Leitartikel zum Start der Olympischen Spiele
Die schrecklich nette Familie

Endlich: Die umstrittenen Spiele in Rio de Janeiro beginnen.
Publiziert: 05.08.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 19:20 Uhr
Foto: Getty Images
Felix Bingesser

Heute werden in Rio de Janeiro die ersten Olym­pischen Spiele auf süd­amerikanischem Boden eröffnet.

Die olympische «Familie» trifft sich am Fuss des Zucker­hutes. In einer faszinierenden und pulsierenden Metropole. In einer Stadt, die Synonym ist für lustvolle Bewegung, für Sport, Spiel und Spass.

Das Bild der grossen Familie wird ja nicht nur im Fussball strapaziert. Auch die olympische Bewegung spricht gerne von der Familie. Aber ihr Familienausflug nach Brasilien hat bis jetzt nur negative Schlagzeilen gemacht.

Denn Väterchen Wladimir Putin will alle seine Kinder mitnehmen. Auch seine drögelnden Töchter und betrügenden Söhne. Mit dem Segen von Grossvater Thomas Bach. Das kommt in den besten Familien vor, sagt dieser. Und lässt Gnade vor Recht ergehen.

Spätestens am schönen Strand merkt dann die Familie, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Man sollte in der Kloake nicht baden. Zu dreckig. «Kein Problem», sagen die brasilianischen Bademeister. Und schicken die umgesiedelten und mausarmen Einheimischen zur Strandreinigung.

Wenn die olympische Familie kommt, muss die Fassade glänzen. «Rio, um mundo novo» lautet das Motto. Rio, die neue Welt. Nur die Zika-Mücken lassen sich nicht umsiedeln.

Die Familienferien sind diesmal übrigens relativ günstig. Sie kosten «nur» 4'580'000'000 Franken. Putin hat für seine Winterparty in Sotschi viermal mehr aufgeworfen.

Beklagt wird im Vorfeld auch die weitere Kommerzialisierung dieses Milliardenbusiness. Das Programm wird ständig aufgebläht. Ein Blödsinn. Golf hat bei Olympia nichts zu suchen. Die Besten kommen auch gar nicht. Beim Fussball warten wir auf die WM und die EM. Aber Olympia?

Oder wissen Sie noch, welches Fussballteam vor vier Jahren Olympiasieger geworden ist? Olympia. Die Sehnsüchte und Ansprüche an diese Idee sind wie immer horrend und übersteigert. Aber die Olympischen Spiele können nicht das Gesundheitssystem von Brasilien sanieren. Auch die Frage der Nachhaltigkeit und des wirtschaftlichen Nutzens ist müssig. Denn wäre die Nachhaltigkeit das wichtigste Kriterium, dürfte niemand mehr solche Grossanlässe ausrichten.

Ja, die langen Tage bis zur Eröffnung verbringen die Journalisten gerne damit, die durchaus vorhandenen
Haare in der Suppe zu suchen.

Darum und wie immer: Endlich geht es los! Die Bedenken werden, wie bei jedem sportlichen Gross­anlass, mit dem Anpfiff in den Hintergrund rücken. Wir werden Betrüger am Werk sehen. Aber wir werden auch wunderbaren Sport sehen, emotionale Geschichten erleben, den Sport in seiner ganzen und nach wie vor grossen Faszination geniessen.

Alte und neue Helden werden geboren, die Randsportarten, die sonst medial stiefmütterlich behandelt werden, rücken in den Fokus. Grosse Namen wie Usain Bolt oder Michael Phelps liefern Schlagzeilen. Emotionale Tränen sind garantiert.

Mittendrin ist auch das Schweizer Team. Fünf Medaillen hat man aus London mitgebracht. Diesmal sollen es, trotz den schmerzhaften Absagen von Bencic, Federer und Wawrinka, mehr werden. Vor allem dank den Frauen im Team. Sie sollen die Kohlen in Form von Medaillen aus dem Feuer holen.

Und in zwei Wochen dürfte es dann wieder heissen: Das waren die besten Spiele aller Zeiten. Auch wenn zwei Drittel der Brasilianer auf diese Spiele nur zwei Jahre nach der Fussball-WM verzichten könnten. Und unter der enormen Belastung stöhnen.

Aber auch sie werden fröhlich mittanzen, wenn die schrecklich nette Familie auf Besuch kommt.

Übrigens: Fussball-Gold bei den Männern holte vor vier Jahren Mexiko.

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