Ein Wahnsinns-Krimi. 9,79 Sekunden für Bolt – 9,80 für Gatlin. Der schnellste Mann der Welt – Weltrekordler Bolt (9,58) – hat den schnellsten Sprinter der letzten zwei Jahre – Gatlin (9,74) – entzaubert.
Kann er’s noch?, fragte SonntagsBlick vor dem WM-Highlight. Ich kanns noch, gibt Bolt zwei Tage nach seinem 29. Geburtstag die Antwort.
Der Jamaika-Blitz zuckt wie in den allerbesten Tagen. Egal, dass er 2014 und 2015 vor der Pekinger WM insgesamt nur sechs Rennen gelaufen hat. Belanglos, dass er mit «mageren» 9,87 als Saisonbestmarke nach China reist. Wenn es um bedeutende internationale Meisterschaften geht, bleibt Bolt der Titel-Zauberer.
Den Schlüssel zu seiner dritten WM-Krone über 100 Meter findet Bolt im Halbfinal. Ein Schock nach fünf Schritten: Bolt stolpert. Nach 20 Metern ist er Letzter, doch dann kitzelt der 1,96-m-Sprintriese alle Power aus seinen Beinen heraus und zelebriert einen 80 Meter langen Verzweiflungs-Sprint zum hauchdünnen Sieg – 9,96 Sekunden.
Gegenüber Justin Gatlins Halbfinal-Show von 9,77 Sekunden erscheint die Zeit auf dem Papier allenfalls als Schreckschuss. Für Gatlin ists aber ein Hammer an den Kopf. Was kann Bolt erst, wenn er nicht stolpert?, muss der Ami gedacht haben. Und weg ist die Selbstsicherheit.
Schwer lastet der Druck auf dem 1,83 m kleinen Gatlin, das zeigen beim Finalstart seine Augen. Er soll nach sieben Jahren endlich die 100-m-Krone von WM oder Olympia wieder in die USA holen – und für den Sportartikel-Giganten Nike dem Konkurrenten Puma «den schnellsten Schuh der Welt» wegsprinten. Nike angelte sich Gatlin im Frühjahr mit einem Millionen-Vertrag.
Doch jetzt im WM-Final gelingt es Gatlin nicht, sein eigenes Rennen zu laufen. Er sprintet 100 Meter lang gegen das Gespenst Bolt. Der Jamaika-Riese hat den Ami mit dem Halbfinal gelähmt.