dürfen – die Neuseeländer als Regelhüter blockten ab. Respektive, boten lediglich eine Aufweichung an, dass neu zwei Ausländerplätze für die Ausbildung der Segeltalente erlaubt gewesen wäre. Für Bertarelli war das wohl ein inakzeptabler Deal.
Was ist die Rolle von Red Bull?
Irgendwo einsteigen und rasch wieder verduften, entspricht eigentlich gar nicht der Bullen-Philospohie im Spitzensport. Doch da Alinghi Red Bull Racing ein Joint-Venture mit jeweils 50 Prozent Anteilen war, muss nun aber auch Red Bull hinter dem Ausstieg stehen. Doch als die Partnerschaft besiegelt wurde, stand noch Bullen-Boss Didi Mateschitz (†78) als riesiger Segel-Fan dahinter. Doch seit dem Tod des Patrons 2022 werden intern enorme Ausgaben wie für einen America’s Cup – das Teambudget betrug wegen der Bootentwicklung auf Formel-1-Niveau verrückte 150 bis 200 Millionen Euro – kritischer als auch schon beäugt.
Warum kommt uns das Theater bekannt vor?
Zoff unter den Teams um die Rahmenbedingungen der nächsten Austragung gehört zur America’s-Cup-Geschichte dazu wie das Salzwasser. Beim ersten Ausstieg von Alinghi, die Genfer zogen sich nach 2010 zurück, wurde der erbitterte Streit sogar vor den Gerichten ausgetragen.
Was macht Alinghi nun in Zukunft?
Das Team existiert seit 1991 und hat seither an unzähligen Regatten teilgenommen, der America’s Cup war jeweils einfach die prestigeträchtigste davon. Die «NZZ» spekuliert nun aber, dass Boss Bertarelli sein Team womöglich ganz aufgeben könnte – und sich dafür bei der boomenden SailGP-Serie engagieren könnte.
Wie geht es jetzt mit dem America’s Cup weiter?
Der Ausstieg von Alinghi Red Bull ist ein harter Schlag. Denn zuvor waren bereits die Briten von Ineos ausgstiegen, auch wenn Star-Steuermann Ben Ainslie mit dem britischen Athena-Team weitermachen will. Neben Titelverteidiger Neuseeland hat sich bisher nur die italienische Luna-Rossa-Equipe für 2027 verpflichtet. Im Sommer wollen die Neuseeländer den Veranstaltungsort bekannt geben: Neben Jeddah (Saudi-Arabien) kommen offenbar auch Neapel (Italien), Valencia (Spanien) oder auch Portsmouth (England) in Frage.
Was ist nun das nächste Schweizer Segel-Highlight?
Die boomende SailGP-Serie mit brutal schnellen Katamaranen, sonst weltweit an Meeresküsten am Start, kommt auf den Genfersee. Am 20./21. September gehts vor Genf zur Sache. Die Schweiz hat auch ein Team. Mit dabei sind Arnaud Psarofaghis und Bryan Mettraux, 2024 mit Alinghi am America’s Cup, aber auch Top-Olympia-Segler wie Arno Del Planta, Sébastien Schneiter und Maud Jayet.