BLICK: Mujinga, Sie können sportlich auf ein Superjahr zurückblicken, tun Sie das für unsere Leser und Leserinnen im Schnelldurchlauf?
Mujinga Kambundji: 2014 gings für mich wirklich Schlag auf Schlag. Bei den Meetings in Bellinzona, Luzern und Lausanne konnte ich mich an internationaler Konkurrenz messen und habe dabei gespürt: Es liegt noch viel mehr drin. Dass ich das dank perfektem Saisonaufbau Mitte August bei der Heim-EM in Zürich zeigen konnte, ist natürlich super. Es kommt mir aber bereits so vor, als wäre das alles im letzten Jahr gewesen.
Welches war für Sie das absolute Highlight?
Das war der Mittwoch bei der EM, der zweite Wettkampftag. Bereits am Vortag hatte ich den 100-m-Schweizerrekord im Vorlauf verbessert. Da habe ich gespürt, dass ich in Topform bin. Entsprechend erlebte ich den Mittwoch, den Final-Tag: Einerseits war ich mega aufgedreht, andererseits total entspannt. Die 11,20 im Halbfinal, wieder Rekord, und dann Platz vier im Final – die Stimmung im Letzigrund vergesse ich nie mehr.
Von dieser emotionalen Welle wurden Sie während der ganzen EM-Woche getragen?
Genau. Ich spürte überhaupt keine Müdigkeit, wusste, dass ich auch über 200 Meter stark bin. Mein Ding wollte ich durchziehen. Daran konnten auch die Trainer nichts ändern. Sie wollten, dass ich wegen der Staffel auf den 200er verzichte. Dieses Erlebnis liess ich mir nicht nehmen. Von niemandem. Und die Panne mit dem Staffelstab hatte überhaupt nichts mit meinen vielen Rennen zu tun.
Dann haben Sie sich nach der harten Saison Ferien gegönnt?
Ja. Ich bin mit meinen drei Schwestern für eine Woche nach New York geflogen.
Sie haben bei ihnen also Ihr Versprechen für den Fall eines Schweizerrekords eingelöst?
So ist es. Falls ich einen Rekord schaffe, gehen wir zusammen nach New York, habe ich ihnen gesagt.
Und Sie haben alles bezahlt?
Ja. Schliesslich habe ich ja auch eine Rekord-Prämie erhalten.
Dann haben die Kambundji-Sisters im Big Apple eine Woche lang Party gemacht? Ohne die Eltern hatten Sie ja quasi sturmfrei.
Überhaupt nicht. Die jüngste Schwester ist ja erst zwölf, wir durften sie also nicht alleine lassen. Und schliesslich sind wir nach New York gegangen, um uns diese mega Stadt anzuschauen. Daneben haben wir aber auch das Shopping genossen.
Was haben Sie in New York denn Spezielles gekauft?
Vieles. Aber vor allem das lange Abendkleid, das ich vor kurzem bei den Sports Awards getragen habe.
Haben Sie denn im Oktober schon gewusst, dass Sie für die Wahl der Sportlerin des Jahres nominiert sind?
Nein, das hatte ich mir nicht einmal erträumt. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt erst eine Einladung, an der Sports-Awards-Gala als Gast dabei zu sein. Und ich mag es halt ab und zu, mich für spezielle Anlässe auch chic zu kleiden.
Sie haben es bei der Sportlerinnen-Wahl sogar unter die letzten fünf geschafft.
Darauf bin ich stolz. In einem Jahr mit Medaillen-Gewinnerinnen von Olympischen Winterspielen als Sommer-Sportlerin nur schon nominiert zu werden, zeigt mir, dass die Medien und die Schweizer Bevölkerung meine Leistungen als Leichtathletin hoch einschätzen. Dann als einzige Sommersportlerin unter den Top fünf zu sein, war mega.
Dabei haben Sie auch Roger Federer getroffen, so etwas wie den Schweizer Sport-Gott.
Ich schaue mir zwar seine Matches oft am Fernseher an, aber ihn persönlich zu treffen, war eine Premiere. Viel mehr als Smalltalk wars allerdings nicht.
Kein Neid, dass Roger Tennis-Multimillionär ist und Sie bloss eine arme Leichtathletik-Maus?
Überhaupt nicht. Geld war für mich nie ein Antrieb, Sport zu treiben – und wird es auch nie sein. Eigentlich ist Leichtathletik für mich immer noch ein Hobby. Obwohl der Aufwand dafür mittlerweile recht hoch ist. Dass ich mit meinem Hobby jetzt sogar etwas Geld verdienen kann, hätte ich nie geträumt. Für mich als BWL-Studentin ist das natürlich schön.
Dennoch haben auch Sie seit kurzem einen Manager.
Das stimmt. Die Zusammenarbeit mit GFC, der Churer Agentur von Giusep Fry, die viele Wintersportler betreut, entlastet mich. Sie nimmt mir viele Dinge neben dem Training ab, so dass ich mich aufs Wesentliche konzentrieren kann.
Sie studieren Wirtschaft. Was fasziniert sie daran?
Wir erfahren wichtige Dinge über Personal-Führung. Wir lernen, wie man Strategien entwickelt und umsetzt. Man zeigt uns interessante Zusammenhänge auf. Ich kann mir schon vorstellen, nach meiner Sportkarriere auch im Beruf Verantwortung zu übernehmen.
Aber zuerst haben Sie noch sportliche Ziele. Ist es Ihnen leicht gefallen, nach der Erfolgssaison wieder in den Trainingsalltag zurückzukehren?
Ich habe mich sogar wieder aufs Training gefreut. Ich weiss, dass ich noch mehr erreichen kann. Ich arbeite ja erst ein Jahr in Mannheim mit Walerji Bauer als Trainer zusammen. Unter seiner Anleitung kann ich sicher noch weiterkommen. Als Nächstes kommen die Hallen-Europameisterschaften Anfang März in Prag. Mit meinem guten Start sollte auf der 60-Meter-Strecke einiges möglich sein. Und im Sommer kommt dann die WM in Peking. Auch darauf freue ich mich, weil ich noch nie in Asien bei einem Wettkampf war.
Sie verzaubern viele Fans mit Ihrem Lächeln. Wie lange brauchen Sie eigentlich im Badezimmer vor dem Spiegel?
25 Minuten! Von dem Moment an, da ich aus dem Bett steige, bin ich nach 25 Minuten aus dem Haus. Fürs Frühstück bleibt dabei natürlich keine Zeit, aber das kann ich ja im Tram oder im Zug oder einfach später nachholen. Vor dem Spiegel brauche ich nicht lange, denn normalerweise schminke ich mich kaum. Gelegentlich mag ich es aber auch, mir vor dem Ausgang beim Schönmachen ein bisschen länger Zeit zu lassen.
Und dann tragen Sie wie bei den Sports Awards High Heels?
Auch das mag ich gelegentlich. Ich habe etwa 15 Paar davon. Das ist schliesslich eine schöne Abwechslung zu der vielen Zeit, die ich in Turnschuhen unterwegs bin.