Justin Gatlin, der Buhmann
Anstatt tosenden Applaus erhält der 35-jährige 100-m-Weltmeister Justin Gatlin in London nur gellende Buhrufe. Die Fans verzeihen dem US-Doppelweltmeister von 2005 seine beiden Dopingfälle nicht. Dabei hat Gatlin seine Strafen abgesessen, weil er beim zweiten Doping-Vergehen offen zur Aufklärung beigetragen hat und sich in den USA seither in der Doping-Bekämpfung engagiert, wurde die zweite Sperre von lebenslang zuerst acht danach auf vier Jahre reduziert.
Caster Semenya, die Umstrittenste
Die südafrikanische Mittelstrecklerin Caster Semenya steht seit ihre WM-Titel über 800 m von 2009 in Berlin im Brennpunkt. Sie ist intersexuell, gilt zwar als Frau, hat aber einen Hormon-Spiegel fast wie ein Mann. Es ist immer noch nicht klar, wie man mit solchen Sportlerinnen in Zukunft umgehen soll. In London geht sie nicht bloss über 800 m auf Gold-Jagd, sie versucht mit ihrer 1500-m-Teilnahme das Double. Und rollt auch auf der längeren Strecke wie ein Dampfwalze durch Läuferinnen-Feld.
Mo Farah, der Super-Papa
In London zelebriert der aus Somalia stammende Brite Mo Farah mit dem erneuten Griff nach dem 5000/10000-m-Double seinen Abschied als Bahnläufer. Mo beschränkt sich danach auf den Marathon. So, wie er es 2012 bei seinen olympischen Heimspielen im gleichen Stadion schon gemacht hat, zeigt er sich auch jetzt wieder als Super-Papa. Vor fünf Jahren hatte er nach dem Coup seine hochschwanger Frau Tania kurz vor der Geburt ihrer Zwillingsmädchen im Stadion umarmt, jetzt geniesst er die Ehrenrunden bereits mit vier Kids: Amani, Aisha, Rhianna und Hussein.
Caroline Schäfer, die Weinende
Die 25-jährige deutsche 7-Kämpferin Caroline Schäfer feiert am Sonntag mit WM-Silber den grössten Erfolg ihrer Karriere. Die Freudentränen über ihre 6696 Punkte will sie gar nicht verdrücken. «Caro» ist einfach nur happy über eine grossartige Mehrkampf-Saison 2017. Schon vor zwei Jahren bei der WM in Peking hat Schäfer geweint. Damals allerdings bittere Trauertränen. Aus Herzschmerz, nachdem im Februar 2015 ihr Lebenspartner Dennis Hefter, selbst Volleyballer, beim Überqueren von Bahngleisen von einem Zug tödlich verletzt worden war.
Angelica Moser, die Patriotin
Auf der Tribüne im Londoner Olympia-Stadion sind es vor allem die Fans aus Jamaika, die mit Grün-Gelb für ihre Reggea-Insel Farbe bekennen. Drinnen auf der Laufbahn zeigt auch eine Schweizer Athletin gerne, woher sie kommt. Die 19-jährige Stabspringerin Angelica Moser trägt das Rot mit dem weissen Kreuz während des Quali-Wettkampfs stolz auf ihren Fingernägeln. Dass sie das am Sonntag im Final nicht noch einmal darf, kann sie in ihrem jugendlichen Alter wohl verkraften. Bei der nächsten WM ist sie dann bestimmt auch für den Medaillen-Kampf reif. Wieder mit Rot-Weiss auf den Nägeln.
Alejandro Florez, der Oldie
Ein «WM-Sieg» kann die Schweizer Delegation in London auf sicher verbuchen. 50-km-Geher Alejandro Florez ist am kommenden Sonntag, wenn sein Wettkampf ansteht 46 Jahre und 94 Tage alt. Florez ist Auslandschweizer, lebt in Mallorca, wo er auch sein eigener Trainer ist. Über 20 Kilometer war er schon 2013 bei der WM in Moskau dabei, wurde 51. In London geniesst Florez über 50 Kilometer Frauen-Begleitung. Der Wettkampf steht erstmals beiden Geschlechtern offen.
Jacob Kiplimo, das Küken
Wenn Jacob Kiplimo für Uganda am Mittwoch zum 5000-m-WM-Vorlauf antritt, ist er der jüngste Londoner WM-Teilnehmer in einer Einzeldisziplin – 16 Jahre und 267 Tage alt. Immer davon ausgehend, dass der Eintrag in seinem Pass auch richtig ist. Für afrikanische Länder ist das nicht immer selbstverständlich. Mit 13:19:54 Minuten hatte er sich vor einem Jahr bereits die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Rio gesichert.
Orazio Cremona, der Koloss
Traditionell sind die Kugelstösser in der Leichtathletik die grösste Wucht. Mit 148 Kilo bei einer Grösse von 1,91 m ist der 28-jährige Südafrikaner Orazio Cremona der Koloss dieser Londoner WM. Seine Masse hat ihm aber wenig genützt, als 23. Scheidet er mit 19,81 m in der Quali aus. Zum Vergleich: Das beste Kampfgewicht unseres dreifachen Kugelstoss-Weltmeisters Werner Günthör lag bei 125 Kilo.
Der Flitzer, Jagd nach 80 Metern vorbei
Minuten vor Usain Bolts 100-m-Finalissima stürmt er auf irgendeinem Weg auf die Bahn des Olympia-Stadions. Splitter nackt. Seine langen Kopfhaare zu einen Pferdeschwanz zusammengebunden, der zweite bambelte bei seiner Flucht vor den Security-Leuten ungebändigt zwischen den Beinen. Auf seiner Brust steht grosslettrig «Peace + Love», auf dem Rücken «Drug free for Mum». Nach 80 Metern war er eingefangen, sein Pemmel mit der gelben Jacke eines Securitys versteckt.