Projekt eines Frühpensionärs
Nach dem Ski-Winter läuft Fredy nun Marathon

Nach dem Ski-Winter braucht der Frühpensionierte Fredy ein neues Ziel. Die Kolumne von Felix Bingesser.
Publiziert: 17.03.2024 um 19:27 Uhr
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Aktualisiert: 17.03.2024 um 22:11 Uhr
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Foto: keystone-sda.ch

Die Skisaison neigt sich dem Ende entgegen. Fredy, der sich vor einem Jahr frühpensionieren liess, ist sehr zufrieden mit dem Winter. «Wir waren 25 Tage auf den Brettern. Wie geplant», sagt er zu seiner Frau Rosmarie auf der Heimfahrt aus der Ferienwohnung in den Bündner Bergen. 

Und jetzt? Jetzt nimmt Fredy sein nächstes Projekt in Angriff. «Man braucht im Alter Struktur», hat er im Kurs, den seine Firma den Frühpensionierten offeriert hat, gelernt. Fredy will einen Marathon laufen. Rosmarie hat etwas Bedenken. «Warum muss es gleich ein Marathon sein?», fragt sie. Und ergänzt: «Du kannst ja einfach mal ein wenig joggen gehen.»

Da ist sie bei Fredy aber an den Falschen geraten. «Ein wenig joggen gehen. Genau mit dieser Larifari-Einstellung kommt man nicht vorwärts. Der Mensch braucht Ziele. Messbare Ziele. Sonst irrt er orientierungslos durchs Leben», sagt Fredy. Und untermauert seine Pläne mit einem Zitat von Wunderläufer Emil Zatopek. «Wenn du laufen willst, lauf eine Meile. Wenn du ein neues Leben kennenlernen willst, dann lauf einen Marathon.»

Klare und messbare Ziele waren ihm schon bei der Kindererziehung wichtig. Additionsrechnungen bis 20 hat er seinen beiden Töchtern schon im kleinen Kindergarten eingetrichtert. «Diesen Vorsprung haben sie dann ein Leben lang», hat er Rosmarie damals erklärt. Beide Töchter sind heute Teamleiterinnen. Die eine beim Coop, die andere bei Aldi. 

Auch den Vorschlag von Rosmarie, vielleicht mal mit einem Halbmarathon zu starten, zerzaust Fredy in der Luft. «Ich bin doch kein Mann für halbe Sachen! Wennschon, dennschon!» Bremsen könnte ihn höchstens sein Senkfuss, der ihm etwas Sorge bereitet. Sein Orthopäde hat ihm empfohlen, viel barfuss zu laufen. Das hätte therapeutische Wirkung. Fredy denkt dabei sofort an die legendäre Zola Budd, und ihre Geschichte beruhigt ihn. Die Südafrikanerin wurde als Barfussläuferin weltberühmt. Weil ihr Land aufgrund des Apartheid-Systems mit einem Boykott belegt wurde, ist ihr Weltrekord über 5000 Meter nicht anerkannt worden. 

Rosmarie ist auch etwas überrascht, dass Fredy bereits einen Ernährungsplan aufgestellt hat. Dass sie jetzt zum Frühstück jeden Tag abwechslungsweise gedämpfte Fenchel mit drei Esslöffeln Basmati-Reis oder einen Linseneintopf mit Kernöl zubereiten soll, quittiert sie wiederum mit einem Kopfschütteln.

Ja, in Fredys Marathon-Projekt ist die ganze Familie integriert. «So etwas ist auch logistisch eine Herausforderung», erklärt er Rosmarie. Für den Einsatz seiner zwölf persönlichen Verpflegungsposten während des Marathons will er auch seine Cousinen und Cousins, die er seit den Siebzigerjahren nicht mehr gesehen hat, aufbieten. «Denen wird ja schon bewusst sein, worum es geht», sagt Fredy. 

Da ist es für ihn klar, dass auch die Planung der Sommerferien dem Marathon-Projekt unterzuordnen ist. Er fährt mit Rosmarie seit 26 Jahren an die ligurische Küste in dieses kleine, schmucke Hotel direkt am Strand. «Für das Training nicht ideal», sagt Fredy. «Ich habe in Schweden ein Haus für drei Wochen reserviert. Du wolltest ja schon länger wieder mehr lesen», sagt er zu dieser aus seiner Sicht glasklaren Win-win-Situation. 

150'000 Kilometer läuft ein Mensch durchschnittlich in seinem Leben. Bei Fredy werden es einige mehr sein.

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