BLICK: Kariem Hussein, seit Monaten konnten Sie nur noch Alternativ-Training machen, sind im Mai in Doha ein einziges Rennen gelaufen. Weshalb kommt Ihr Verzicht auf Berlin erst jetzt, zwei Wochen vor EM-Beginn?
Kariem Hussein: Ich habe bis jetzt immer daran geglaubt, dass es noch klappt. Ich bin überzeugt gewesen: Sobald ich ohne Schmerzen laufen kann, dauert es eine Woche und ich bin für Wettkämpfe bereit. Diesen Glauben habe ich nie aufgegeben.
Was ist denn genau ihr gesundheitliches Problem?
Angefangen hat es bei einem der letzten Trainings während meines Trainingslagers im Januar in Südafrika. Bei einem vollen 200-Meter-Sprint hat es mir eins in den Oberschenkel «gehauen». Ich bin gestürzt, es hat mich voll «zerrissen». Die Verletzung hat sich als Muskelfaserriss herausgestellt.
Dennoch sind Sie im April wieder guter Dinge gewesen.
Stimmt. Anfang Mai bin ich optimistisch zum Diamond-League-Meeting nach Doha geflogen. Habe mich dort super gefühlt. Und dann kam während des Rennens wieder dieser Oberschenkel-Schmerz.
Als Medizin-Student stehen Sie unmittelbar vor dem Staatsexamen. Müssten Sie damit die Ursache Ihres Problems nicht kennen?
Woher die Probleme kommen, weiss ich nicht. Auch das ganze medizinische Team in meinem Umfeld rätselt noch. Das hat jetzt oberste Priorität, abzuklären, woher die Probleme im Beckenbereich, die in den Oberschenkel ausstrahlen, kommen.
Aber Sie waren doch schon monatelang in Therapie?
Das schon, aber weil wir alle daran geglaubt haben, die Sache in den Griff zu bekommen, war die Therapie darauf ausgerichtet, mir Alternativ-Training im Wasser oder im Kraftraum zu ermöglichen. Erst jetzt haben wir richtig Zeit, den Schmerzen auf den Grund zu gehen.
Ihre Vermutung?
Mein Becken steht mittlerweile wieder gerade. Auf Bildern ist weder muskulär noch im Nervenbereich etwas zu erkennen. Es ist einfach so, dass ich die Muskeln nicht richtig ansteuern kann. Sobald ich das versuche, gibts einen Stich. Ich will zwar noch nicht an eine Operation denken, aber vielleicht ist das nicht zu umgehen.
Dennoch ist für Sie ein Karrieren-Ende kein Thema?
Nein. An Rücktritt denke ich nicht. Im Gegenteil. Ich habe am 7. und 9. August meine letzten Prüfungen für das Staatsexamen. Danach möchte ich voll auf die Karte Sport setzen. 2019 an der WM in Doha eine Medaille anpeilen. Meine Karriere ist noch nicht fertig! Die Karriere als Arzt kann noch warten.
Obwohl international über 400 m Hürden momentan die Post abgeht, denken Sie gleich wieder an eine Medaille?
Sicher! Als Sportler musst Du so denken. Einfach bloss dabei sein, ist doch kein Ziel. Ob mein Medaillen-Traum realistisch ist, können andere beurteilen. Für mich ändert das nichts.