An der Hallen-EM der Leichtathleten in Istanbul fallen am Freitag die ersten Entscheidungen. Blick klärt die wichtigsten Fragen vor dem ersten Saisonhöhepunkt.
Wo haben wir die besten Medaillenchancen?
Die Ausgangslage war vor einer EM wohl noch nie so gut wie jetzt. Mit Mujinga Kambundji (60 m), Simon Ehammer (Siebenkampf) und Hürdensprinter Jason Joseph gehen gleich drei Schweizer Trümpfe als Nr. 1 der europäischen Jahresbestenliste ins Rennen.
Wann kann es die ganzen Medaillen regnen?
Am Sonntag könnte es innert 90 Minuten dreimal Gold geben: Um 17.40 Uhr startet Ehammer zur letzten Siebenkampf-Disziplin, danach Ditaji Kambundji (18.55 Uhr) und Joseph (19.05 Uhr) innert kürzester Zeit über 60 m Hürden. Das wäre historisch: Dreimal Gold gabs für die Schweiz überhaupt noch nie an einer Hallen-EM. Für die erste Goldmedaille könnte Hallen-Weltmeisterin Mujinga Kambundji am Freitagabend über 60 m sorgen (Final um 19.45 Uhr).
Warum ist Joseph plötzlich so schnell?
Die einfache Antwort lautet: Zuhause ist es doch am schönsten. Nach zwei schwierigen Jahren mit Trainingsaufenthalten bei US-Star-Coach Rana Reider trainiert der Baselbieter wieder voll bei seiner langjährigen Trainerin Claudine Müller. In den letzten Wochen verbesserte er seinen eigenen Rekord über 60 m Hürden gleich fünfmal, ist im Moment der schnellste Mann Europas. «Dass ich so konstant schnell bin, hat mich selber auch überrascht», sagt er. «Jetzt bin ich der Favorit, diese Rolle will ich bestätigen.» Heisst als Ziel: Gold. Oder? «Eigentlich ja. Wenn die anderen nicht plötzlich auf einem anderen Niveau laufen, muss das mein Ziel sein.»
Wer darf sich sonst noch Hoffnungen auf Edelmetall machen?
Mit Ditaji Kambundji (60 m Hürden) und Annik Kälin (Weit) gibt es zwei weitere Edelmetall-Anwärterinnen. Gespannt darf man sein, was Top-Talent Audrey Werro (800 m) zeigt und ob Hochspringer Loïc Gasch glänzen kann. Ein Fragezeichen steht hinter Stabspringerin Angelica Moser, die in der Vorbereitung verletzt war.
Kambundji ist der grosse Star. Und die anderen Schweizer Sprinterinnen?
Sarah Atcho schreibt ein kleines Leichathletik-Märchen, als sie sich an den Schweizer Meisterschaften für die EM qualifiziert. «Ich werde jede Sekunde in Istanbul geniessen», sagt sie. «2019 an der WM in Doha war mein letzter Einzelstart. Damals habe ich überhaupt nichts mitgenommen, dabei hätte es da schon mein letzter Grossanlass sein können.» Nach schwerer Verletzungsgeschichte mit zwei Knie-OPs und Herzproblemen ist es ein kleines Wunder, dass die Lausannerin überhaupt dabei ist. «Ich hätte nie gedacht, dass ich wieder so schnell sein kann», staunt sie über sich. Die dritte Schweizer Sprinterin ist Melissa Gutschmidt, die Géraldine Frey vorgezogen wurde – ein Entscheid, der in der Szene für Verwunderung und mancherorts auch für ziemlichen Unmut sorgte.