Erinnern Sie sich noch? André Bucher? 2001 in Edmonton (Ka) wird der damals 24- jährige Luzerner Weltmeister über 800 m – holt nach Werner Günthörs Kugelstoss- Triple zwischen 1987 und 1993 das bisher letzte WM-Gold für die Schweiz. Ja, dieser André Bucher! Er war in jenem WM-Jahr unser Tausendsassa, stand zwölfmal international über 800 m am Start, einmal wurde er «bloss» Zweiter. Elfmal hat er gewonnen. Jede Art von Rennen, egal ob von zuhinterst oder von der Spitze aus, egal ob taktisch langsam oder mit Tempomachern ultra-schnell.
André ist damals mit so viel Selbstvertrauen zur WM gereist, dass er in Kanada gar nicht anders konnte, als zu gewinnen. Seine Gegner haben alle gewusst: Der Kerl ist unschlagbar.
Jetzt stehen ab Freitag, zehn Tage lang, 22 Schweizer Leichtathleten in Doha (Kat) bei der WM am Start. Fast ausnahmslos haben sie seit Ende Mai nach jedem Wettkampf gesagt, die WM sei ja spät, die Form käme dann schon noch. Selbstvertrauen wie Bucher kann also niemand haben – Angst vor einem Schweizer brauchen die Gegner auch nicht zu haben. Die Ausgangslage ist zumindest delikat.
Trümpfe
Mujinga Kambundji, die 27-jährige Berner Sprinterin, ist da die Ausnahme. Mit 11,00 über 100 m und 22,26 Sekunden im 200er rangiert sie jeweils unter den Top-8 in der Weltbestenliste. Mujinga hat auf internationaler Bühne 2019 auch schon gewonnen, strotzt vor Selbstvertrauen und ist beinahe ein Garant dafür, bei Titelkämpfen bereit zu sein.
Und Kambundji ist auch die Schlüsselfigur für die 4x100-m-Frauenstaffel. Medaillen hängen zwar über 200 als auch für die Sprintstaffel schier unerreichbar hoch, aber für Top-8-Platzierungen muss es reichen. Nur zur Erinnerung: Bei den bisher 16 Leichtathletik-Weltmeisterschaften seit 1983 hat es für die Schweiz erst 22 Top-8- Ränge gegeben.
Hoffnungen
Ist er sogar für eine Sensation gut? Marathonläufer Tadesse Abraham ist vieles zuzutrauen – trotz seiner 37 Jahre. Als Olympia-Siebter in Rio 2016 hat er Hitze-Resistenz bewiesen, Anfang April als Zweiter beim Wien-Marathon schnelle Beine. In Doha profitiert der Schweizer EM-Zweite davon, dass viele starke Läufer den WM- Marathon sausen lassen und stattdessen in Berlin oder bei anderen Stadt-Marathons dem Geld nachhetzen.
Oder Julien Wanders, der 23-jährige Genfer. Auf der Strasse ist er bereits absolute Weltklasse. Mittlerweile sollte sein Kopf stark genug sein, das auch über 10'000 m auf der Bahn zu zeigen. Die zentrale Frage: Hat er in einem taktischen Bummel-Rennen am Schluss auch genügend Speed?
Als 200-m-Dritter bei der letztjährigen EM in Berlin ist der 29-jährige Basler Alex Wilson auf den Geschmack gekommen. Mit 19,98 Sekunden von La Chaux de Fonds hat er Ende Juni einen Markstein gesetzt. Doch in keiner anderen Sparte ist die Konkurrenz so gross, wie in den 100- und 200-m-Sprints.
Lea Sprunger – eigentlich müsste die 400-m-Hürden-Europameisterin von Berlin einer unserer Trümpfe sein. Doch bei der 29-Jährigen harzt es schon die ganze Saison. Allein für den Final braucht die WM-Fünfte von 2017 in London in Doha einen grossen Leistungssprung. Hoffen kann man ja…
Mit 7-Kämpferin Géraldine Ruckstuhl, Hürdensprinter Jason Joseph oder Stabspringerin Angelika Moser stehen drei noch nicht 23-jährige Youngster im Team, die den Grossen respektlos am Lack kratzen wollen.
Mitläufer
Der Rest des 22-köpfigen Schweizer WM-Teams ist bei den Titelkämpfen in Doha wohl einfach dabei. Unauffällig? Nein – eher auffällig, dass darunter auch so grosse Namen wie Kariem Hussein, 400-m-Hürden-Europameister 2014, Selina Büchel, Doppel-Europameisterin über 800 m in der Halle oder Nicole Büchler, Hallen-WM- Vierte und Olympia-Sechste im Stabhochsprung, zu finden sind.