Der Lack ist ab. Am Schild beim Eingang zum Sportmuseum an der Reinachstrasse 1 in Münchenstein haben sich Staub und Dreck angesetzt. Ziemlich dreckig geht es in diesen Tagen auch Museumsleiter Hans-Dieter Gerber. Weil es 2019 weder vom Bundesamt für Kultur noch vom Kanton Basel-Stadt Subventionen geben wird, steht «sein» Museum nach 73 Jahren vor dem Aus.
Bund und Kanton wollen in Zukunft kein Geld mehr in diese Institution hineinpumpen, das Publikumsinteresse sei angeblich zu gering. Gegen diese Begründung legt Gerber sein Veto ein: «Wir waren in den letzten 12 Monaten mit unseren Sammelstücken in 19 Sendungen des Schweizer Fernsehens präsent. Damit haben wir rund zwei Millionen Menschen erreicht.»
Deshalb erwartet der Historiker Unterstützung von der Dachorganisation der Schweizer Sportverbände: «Ich hoffe, dass sich die Entscheidungsträger von Swiss Olympic bewusst sind, dass sie in der Pflicht stehen und Verantwortung für das Kulturgut des Sports übernehmen.»
Im äusserlich so schmucklosen Gebäude an der Basler Stadtgrenze lagern tatsächlich einige glorreiche Schätze. Gerber öffnet die durchsichtige Schatulle, in der die goldene Pfeife des berühmten Basler Schiedsrichters Godi Dienst aufgehoben ist. «Mit dieser Pfeife hat Dienst im WM-Final 1966 den Engländern gegen die Deutschen im Londoner Wembley-Stadion das umstrittenste Tor der Fussballgeschichte anerkannt. An diesem Exponat kann man wunderbar erkennen, welche Kraft Sportereignisse haben und welche Diskussionen sie über Jahrzehnte hinweg auslösen können.»
Einem aussergewöhnlichen Hingucker kommt die Kombination zwischen einem Racket von Roger Federer und einem Tennisschläger aus dem Jahr 1890 gleich. «Mit solchen Rackets haben die Engländer unter König Heinrich dem Achten bereits im Mittelalter gespielt», erklärt Gerber.
Besonders stolz ist der Museumsleiter auf das aus reiner Wolle angefertigte Tour-de-France-Leadertrikot von Ferdy Kübler. «Das ist wirklich ein herausragendes Stück. Man sieht auf Anhieb, wie unbequem das Trikot bei Küblers Tour-de-France-Gesamtsieg 1950 war. Die Wolle muss gewaltig an Ferdys verschwitztem Körper gekratzt haben.»
Bernhard Russi (70) hat dem Museum Abfahrtsski aus seinem Olympiagold-Jahr 1972 zur Verfügung gestellt. Russi verknüpft mit diesen Latten eine ganz spezielle Finanz-Geschichte: «Ich habe von meinem damaligen Ausrüster Rossignol 25'000 Franken erhalten. Nach dem Olympiasieg hat mir Atomic aber 120'000 Franken und einen Ford Capri angeboten.»
Trotzdem hat sich der heutige SonntagsBlick-Kolumnist letztendlich für das deutlich schlechtere Angebot von Rossignol entschieden. «Mein Vater hat mir verraten, dass er als Bahn-Chef von Andermatt einen Jahreslohn von 22'000 Franken erhält. In diesem Moment wurde mir klar, dass es nicht fair ist, wenn ich mit zehn Skirennen im Jahr so viel mehr verdiene als er ...»
Direkt neben Russis Ski steht die Sammlung von Marie-Theres Nadig (64), die 1972 in Sapporo gleich zweimal Olympiagold eroberte (Abfahrt und Riesenslalom). Hans-Dieter Gerber: «Nadig hatte nach einem Wohnungswechsel weniger Platz. Deshalb hat sie uns neben den Ski und dem von ihrem Bruder bemalten Rennhelm auch den grössten Teil ihrer Medaillen und Pokale anvertraut.»
Aber wo werden all diese geschichtsträchtigen Schmuckstücke landen, wenn kein Retter für das Schweizer Sportmuseum gefunden wird? «Diese Frage kann ich derzeit nicht beantworten. Aber mein Herz blutet, wenn ich daran denke, diese tolle Sammlung in Zügelkartons verpacken zu müssen. Das ist für mich das schlimmste Szenario», offenbart Gerber.
Wahrscheinlich würde sich auch der vor bald zwei Jahren verstorbene Ferdy Kübler im Grab umdrehen, wenn sein Tour-de-France-Trikot in der Anonymität verschwinden würde.