Christian Coleman macht keine Faxen vor dem Start. Er ist kein Usain Bolt, kein Leuteunterhalter. Coleman ist vor den Rennen ernst, angespannt und konzentriert. Sprint sei keine nette Show, das sei ein Fight unter Hunden, sagt er. Nach dem jetzt bekanntgewordenen neusten Fall fragt man sich, welche Grenzen er zu überschreiten gewillt ist, um bei diesem Fight am Ende als Sieger dazustehen. «Als stärkster dieser Bestien».
Er kaufte Weihnachtsgeschenke
Coleman hat mal wieder Ärger wegen Dopings. Denn nicht nur positive, sondern auch verpasste Doping-Tests können zu einer Sperre führen. Und eine solche droht dem 24-Jährigen. Er ging mit Details zu seinem jüngsten Fall am Dienstag selber an die Öffentlichkeit: Am 9. Dezember 2019 sind Kontrolleure bei ihm zu Hause aufgetaucht, doch er war nicht da. Nach eigenen Angaben habe er nur kurz und ganz in der Nähe Weihnachtseinkäufe gemacht. Und die Kontrolleure hätten ihn nicht angerufen.
Dazu muss man wissen: Topsportler weltweit sind verpflichtet, stets Angaben darüber zu machen, wo sie sich aufhalten, um für Dopingtests während eines täglichen Zeitfensters verfügbar zu sein. Und weil es da auch mal zu einmaligen Missverständnissen kommen kann, gilt die Regel: Drei verpasste Tests innerhalb von zwölf Monaten können als Anti-Doping-Verstoss gewertet werden und zu einer Sperre führen.
Mit Fabellauf zum WM-Titel
Coleman verpasste 2019 bereits einen Test im Januar und verstiess zudem im April gegen die Meldepflicht. Im August wurde bekannt, dass die US-Antidopingbehörde Usada ein Verfahren gegen ihn eröffnet hatte, weil er innerhalb von 12 Monaten drei Dopingtests verpasst hatte. Es kam nicht zur angedrohten zweijährigen Sperre. Coleman wurde Anfang September wegen Formfehlers freigesprochen, da einer von drei verpassten Tests ausserhalb der Einjahresfrist gelegen habe. Noch im gleichen Monat holte er sich in Doha mit einem Fabellauf und einer Zeit von 9,76 Sekunden den Weltmeistertitel.
Die Zweifel daran, dass er tatsächlich sauber ist, wird er nach dieser Vorgeschichte wohl nie mehr los. Und der neuste Fall wird sie weiter nähren. Auch wenn Coleman die Vorwürfe vehement abstreitet und um seinen Ruf kämpft wie ein Löwe: «Ich habe niemals und werde niemals leistungssteigernde Mittel nehmen», schrieb am Dienstag in einem Statement auf Twitter. Er sei bereit für den Rest seines Lebens täglich einen Dopingtest zu machen, um seine Unschuld zu beweisen.
Absturz ins Bodenlose?
Ob ihm dieses leidenschaftliche Plädoyer in eigener Sache hilft? Die unabhängige Integritätskommission AIU des Leichtathletik-Weltverbandes World Athletics bestätigte am Mittwochmorgen eine vorläufige Sperre. Wenn diese bestätigt wird, droht Coleman auch die Olympischen Spiele 2021 in Tokio zu verpassen, dann ist seine ganze Karriere in Gefahr und sein Ruf definitiv futsch. Christian Coleman, der immer ganz oben stehen wollte, droht der Absturz ins Bodenlose.