Schweizer Solo-Weltumsegler Alan Roura
«Natürlich vermisse ich auf dem Boot auch Sex»

Der Segel-Wahnsinn hat einen Namen: Vendée Globe. Der Genfer Abenteurer Alan Roura bereitet in der Bretagne seine zweite Solo-Weltumrundung vor.
Publiziert: 10.09.2018 um 17:24 Uhr
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Aktualisiert: 24.09.2018 um 10:30 Uhr
Roura will zum zweiten Mal um die Welt segeln
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Die Vorbereitungen des Genfers auf die Vendée Globe:Roura will zum zweiten Mal um die Welt segeln
Matthias Dubach aus Lorient

Es ist eigentlich die perfekte ­Umgebung für Alan Roura (25). Diesen Teil des Hafens von Lorient (Fr) dominieren die ­gigantischen Betonbunker für ­Nazi-U-Boote aus der Besatzungszeit des 2. Weltkriegs. Angesichts der hässlichen Kolosse kommt hier keine Urlaubsstimmung auf.

Und Roura ist nicht für Ferien in Lorient. Der Genfer Segler arbeitet in Frankreich auf sein grosses Ziel hin: die Vendée Globe, die ­härteste Einhandregatta der Welt. Einmal rund um den ­Erdball. Rund 45' 000 Kilometer einsam auf einem Segelboot. Überleben ist schon ein Sieg. «Es mag sein, dass ich ein Masochist und ein wenig ­verrückt bin», sagt Roura. «Aber das ist mein Leben. Ich kann nicht ohne das Adrenalin leben. Mich reizt das Aben­teuer, das Verschieben von Grenzen.»

Viele Gefahren auf dem Meer

Irgendwo am Ufer anlegen oder fremde Hilfe in Anspruch nehmen ist verboten. Wer ­unterwegs sein Boot reparieren muss, kommt vielleicht erst nach 100 oder 120 Tagen wieder am Start­ort in Frankreich an. Oder nie. Der Tod segelt bei der Vendée Globe mit. Zwei Tote gabs bisher bei acht Austragungen.

Rund die Hälfte gibt jedes Mal auf, zermürbt vom ­brutalen Wetter, vom Schlafmangel, von Kollisionen mit herumtreibenden Containern oder gebrochenen Masten. Nur eine Handvoll Segler sind alle vier Jahre mutig genug, diesen «Mount Everest des Meeres» in Angriff zu nehmen.

Roura macht 2020 den Segel-Wahnsinn zum zweiten Mal mit. 2016/17 wurde er als 23-Jähriger als jüngster Teilnehmer Zwölfter, 105 Tage war er unterwegs. «Damals war ich ein ahnungsloses Kind», sagt er lachend. «Jetzt bereite ich mich richtig vor.»

Roura schläft oft nur 20 Minuten am Stück

Der Genfer kennt die Leiden, die Dauerfeuchtigkeit in der Kabine und die monatelange Einsamkeit – trotzdem will er alles nochmals durchmachen. «An die Müdigkeit gewöhnt man sich. Man kommt in 24 Stunden auf 4 bis 5 Stunden Schlaf. Mal eine Stunde am Stück, meistens aber 10 oder 20 Minuten. Der menschliche Körper ist stark», sagt Roura.

Gibts keinen Sekundenschlaf? «Nein. Aber man denkt sehr langsam. Einen Arbeitsschritt zu planen, dauert ewig.»

Dazu kommt die Monotonie mit dem «Astronauten-Essen», aufkochbares Pulver. «Für ein Steak mit Pommes frites würde ich zeitweise alles geben. Oder für eine Cola mit Eis und Zitrone. Man vermisst die ­einfachen Dinge, natürlich auch die ­Familie, Freunde und die ­Freundin», schildert Roura.

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Alan Roura bereitet sich in der Bretagne auf die Vendée Globe vor.
Foto: Keystone / LAURENT GILLIERON

Vermisst der Segel-Abenteurer auch eine gewisse Zweisamkeit? «Oh ja, man ­vermisst auch Sex. Du kommst an einen Punkt, wo du es vergisst. Aber in den ersten zwei Monaten denkst du manchmal: ‹Oh mein Gott, das ­Rennen geht noch sooo lange …›»

Wenigstens ist Freundin Aurélia (30) an Land stehts an Alans Seite. Die Französin ist in seinem Team «La Fabrique» als ­Medienbetreuerin angestellt. Die nächste Trennung wartet diesen November.

Roura fährt zur Vendée-Globe-Vorbereitung das Transatlantikrennen «Route du Rhum» von Frankreich in die Karibik. «Das ist ein Sprint», sagt er und meint es ernst. «Aber eine gute Simulation. Denn das Härteste sind immer die ersten zwei Wochen. So lange ­dauert es, bis man alles vom Land wirklich hinter sich gelassen hat.»

«Ich ging nur einen Tag zur Schule»

Roura fährt nun ein modernes Boot. Noch kein siegfähiges, das fast 6 Millionen Franken kosten würde. Es kann dank Trageflächen (Foils) übers Wasser «fliegen».

Der welsche Gebäckhersteller «La Fabrique» ­finanziert mit rund 4 Millionen Rouras Projekt in Lorient. In der Werkstatt und im Büro wird getüftelt, wie das Boot besser, schneller und sicherer gemacht werden kann.

«Von mir aus könnte es morgen losgehen statt erst in zwei Jahren», sagt Roura, der auf dem Wasser ­aufwuchs. Zuerst lebt die Familie auf dem Genfersee, danach ­schippern die Rouras im Segelschiff während Jahren um die Welt. Die Mutter unterrichtet ­Klein Alan. «Ich ging nur einen Tag zur Schule: in Venezuela!»

Für den Todesfall hat er Abmachungen getroffen

Trotz Segler-Familie ist sein ­erster Berufswunsch Koch, ­danach sollte es etwas mit Holz sein. Doch dann wurde er Segler wie sein ­Vater – und fährt solo um die Welt. Die ­Familie bleibt besorgt zurück.

«Es gibt kein ­Testament. Aber man trifft für den Fall, dass man nicht zurückkehrt, gewisse Abmachungen. Es ist ein schwieriges Thema, aber es braucht auch für diesen Fall Lösungen», sagt Roura offen.

Der Sonnyboy macht aber auch klar: Auf dem Boot fühlt er sich ­sicher. Wer ihn am Ruder und an den Bordcomputern arbeiten sieht, glaubt ihm aufs Wort. Auch, dass er sich einmal eine Rallye-­Dakar-Teilnahme als Rennfahrer vorstellen kann!

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Die verrückten Segel-Rennen

Die Weltumseglungs-Regatta Vendée Globe ist das härteste Solo-Segelrennen der Welt und findet 2020 statt. Start und Ziel ist im französischen Les Sables-d'Olonne. Die Route ist rund 45'000 Kilometer lang, führt durch den Atlantik und das Polarmeer. Roura brauchte bei seiner ersten Teilnahme 105 Tage (Rang 12), der Sieger 74 Tage. Zur Vorbereitung bestreitet der Genfer ab dem 4. November die «Route du Rhum». Die Solo-Atlantik-Überquerung führt über 6500 km von Saint-Malo (Frankreich) nach Guadeloupe in der Karibik. Der Sieger 2010 brauchte 10 Tage, Roura rechnet mit 14.

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