Sie ist vierfache Weltmeisterin und gewann schon sechs EM-Medaillen, trotzdem sagt sie Sätze wie: «Zum Glück haben meine Eltern eine Ferienwohnung, denn eine Woche Urlaub in einem Hotel könnte ich mir zurzeit nicht leisten.» Oder: «Ich kann mir nichts auf die Seite legen. Nur die Säule 3a fülle ich. Das muss ich auch, sonst hätte ich später mal ein richtiges Problem.»
In unserer Blick-Serie schauen wir in die Portemonnaies von Schweizer Sportlerinnen und Sportlern. Was verdienen sie? Welche Ausgaben müssen sie selber berappen? Und wie finanzieren sie ihr Leben? Einblicke, die nachdenklich machen, denn Athletinnen und Athleten – insbesondere aus Randsportarten – haben es hierzulande nicht leicht, über die Runden zu kommen, wie unser grosser Kassensturz eindrücklich aufzeigt.
In unserer Blick-Serie schauen wir in die Portemonnaies von Schweizer Sportlerinnen und Sportlern. Was verdienen sie? Welche Ausgaben müssen sie selber berappen? Und wie finanzieren sie ihr Leben? Einblicke, die nachdenklich machen, denn Athletinnen und Athleten – insbesondere aus Randsportarten – haben es hierzulande nicht leicht, über die Runden zu kommen, wie unser grosser Kassensturz eindrücklich aufzeigt.
Die Frau, die das sagt, heisst Anja Senti, stammt aus dem Kanton Bern, ist 27 Jahre alt und zählt zu den erfolgreichsten Sportschützinnen der Schweiz. Hier öffnet sie ihr Portemonnaie und beantwortet die Frage, was eine Schweizer Weltmeisterin in einer Randsportart wirklich verdient – und was eben nicht. Wichtig ist ihr: «Ich will nicht jammern. Mir geht es ja gut, aber ich will aufzeigen, dass ich als Sportschützin sehr auf mein Geld achten muss.»
Ihr Budget
2023 betrug das Sport-Jahresbudget von Anja Senti rund 35’000 Franken. «Ende des Jahres hielten sich Einnahmen und Ausgaben ziemlich genau die Waage. Mein Problem: Je mehr ich trainiere, desto höher werden meine Auslagen», erklärt sie.
Senti arbeitet zu 50 Prozent als diplomierte Architektin bei der Bautec AG. «Mit diesem Lohn bestreite ich meinen Lebensunterhalt, dazu zählen unter anderem die Miete, die Versicherungen und die Lebensmittelkosten.»
Ihre Einnahmen
Eigene Sponsoren: Senti hat zurzeit sechs private Sponsoren, die für 2024 zusammen etwa 10’000 Franken bezahlen. «Mit manchen habe ich Ein-, mit anderen Dreijahresverträge. Ende des Jahres laufen gleich mehrere aus. Diese zu verlängern oder neue Sponsoren zu finden, bedeutet für mich und mein Management zusätzliche Arbeit.»
Gönner: Von der Gönnervereinigung der Schützen-Nationalmannschaft erhält Senti pro Jahr 1700 Franken.
Preisgelder: «Bei meinen Disziplinen, an denen ich zurzeit starte, gibt es pro Jahr nur eine Chance: die beim Europacupfinal. Dort erhält die Siegerin 2400 Euro, die Zweite 1000 und die Dritte 700. Da ich aber 2023 nur Vierte wurde, ging ich leer aus. Bei allen anderen Wettkämpfen werden keine Preisgelder ausgeschüttet.»
Leistungsprämien: Die gibt es sowohl von Swiss Olympic als auch von Swiss Shooting. Von Swiss Olympic erhielt sie für ihren WM-Titel 2023 (50 m liegend Einzel) 3000 Franken, für Team-Gold (auch 50 m liegend) 2000 Franken. Von Swiss Shooting bekam sie für WM-Gold 906 Franken und für die drei WM-Medaillen im Team je einmal 450 und zweimal 90 Franken.
Militär: Ihre Abwesenheit im Büro wird mit EO-Beiträgen verrechnet (Erwerbsersatzordnung). Ist sie zum Beispiel in einem Trainingslager, wird das wie ein WK gehandhabt. Wie viel sie effektiv kriegt, ist abhängig von ihrem Einkommen und weiteren Faktoren. 2023 war das ein fünfstelliger Franken-Betrag und damit ein enorm wichtiger Einnahmeposten in ihrem Budget. «Ohne Militär wäre das alles gar nicht möglich.»
