Sprint-Star Amaru Schenkel über...
...sein neues Leben, Rassismus und seine schwierige Jugend

Er war einer der schnellsten Schweizer Sprinter. Mit seinem flinken Mundwerk gibt Amaru Schenkel (28) auch nach dem Rücktritt Gas.
Publiziert: 15.05.2017 um 20:24 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 11:40 Uhr
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Amaru Schenkel: «Doping ist wie Umweltschutz. Alle wollen einen schönen, grünen Planeten. Dennoch will kein Mensch aufs Autofahren und in die Ferien fliegen verzichten.»
Foto: TOTO MARTI
Michael Wegmann (Text) und Toto Marti (Fotos)

Doping
«Doping ist wie Umweltschutz. Alle wollen einen schönen, grünen Planeten. Dennoch will kein Mensch aufs Autofahren und in die Ferien fliegen verzichten. Und alle wollen sauberen Sport, aber jeder will mehr Tore, neue Rekorde und immer besser durchtrainierte ­Athleten sehen. Wir Schweizer ­haben die meisten und genauesten Kontrollen. Unsere tollen Pharma-Industrien produzieren die Substanzen fürs Ausland. Ich war ­immer gegen Doping, habe nie ­etwas Illegales genommen, meine Gesundheit ist mir wichtig!»

Bluffer-Image
«Ich kenne meinen Ruf. Das war ­alles für die Show. Die Leute arbeiten unter der Woche, zahlen ­Eintritt und wollen Unterhaltung. Menschen sind süchtig danach. Schon immer. Schon im alten Rom bei den Gladiatorenkämpfen haben die Leute getobt, wenn ein Wagen umstürzte oder ein Löwe einen Sklaven gefressen hat. Wir Athleten müssen deshalb eine Show bieten ohne den Fokus zu verlieren. Die Sonnenbrille war für mich nie ein Bluffer-Utensil: Sie war für mich das, was für Rennpferde die Scheuklappen sind. Die Brille half mir, fokussiert zu bleiben, deshalb hatte ich sie auch bei Regen auf.»

10,19 Sekunden
«Meine Bestzeit auf hundert ­Meter. Eine Hammer-Zeit. Aber kein ­Exploit. Ich bin sie damals ja gleich zweimal hintereinander gelaufen. Mir fehlte der Exploit in meiner Karriere. Ich war konstant richtig gut. Auf mich war Verlass, ich war Programm. Weltweit gehörte ich zu den schnellsten Staffelläufern. Im Moment würde ich die hundert Meter wohl etwa in 10,5 Sekunden laufen. Ich fühle mich fitter denn je. Mein Körper hat sich nach den 20 Jahren sprinten ein wenig erholen können. Ich trainiere noch bis viermal die Woche. Schliesslich will ich, dass mich meine Kinder mal noch mit Sixpack sehen.»

Usain Bolt
«Ein super Entertainer. Er hat es verstanden, dass Leute unterhalten werden müssen. Das macht seinen Wert aus. Und dann ist er noch der schnellste Mensch auf der Welt. Ich habe mal gesagt, dass ich mich neben ihm wie ein Chihuahua fühle, das meinte ich natürlich auf die Körpergrösse bezogen.»

Vorbild
«In gewisser Weise ist das Arnold Schwarzenegger. Er ist von Österreich nach Amerika gegangen um ‹Mr. Olympia› zu werden, er ­wurde der erfolgreichste Bodybuilder ­aller Zeiten. Dann stieg er ins Film-Business ein. Obwohl er zu Beginn Mühe mit dem Englisch hatte, ­wurde er einer der bestbezahlten ­Action-Schauspieler. Dann sagte er sich: ‹Jetzt gehe ich in die Politik!› Und er wurde Gouverneur von ­Kalifornien. Erst wurde er ausgelacht, dann hat er alles erreicht.»

Tattoos
«Mein erstes war der Spruch: ­‹every man is the architect of his own future›. Ich habe es mir mit 16 stechen lassen, kann aber auch heute noch zu dieser Aussage stehen. Mittlerweile sind viele dazugekommen. Auch die olympischen Ringe. Auf sie bin ich stolz, ich habe sie mir verdient. Als ich als Kind gesagt habe, dass ich an den Olympischen Spielen teilnehmen werde, haben mich alle ausgelacht und als Bluffer abgestempelt.»

Togo
«Einerseits ist für mich Togo wie für andere zum Beispiel das Hirslanden-Spital. Ich bin da geboren. Ich war zweieinhalb Jahre da, ehe ich adoptiert wurde. ­Andererseits weiss ich, dass ich in diesem Land meine Wurzeln habe. Deshalb habe ich mich immer Amaru genannt und nicht Reto, wie mich meine Adoptiveltern tauften. Ich konnte einfach nicht Reto ­heissen. Das ist so, als ob ein Türke Ueli hiesse. Zuletzt ­verspürte ich immer stärker das Bedürfnis, meine Wurzeln näher kennenzulernen. Jetzt, nach dem Rücktritt, hätte ich ja Zeit dazu.»

Schwer erziehbar
«Ja, ich bin als Bub in ein Heim für Schwererziehbare gekommen. Mein Lehrer hat mir ­damals gesagt, dass ich höchstens eine Anlehre als Koch machen könne. Ich habe dann aber eine kaufmännische Lehre mit der viertbesten Note abgeschlossen. Ich hatte nie das Gefühl, schwererziehbar zu sein. Ich rauchte nie, ich trank nicht und ich nahm keine Drogen. Ich war sicher kein 08/15-Kind, ich wollte immer mehr als andere und habe vieles hinterfragt. Das Problem ist meiner Meinung nach, dass man versucht, alle Kinder gleich zu machen, statt zu akzeptieren, dass es Unterschiede gibt.»

Rassismus
«Rassismus ist etwas für Idioten. Auffallend ist, dass Rassisten meist aufs gleiche Geschlecht zielen. Man hasst den Brasilianer, die Brasilianerin will man aber flachlegen. Das geht nicht auf! Als Jugendlicher hatte ich als Afro-Schweizer nicht gross mit Rassismus zu tun. Vielleicht war es, weil es damals hier nicht so viele Afrikaner gab. Ich denke, es ist auch die Anzahl, die Leute in den Rassismus treibt. Dumme Leute.»

Zukunft
«Ab jetzt will ich ausserhalb der Stadien Vollgas geben. Ich bin neugierig, will immer dazulernen. Mein Ziel ist es, ins Marketing einzusteigen. Vermarktung und Branding interessiert mich. Da will ich dasselbe Niveau erreichen, wie als Leichtathlet. Tönt ambitioniert, ich weiss. Ist aber so: Alles, was ich tue, mache ich mit hundertprozentigem Einsatz. Klar, denkt man am Schluss immer, man hätte mehr erreichen können. Aber ich hatte eine tolle Karriere und es war auch eine gute Lebensschule. Irgendwann werde ich auch eine Familie gründen. Ich liebe Kinder.»

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