Der 4. Juni 1993 in Manchester. Der Australier Shane Warne verblüfft die Cricket-Welt. Er, der Bowler, wirft einen Ball, der in die Geschichtsbücher eingeht.
Das Spielgerät hat derart viel Drall, dass es nach dem Aufkommen auf dem Boden die Richtung ändert und am völlig verdutzten Mike Gatting vorbei zischt und das Wicket, ein Gerüst aus drei Holz-Stangen, hinter dem Batter trifft. Bedeutet für Gatting: Er ist draussen. Bedeutet für Warne: Er wird auf ewig mit dem «Ball des Jahrhunderts» in Verbindung gebracht.
Der 4. März 2022 auf der thailändischen Insel Koh Samui. Warne, mittlerweile 52 Jahre alt, verstirbt überraschend an einem Herzinfarkt. Die Cricket-Welt ist geschockt. Die Autopsie ergibt, dass er eines natürlichen Todes gestorben ist. «Sein Vater hatte gesagt, dass Warne unter Engegefühl in der Brust gelitten hatte und sich nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub ärztlich untersuchen lassen wollte. Die Todesursache ist natürlich und kein Mord», teilt die örtliche Polizei mit.
«Es ist unvorstellbar, in eine Zukunft ohne Shane zu blicken. Hoffentlich hilft uns der Berg an glücklichen Erinnerungen, die wir alle haben, mit unserer anhaltenden Trauer fertig zu werden», werden Keith und Brigitte, Warnes Eltern, von «ESPN» zitiert.
«Er erkannte die Schwächen bei seinen Gegnern»
Die «Süddeutsche Zeitung» schreibt in einem Nachruf über den 1969 in Melbourne geborenen Shane: «Warne wurde berühmt für seinen unglaublichen Spin: Er erkannte die Schwächen bei seinen Gegnern, passte sich an und warf gezielt auf kleine Flecken im Gras, von denen aus der Ball teilweise wild nach rechts oder links abbog. Bei Warne sahen diese komplizierten Würfe aus wie das leichteste auf der Welt, er zelebrierte dieselbe Mühelosigkeit wie Roger Federer mit seinem Tennisschläger.»
Der Australier gab aber auch den Boulevard-Medien viel Nahrung, die «NZZ» nannte ihn den «Bad Boy des australischen Crickets». Wettskandal, Doping, wilde Sex-Orgien – er lieferte schonungslos das komplette Paket ab. Blick berichtete vor rund elf Jahren: «Er gilt als Womanizer und notorischer Fremdgänger. (...) 1999 liess er sich mit Zigarette fotografieren, obwohl er für eine Anti-Rauchkampagne warb. Seine langjährige Ehefrau Simone Callahan betrog er mit vielen Frauen, schickte ihnen schlüpfrige SMS aufs Handy, die ihm immer wieder peinliche Schlagzeilen eintrugen. Auch von Sexsucht ist die Rede.»
Warne, der dreifache Familienvater, war einst mit der britischen Schauspielerin Liz Hurley verlobt. 2013 folgte die Trennung. «Ich habe das Gefühl, dass die Sonne für immer hinter einer Wolke verschwunden ist», nimmt sie am Samstag via Instagram Abschied von ihrem Ex-Partner. In seiner Heimat Australien wird er ein Staatsbegräbnis bekommen. (yap)