Was sie nicht bezahlen muss
Trainer/Physio: Nationaltrainer Fabio Sciuto steht ihr kostenlos zur Verfügung. Das Gleiche gilt auch für den Verbandsphysio, den sie aber bislang noch nie in Anspruch genommen hat. «Ich arbeite zusätzlich noch gelegentlich mit meinem Vereinstrainer zusammen, doch der verrechnet mir aus Goodwill nichts.»
Wettkämpfe: Nimmt Senti an Wettkämpfen teil, übernimmt Swiss Shooting sämtliche Kosten, wie Flüge, Hotels und Verpflegung, inklusive aller Visa, die wegen des Gewehrs und der Munition sehr teuer sind. «An Wettkämpfen bezahle ich eigentlich nur die Cola und die Chips, die ich an der Schiessanlage kaufe, selber. Das ist ein grosses Privileg und in anderen Verbänden von Randsportarten anders.»
Trainingslager: Bei denen wird das Hotel und die Verpflegung vom Verband übernommen. Sie muss nur die Anreise selbst bezahlen. Da sie aber von ihrer Firma ein Geschäftsauto hat, entstehen hier meist keine zusätzlichen Kosten.
Ihre Ausgaben
Management/Marketing: «Dafür gebe ich pro Jahr rund 5000 bis 6000 Franken aus. Darin enthalten sind die Kosten des Managers, Autogrammkarten, das Erstellen von Sponsoring-Dossiers und die Website.»
Mentaltrainerin: Das Mentale, es ist für eine Sportschützin enorm wichtig und kann über Sieg oder Niederlage entscheiden. Deshalb leistet sich Senti pro Jahr etwa fünf bis zehn Lektionen. Der Stundenansatz: gegen 200 Franken.
Ausrüstung: Die wird von Senti selber bezahlt. Ihr Gewehr «Pink Lady» kostete rund 8000 Franken. Weil sie für die 50 und die 300 Meter verschiedene Sportwaffen braucht, geht das ins Geld. Hinzu kommen pro Jahr etwa 3000 Franken für Ersatz-/Neuteile. Ebenfalls teuer ist die Ausrüstung, bestehend aus Hose, Schuhe und Jacke. Die kosten zusammen rund 2000 Franken und halten etwa ein Jahr lang.
Munition: Einen Teil davon muss sie selber bezahlen. Da sie pro Jahr rund 20’000 Schüsse abfeuert, geht das ordentlich ins Geld. Aus dem eigenen Portemonnaie muss sie pro Jahr circa 8000 Franken selber berappen.
Diverses: Rund 2000 Franken jährlich gehen für Vereinsbeiträge und Startgelder von nationalen Anlässen drauf. Weitere 3000 Franken für Fahrkosten (Benzin) und Hotelkosten bei gewissen nationalen Anlässen, die nicht vom Verband bezahlt werden.
Ihre Zukunft
Anja Senti geht zurzeit vorwiegend in nicht olympischen Disziplinen an den Start geht. Doch das will sie ändern. Ihr grosses Ziel sind die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles. Das würde aber bedeuten, dass sie ihr Budget von 35’000 auf gegen 75’000 Franken erhöhen müsste. «Dadurch müsste ich mehr trainieren, was wiederum zur Folge hätte, dass ich weniger arbeiten könnte.»
Ein Risiko, denn in den olympischen Disziplinen gehört Senti noch nicht zu den Weltbesten. Dadurch würden zumindest kurzfristig auch ihre Leistungsprämien geringer ausfallen. «Ich weiss, dass das ein ambitioniertes Ziel ist. Und es nur möglich ist, wenn ich die Sponsorengelder deutlich erhöhen kann, damit ich mit denen einen Teil meines Lebensunterhalts finanzieren kann.»
Ob ihr Plan aufgeht? «Habe ich eine realistische Chance auf Olympia, bin ich für Sponsoren attraktiver, aber ich mache das nur, wenn das Budget gesichert ist. Wenn nicht und ich dadurch finanzielle Sorgen hätte, könnte ich am Schiessstand erst gar nicht meine Leistungen erbringen und hätte deshalb auch gar keinen sportlichen Erfolg mehr.»