Es ist Freitagnachmittag kurz nach vier Uhr in London (5 Uhr in der Schweiz). In knapp drei Stunden beginnen die ersten Wettkämpfe dieser WM. Die 100-m-Vorrunde der Exoten, wo sich Leute mit Bestzeiten von über 12 Sekunden zeigen dürfen und unter sich ausmachen, wer allenfalls im richtigen 100-m-WM-Vorlauf zusammen mit Super-Star Usain Bolt antreten darf.
Habe ich fünf Jahre geschlafen? Diese Frage stellt sich mir während ich in Eastlondon von der Bahnstation Stratford durch den Queen Elizabeth Olympic Parc gehe. Ist es immer noch August 2012? Die Stimmung im Olympic Parc ist am 4. August 2017 genau so wie damals. Tausende Leute sind bereits vor Ort. Friedlich, Polizisten braucht es nicht. Die beiden Bobbys, die mir begegnen, reiten lediglich ihre Pferde durch die Zuschauer spazieren. Diese Bilder habe ich 2012 bei Olympia täglich gesehen.
Alle wollen Bolt sehen
Es ist wie damals. Die Briten sind sportverrückt. Diese Leichtathletik-WM 2017 ist das grösste Sport-Event in England seit den 2012er-Spielen. Weil diese so grossartig waren, wollen das die Leute jetzt wieder erleben. 660 000 Tickets sind für die 10 WM-Tage bis zum 13. August im Vorverkauf abgesetzt worden – was heisst: Das Stadion ist immer ausverkauft, vielleicht nicht bei allen Vormittags-Sessions, aber immer am Abend.
Alle wollen Usain Bolt ein letztes Mal sehen, oder ihren britischen 5000- und 10000-m-Helden Mo Farah, der nach dieser WM von der Stadion-Leichtathletik ebenfalls Abschied nimmt und zum Marathon wechselt.
Der Jamaika-Blitz hat alles im Griff. Er bestimmt sogar die Eintrittspreise. Für den auf den ersten Blick komisch ungeraden Betrag von 9.58 Pfund wurden 80 000 Spezial-Tickets für Jugendliche abgesetzt. 9.58 Pfund – das entspricht 12.25 Franken. Aber das ist unwichtig: 9,58 Sekunden – das ist Usain Bolts 100-m-Weltrekord. Alles klar also zum Ticket-Preis?