Diesmal beginnt die grosse Einsamkeit schon vor dem Start! Die Teilnehmer der SoloWeltumseglungs-Regatta «Vendée Globe» legen nächsten Sonntag corona-bedingt im verwaisten Hafen des Städtchens Les Sables-d'Olonne (Fr) ab. Kein Vergleich zum letzten Vendée-Start vor vier Jahren: Rund 300 000 Menschen machen 2016 den Ort am Atlantik zu einem Tollhaus, als der «Mount Everest der Meere» losgeht.
Segel-Abenteurer beginnt
Gar rund 2,5 Millionen Besucher (!) schauen sich damals in den drei Wochen vor dem Start das «Vendée Globe Village» an, wo die Segel-Abenteurer bei ihren Vorbereitungen beobachtet werden können. Doch diesmal kommt der französische Lockdown-Hammer elf Tage vor dem Start. Das Village wird geschlossen, der Hafen abgeriegelt.
Und die Segler wie der Genfer Alan Roura (27), der zum zweiten Mal bei der brutalsten Einhand-Regatta startet? Die stecken bereits in der Quarantäne – obwohl sie die folgenden Monate ja einsam auf ihren Booten rund 45 000 km auf den Weltmeeren verbringen. Trotzdem: Kein Schiff startet mit einem corona-infizierten Skipper, da dieser bei einem Nothalt an einer Küste das Virus einschleppen könnte.
Segeln während Corona-Pandemie
Die Restriktionen machen auch Roura einen Strich durch die Rechnung. Die traditionelle Start-Prozedur, bei der sonst Familie und Freunde auf dem Boot dabei sein können, fällt aus. «Das ist extrem schade. Aber wenn du in diesem merkwürdigen Jahr segeln willst, geht es nicht anders», sagt Roura.
Dabei ist der Schweizer Abenteurer im Juli erstmals Vater geworden. Doch seine kleine Tochter Billie kann nicht dabei sein, wenn ihr Vater zum härtesten Solo-Segelrennen der Welt aufbricht. Rouras Frau Aurélia Mouraud (32) hingegen ist nun ebenso bereits in Quarantäne gegangen, damit wenigstens sie sich am Bootssteg verabschieden kann.
Wenig Kontakt mit der Familie
Das eigene Baby zurücklassen und in den Segel-Wahnsinn aufbrechen, von dem man im schlimmsten Fall nie mehr zurückkehrt – Seebären wie Roura sind aus speziellem Holz geschnitzt. Er sagt bei seinem letzten Schweiz-Besuch vor dem Vendée-Start zu SonntagsBlick: «Der Abschied wird hart. Ich fühle mich schlecht, wenn ich daran denke, dass ich meine Frau und unser Kind für zwei, drei Monate alleine lasse.»
Trotzdem ist für Roura klar: Er wird in See stechen. Seine Leidenschaft treibt ihn wie seine 32 Vendée-Gegner immer wieder aufs Meer: «Das ist mein Leben. Ich kann nicht ohne das Adrenalin leben.»
Vendée Globe - Einsam an Bord
Nach 80 einsamen Tagen voller Schlafmangel, Stürmen, Flauten und aufgekochtem Astronauten-Essen will Roura wieder zurück in Les Sables-d'Olonne sein. An Bord gibts allerlei Kommunikationsmittel wie WhatsApp, E-Mail, Telefon und Video-Call-Möglichkeiten.
Doch Roura sagt: «Ich mag es nicht, von unterwegs anzurufen. Ich bleibe lieber alleine für mich.» Um Tochter Billie weiter aufwachsen zu sehen, wird seine Frau ihm Bilder schicken. Auf Erzählungen von Baby-Anekdoten am Telefon wird verzichtet. «Erstens ist es hart, die Stimmen von daheim zu hören», erklärt der Genfer, «und zweitens gibts eigentlich nichts zu sagen. Sie leben daheim das normale Leben weiter, während ich wie auf einem anderen Planeten bin. Sie verstehen nicht, was ich gerade mache. Und ich will eigentlich nichts wissen aus der normalen Welt.»
Bei seiner ersten Teilnahme 2016 hat Roura in 105 Tagen seine Aurélia nur viermal angerufen. Er wird als jüngster Teilnehmer Zwölfter. Diesmal hat er ein moderneres Boot und dank dem welschen Gebäckhersteller «La Fabrique» als Hauptsponsor ein 4-Millionen-Budget.
Die Segler der Topteams jedoch operieren mit 10 bis 15 Millionen. Roura will diesmal in die Top Ten und plant, 2024 ganz vorne dabei zu sein – aber bei der irren Vendée Globe ist nur schon überleben und im Ziel ankommen ein Sieg: Rund die Hälfte der Flotte scheidet jeweils mit beschädigten oder gekenterten Booten aus.