«Es klingt nach einem gröberen Chaos»
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Emanuel Gisi zu IOC-Empfehlung:«Es klingt nach einem gröberen Chaos»

Das bedeutet der Russland-Entscheid des IOC
Bach spaltet den Sport

Das Internationale Olympische Komitee will russische Sportler wieder zulassen. Und sorgt damit vor allem für Verwirrung und Ärger.
Publiziert: 28.03.2023 um 21:00 Uhr
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Aktualisiert: 28.03.2023 um 21:28 Uhr
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Alle sollen wieder mitmachen dürfen: IOC-Präsident Thomas Bach erklärt die Empfehlung der Olympia-Hüter.
Foto: AFP
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Emanuel GisiSportchef

Ist es Feigheit? Ist es Ahnungslosigkeit? Ist es Zynismus? Oder ist es die blanke Machtlosigkeit vor den Schrecken des Krieges? Das Internationale Olympische Komitee (IOC) mit Präsident Thomas Bach (69) an der Spitze empfiehlt, Athleten aus Russland und Belarus unter neutraler Flagge wieder an internationalen Wettkämpfen teilnehmen zu lassen.

«Wir können keine Lösung bieten, die allen gefällt», hatte Bach zu Beginn der Exekutivkomitee-Sitzung erklärt. Wenigstens damit hat der Deutsche recht.

Sonst aber läuft ziemlich viel falsch. Athleten aus Russland und Belarus dürften wegen ihrer Nationalität nicht diskriminiert werden, sagt das IOC. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Stattdessen müssen sich ukrainische Athleten bald mit Russen Wettkampfplätze und Garderoben teilen, wenn es nach den Hütern der Olympischen Werte gehen soll.

Ob mit oder ohne Flagge und Hymne – Russland wird Propaganda machen

Der Schutz der ukrainischen Sportler, von denen laut dem ukrainischen Sportminister im von Russland verschuldeten Angriffskrieg mehr als 250 bereits getötet wurden, von denen Zehntausende fliehen mussten, von denen über Hunderttausend nicht mehr vernünftig trainieren können, weil Putin über ihr Heimatland hergefallen ist? Interessiert die IOC-Granden wenig.

Ihre Antwort auf Zweifel und Kritik: Es sollen nur Russen zugelassen werden, die sich nicht regimefreundlich äusserten und die nicht mit dem Militär verbandelt seien, so das IOC. Wer sich nur fünf Minuten mit dem russischen Sport und dem russischen Propaganda-Apparat beschäftigt hat, weiss: Egal, ob die Athleten etwas sagen, ob sie mit oder ohne Flagge und Hymne auflaufen – jegliche russischen Erfolge werden vom Putin-Regime genutzt und gefeiert. Das weiss das IOC.

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Die Weltverbände müssen ausbaden, was das IOC empfiehlt

Und selbst das nicht der Fall wäre, muss man festhalten: Die Folgen des Entscheids sind verheerend. Auch wenn die Empfehlung für Olympia 2024 und 2026 noch nicht gilt: Bach und sein IOC spalten damit den Sport. Denn nun sind es die Weltverbände, die entscheiden müssen, was mit den Sportlern aus Russland und Belarus passieren soll, die bislang ausgeschlossen waren.

Die Leichtathleten haben sich zum Beispiel letzte Woche festgelegt. «Unsere Position ist sehr klar», sagte Sebastian Coe, Präsident von World Athletics. Auch er weiss, dass er nicht alle glücklich machen kann. Aber er stellt sich auf die Seite der Ukrainer. «Da gibt es keine Missverständnisse. Es ist im besten Interesse unseres Sports: Der Ausschluss bleibt bestehen.» Damit werden aller Voraussicht nach bei den Olympischen Spielen in Paris 2024 keine russischen oder belarussischen Athleten an den Start gehen – wer nicht an Wettkämpfen teilnehmen kann, kann sich auch nicht qualifizieren und wird dementsprechend nicht um Medaillen kämpfen.

Anderswo dagegen kann es heiter werden. Der frühere Fechter Bach, in den letzten Jahren nicht durch überaus kritische Distanz zu Russland aufgefallen, könnte vielleicht einmal bei seinem alten Weltverband nachfragen. Dort wurde vor zwei Wochen der Bann gegen russische und weissrussische Sportler aufgehoben, seither haben die Ukrainer angekündigt, Wettkämpfe mit Russen und Belarussen zu boykottieren, in Deutschland und Schweden wurden Weltcup-Veranstaltungen abgesagt. Hübscher Fakt am Rande: Der Fechtverband hängt am Tropf des russischen Oligarchen Alischer Usmanow.

Bach übersieht Tennis-Konflikte

Regelrecht bizarr mutet die Begründung von Bach und seinen IOC-Konsorten an, in manchen Sportarten funktioniere die Teilnahme von Russen und Belarussen einwandfrei. «In keinem dieser Wettbewerbe sind Sicherheitsvorfälle passiert», sagt Bach. Und übersieht dabei die Meldungen von Auseinandersetzungen zwischen neutralen Athletinnen aus Russland und Belarus und Ukrainerinnen, die sich in den letzten Wochen zum Beispiel aus dem Frauentennis häuften.

Am Mittwoch wird sich Swiss Olympic zum Thema äussern, nachdem der Exekutivrat getagt hat. Bislang hatte der Schweizer Dachverband klare Kante gezeigt. Es ist zu hoffen, dass es dabei bleibt. Auch wenn das an der IOC-Empfehlung nichts ändern wird.

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