Bei der WM in Berlin 2009 stürmte die südafrikanische 800-m-Läuferin Caster Semenya in den Fokus der Weltmedien. Nicht primär, weil sie in fantastischen 1:55,45 Minuten WM-Gold holte. Die Frage lautete: Ist Semenya eine Frau oder ein Mann?
Ein langes Hin und Her folgte. Semenya wurde zwei Jahre suspendiert, wurde danach 2011 in Daegu noch einmal WM-Zweite.
Wissenschaftliche Untersuchungen auf allen möglichen Ebenen – Mediziner, Hormon-Spezialisten und Ethiker – wurden durchgeführt. Sie sei eine Vertreterin des dritten Geschlechts – weder Mann noch Frau, oder beides. Ein damals 18-jähriger Mensch, für den es in unserer Gesellschaft (noch) keine fixen Normen gibt.
Es wurde gemunkelt, um weiterhin starten zu dürfen, müsse Semenya mit Medikamenten ihren Hormonspiegel regeln. Das Testosteron senken. Erst im Juli 2015 gabs einen Entscheid des Internationalen Sportgerichtshofs in Lausanne: Caster Semenya darf ohne Auflagen weiter bei den Frauen starten. Gleichzeitig gab das CAS eine Expertise in Auftrag, die nachweisen soll, ob eine körpereigene übernatürliche Testosteron-Produktion die sportliche Leistung so sehr beeinflusse, dass sie in der Kategorie der Frauen nach oben aus der Norm fällt. Deadline für diesen Nachweis ist der Juli 2017.
In den letzten drei Saisons hat die Diskussion um Semenya keine Rolle gespielt, denn Caster bestritt zwar Wettkämpfe, lief aber so schlecht wie noch nie zuvor. Sogar der Schweizerin Selina Büchel weit hintennach. Knie-Probleme, psychische Not. Auch Spekulationen, ob Semenya im vergangenen Winter in Südafrika ihre Freundin geheiratet hat, machten die Runde und setzten der Sportlerin zu.
Bis jetzt, zum Diamond League Meeting in Doha. Mit 1:58,26 Minuten über 800 m schlägt sie zu wie damals in Berlin, walzt die Gegnerinnen auf den letzten 200 Metern richtig nieder. Keine Spur mehr von Übergewicht. Kraftvoll wie ein Mann.
Bereits am Donnerstag wurde der neue IAAF-Präsident Sebastian Coe von den Medien auf Semenya angesprochen. Sie hatte bei den südafrikanischen Meisterschaften vor kurzem geschockt, als sie in Stellenbosch innerhalb von drei Stunden 400 m in 50,74 Sekunden, 800 m in 1:58,45 Minuten und 1500 m in 4:10,91 Minuten gewann. Coes Antwort: «Wir kennen die Problematik. Aber vor Juli 2017 (CAS-Deadline, Red.) gibts wohl keinen Entscheid. Sie darf bei den Frauen laufen.»
Vor Olympia in Rio stellt sich seit Doha aber dennoch die Frage: Können der Internationale Leichtathletik-Verband, der Sportgerichtshof, Mediziner und Hormon-Experten – vor allem aber Semenyas 800-m-Gegnerinnen – mit dem langen Rätseln leben?