Sie sieht die Monsterwelle kommen. Mit einem Schrei lässt sie die Ruder los und versucht, sich links und rechts an der Reling festzuklammern. Aber der Ozean ist stärker. Das Boot kentert. Unsere Atlantik-Ruderin Gabi Schenkel (42) spült es von Bord.
Doch dann taucht die Zürcherin am Bootsrand auf, sie kann sich wieder ins Boot reinziehen. Nass und geschockt – aber am Leben.
Es sind beeindruckende Bilder, die uns via Social Media von Schenkels «The Swiss 1s»-Schiffchen erreichen. Gabi ist bei der verrückten Atlantic Challenge, dem härtesten Ruderrennen der Welt, die einzige Frau in der Solo-Klasse. Vor einem Monat ist sie mit 34 anderen Booten auf den Kanaren zur verrückten 4723-km-Überquerung des Atlantiks gestartet. Noch immer liegt sie im Rennen vor einem Solo-Mann und einem Frauen-Duo.
Als die Monsterwelle sie erwischt, ist Gabi mutterseelenalleine 1800 km vom Starthafen und etwa 3200 km vom Ziel in der Karibik entfernt.
Anketten oder sterben
Da draussen über Bord zu gehen und es nicht mehr ins Boot zu schaffen, wäre der sichere Tod. Die Rennleitung begleitet zwar mit Yachten die Flotte. Aber selbst bei einem Notfall können mehrere Tage bis zum Eintreffen von Rettern vergehen.
Deshalb «ketten» sich alle Challenge-Ruderer als Lebensversicherung mit Seil und Karabiner ans Boot. Gabi sagte schon vor dem Start: «Ich werde mich immer einhängen. Selbst in der Kabine, wenn ich schlafe.»
Je nach Tätigkeit auf dem Boot kann die mutige Atlantik-Ruderin verschiedene Seillängen wählen. Nach dem Schock meldet sie: «Zum Glück war ich mit der kurzen Leine gesichert und habe es deshalb wieder rasch an Bord geschafft. Ich bin okay, aber nass und durchgeschüttelt. Ich werde am nächsten Tag wieder bei Kräften sein. Jetzt muss ich mich zuerst wieder sammeln.»
Dabei stellt Schenkel fest: Beim Kentern ist ein Ruder gebrochen. Schon das zweite im Rennen. Jetzt hat sie vor Renn-Halbzeit kein Ersatzruder mehr!
Sieger-Team vermutlich am Dienstag im Ziel
Gabis aktuell prognostizierte Zielankunft ist der 3. März. Schneller sind natürlich die Männer-Vierer: Ein Briten-Quartett führt klar und wird nächsten Dienstag als Sieger auf Antigua erwartet. Unser Frauen-Vierer «Swiss Ocean Dancers» belegt Rang 18 – der Zürcher Florian Ramp, der nach der seekrankheitsbedingten Evakuation von Kollege Dominic Schaub alleine weiterrudert, hält im Feld der sieben Duo-Boote noch immer Rang 5.